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Sachkunde bilingual

Kinder italienischer Eltern gehören im deutschen Schulsystem zu den Bildungsverlierern. Dass es auch anders geht, zeigt eine bilinguale Schule in Köln.

Von Katrin Sanders | 19.09.2009
    Viva italiano: "Es lebe Italienisch" - so heißt das Lehrbuch - in dem 18 Mädchen und Jungen eben lernen, Possessivpronomen einzusetzen. Anspruchsvoller Unterricht in der vierten Klasse und alles auf Italienisch. Für die Kinder der Katholischen Grundschule am Zugweg in Köln ist das vom ersten Schultag an vollkommen normal.

    "Ja wir haben mit leichten Wörtern erst angefangen, mit Tomate und so."

    "Zum Beispiel Apfel, Birne, Affe angefangen, dann haben wir ein paar Lieder gelernt, dann hatten wir so Hefte, da mussten wir dann immer was schreiben. Und wir haben dann noch die Vokale gelernt, ein paar Wörter, ein paar Lieder, Geschichten."

    "Es ist eigentlich ganz einfach Italienisch zu lernen."
    Ganz einfach, wenn man von Anfang an nichts anderes hört. Den Viertklässlern der i-Klasse - i für Italienisch - jedenfalls hört man längst schon nicht mehr an, welches italienische Eltern hat und welches polnische, griechische oder deutsche:

    "Man lernt die Sprache auch, wenn die Signora di Faveri immer Italienisch spricht, weiß man nach ein paar Wochen oder Jahren, was sie jetzt gerade sagt, zum Beispiel: 'Holt eure Hefte raus'."

    "Das heißt: "Prendeti i vostri quadredni”."

    "Prendono il la stu ... das heißt: 'Nehmt eure Mäppchen'."
    Die Schule am Zugweg war in den 60er-Jahren noch eine rein italienische Volksschule. Die Schule für die deutschen Kinder war Tür an Tür im selben Gebäude untergebracht. Doch erst mit der Schulreform 1968 wurde daraus eine Grundschule. Den muttersprachlichen Unterricht in Italienisch gab es am Nachmittag - so wie es bis heute in Grundschulen üblich ist. Bruno Prass, der Schulleiter erinnert sich noch gut an die Schwierigkeiten mit diesem vermeintlichen Förderangebot:

    "Der Besuch des muttersprachlichen Unterrichts war ja sehr rückläufig. Und die Erfolge der italienischen Kinder im deutschen Schulsystem waren eben auch mäßig, sehr mäßig."
    Gesucht wurde deshalb ein Modell für den Vormittag. Das ganze Kollegium fuhr nach Wolfsburg, wo - im Umfeld von VW - eine italienisch-deutsche Schule existierte. 2001 dann war es soweit und man startete auch in Köln mit der ersten bilingualen Klasse: Dort wird Sachkunde zweisprachig unterrichtet, Italienisch ist Hauptfach - gleichberechtigt mit dem Fach Deutsch. Und es gibt ein italienisch-deutsches Klassenlehrerteam, in dem Susanne di Faveri den Italienischpart übernimmt:
    "Natürlich den Italienischunterricht in den Vormittagsunterricht zu integrieren ist wirklich eine große Eroberung, weil es ist ganz was anderes von der Leistungsfähigkeit, von der Aufmerksamkeit, von dem Status, der Anerkennung von dem Fach."

    Damit intensives Sprachlernen und Einzelförderung möglich sind, wird die Klasse für den Italienisch- und Deutschunterricht jeweils geteilt. Für die Kinder ergeben sich so insgesamt fünf Extrastunden Unterricht pro Woche. Zweisprachig werden sie bei so viel Einsatz dennoch am Ende des vierten Schuljahres nicht sein.
    "Das kann nicht gehen mit einer Stunde Italienisch am Tag, geteilt durch 20, 25 oder 27 Kinder das kann nicht klappen. Man versucht die Stunde soviel auszunutzen, wie man kann, aber das reicht nicht aus, um zu sagen, am Ende des vierten Schuljahres sind die Kinder zweisprachig. Aber sie können eine Basis für die Zweisprachigkeit bilden."

    Sofern sie weiterführende Schulen mit Italienischangebot besuchen. Eine Gesamtschule und ein Gymnasium stehen da in Köln zur Auswahl. Ein Angebot mit Perspektive - und das kommt nicht nur bei italienischsprachigen Eltern am Tag der offenen Tür gut an:

    "Ich finde, es ist förderlich, wenn ein Kind schon mit zwei oder drei Sprachen aufwächst, Englisch kommt ja denn auch noch dazu. Solange die leicht lernen, finde ich es sehr gut."

    "Auch für den europäischen Gedanken ist es gut, wenn die Kinder ein bis zwei Fremdsprachen sprechen."
    Zusätzliche Kosten für die zweisprachige Grundschule entstehen den Eltern nicht: Das italienische Konsulat finanziert die Lehrbücher und Unterrichtsmaterialien, das Land NRW übernimmt die ergänzenden Personalkosten. Die Rechnung ist längst aufgegangen, sagt Schulleiter Bruno Praß.

    "Wir können nachweisen, dass die Übergänge von unserer Schule zur weiterführenden Schule ganz deutlich besser geworden sind. Wir haben einmal unser Projekt wissenschaftlich begleiten lassen. Die Ergebnisse liegen vor, dass hier eindeutig im sprachlichen Bereich Verbesserungen da sind und die Kinder bessere Chancen im deutschen Schulsystem haben."
    Dabei dürfte auch eine Rolle spielen, dass es ihren Eltern leichter fällt, auf eine Schule zuzugehen, in der Italienisch eine der gleichberechtigten Verkehrssprachen ist. Signora di Faveri:
    "Wenn man schon die Tatsachen sieht, dass ein paar mehr Kinder auf die Gymnasien und weniger Kinder auf die Hauptschulen kommen, man kann schon nach acht, fast neun Jahren sagen, dass es sich gelohnt hat. Und auf sozialem Niveau sind die Kinder auch gewöhnt miteinander aufzuwachsen und sie sehen auch, dass Kulturen gleichwertig sind. Und das ist, denke ich, auch eine Impfung gegen Diskriminierung vielleicht."