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Sachsen-Anhalt
Ausgebremste junge Linke

In der Linkspartei in Sachsen-Anhalt tobt ein Generationenkonflikt. Die eine Seite ist noch in der DDR sozialisiert worden. Der Nachwuchs nicht - er betreibt Realpolitik, ist wenig ideologisch und kann sich deswegen nur schwer in der Partei durchsetzen. Dabei geht es um die Zukunft der Linken.

Von Christoph Richter | 13.11.2014
    Eine Fahne der Linkspartei weht vor einem blauen Himmel.
    In der Linkspartei in Sachsen-Anhalt gibt es einen Generationenkonflikt. (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    "Mir hat das sehr weh getan. Weil, das ist eigentlich eine Auseinandersetzung wie ich sie nie erleben möchte", sagt der 40-jährige Stefan Gebhardt. Ein eigentlich immer vergnügter, redseliger Typ. Der ausgebildete Krankenpfleger und Kulturpolitiker der Linken im Landtag Sachsen-Anhalts ist noch immer erschüttert. Darüber, wie seine eigenen Parteikollegen bei den Fraktionsvorstandswahlen seine junge Partei-Kollegin, die Rechtspolitikerin Eva von Angern, kürzlich heftig abgewatscht haben.
    "Das tat natürlich sehr weh, da nicht gewählt zu werden. Ohne Ankündigung nicht gewählt zu werden. Im Nachgang haben sehr viele Gespräche stattgefunden. Es ist aber nicht alles ausgesprochen worden, was schade ist. Ich würde aber sagen, dass nicht nur ich zu der Erkenntnis gekommen bin, dass man die Dinge sehr wohl austragen muss."
    Es gärt und brodelt
    Trotz fehlender Gegenkandidaten bekam die 39-jährige Rechtsanwältin und Linken-Politikerin Eva von Angern – Nachfahrin eines Magdeburger Adelsgeschlechts, das auch mit denen von Bismarcks verwandt ist – bei den Wahlen zum Fraktionsvorstand nur Nein-Stimmen. Ein Schicksal, das die junge Rechtsanwältin mit zwei anderen gleichaltrigen Kollegen der Linkspartei teilt. Beim zweiten Wahlgang – Monate später – waren die Wahlergebnisse wegen der Aussprachen zwar etwas besser. Aber nicht berauschend, sagt Stefan Gebhardt: "Ich hoffe, dass wir über den Berg sind. Ich denke wir sind das auch. Aber das war schon eine doofe Zeit. Das stimmt."
    Die Wahl hat es deutlich gemacht. Es gärt und brodelt bei den Linken in Sachsen-Anhalt. Sie hat ein Generationsproblem.
    Auf der einen Seite stehen die DDR-Sozialisierten, die letzten Staatssozialisten, die das Gefühl haben, nicht mehr gebraucht zu werden. Die gar die Angst umtreibt, durch die Hintertür aus der Partei gedrängt zu werden, wie man hinter vorgehaltener Hand hört.
    Auf der anderen Seite die realpolitische Generation der Mitte 30- bis Mitte 40-jährigen. Sie sind dynamisch, wenig ideologisch, sachorientiert. Ihr großes Projekt 2016: Regierungsübernahme und Ministerpräsidentenschaft. Doch das ist deutlich in Gefahr, wenn der Generationenkonflikt die sachsen-anhaltischen Linken weiter spaltet. Er ist die Nagelprobe, um ein koalitionsfähiger und berechenbarer Partner für die Sozialdemokraten oder die Grünen zu sein. Dass das klappt: Die rechstpolitische Sprecherin der Linken in Sachsen-Anhalt, Eva von Angern ist zuversichtlich. Sagt sie zumindest: "Wir schaffen es. Das Projekt ist nicht in Gefahr. Wir schaffen es."
    Zusammenarbeit über Fraktionsgrenzen hinaus
    Ein anderes Thema ist der Konflikt, um die thematische Positionierung. Während sich die Alt-Linken in Sachsen-Anhalt auf die klassischen Politikfelder wie die der Sozial– und Agrarpolitik konzentrieren, wollen sich die Jungen darauf nicht reduzieren lassen. Geradezu urbane Themen wie Hochschulen und Wissenschaft, Kultur und moderne Daseinsfürsorge liegen ihnen am Herzen. Und man sei sich einig, erzählt Stefan Gebhardt, dass man über die Fraktionsgrenzen hinweg, auch mit dem politischen Gegner im Gespräch bleiben muss. Politik als pragmatisches Handeln: So kann man das Credo der wenig wohl gelittenen Jungen Garde der Linken in Sachsen-Anhalt wohl beschreiben.
    "Wo in der letzten Legislatur noch die FDP im Landtag war, da hatte ich da mindestens drei Abgeordnete von der damaligen FDP-Fraktion mit denen ich außerordentlich gut zusammen gearbeitet habe. Ich glaube wir haben uns geschätzt, obwohl wir unterschiedliche Positionen haben. Das ist glaub ich auch wichtig."
    Gerade bei den Älteren in den Linken verursacht dieser gelassene Umgang mit dem politischen Gegner aber Schnappatmung. Und es ist ein offenes Geheimnis, dass man auch deshalb bei den Fraktionsvorstandswahlen die einmalige Chance sah, den Jungen in der Partei mal richtig einen einzuschenken. Auch das Thema Unrechtsstaat DDR lässt die Junioren kalt.
    "Wir sind davon deutlich weniger betroffen, wir müssen auch unsere eigene Biografie nicht verteidigen, weil wir da auch die Gnade der späten Geburt für uns besitzen. Und da geht uns auch mal das eine oder andere lockerer über die Lippen."
    Stefan Gebhardt sieht man meistens plaudernd und rauchend in einer Ecke des Landtagsgartens stehen. Er trägt Ohrringe, seine längeren braunen Haare sind locker nach hinten geworfen. Gebhardt ist keiner der sich ins Büro einschließt und Akten frisst. Ganz im Gegenteil. Die Tür des Linken-Politikers steht immer offen. Er sehnt nahezu jede Gelegenheit her, um da rauszukommen. Wie ein Schüler, der es nie gelernt hat, stillzusitzen.
    Sensibles Händchen gefordert
    Von einer Rache der Alten will keiner sprechen. Schon gar nicht von einer gescheiterten Verjüngungskur. Der Linken-Fraktionsvorsitzende Wulf Gallert - der mit seinem buschigen Oberlippenbart, dem türkischen Präsidenten Erdogan fast ein bisschen ähnlich sieht – unternimmt einen Erklärungsversuch:
    "Die 50-Jährigen und die, die älter sind, sind geprägt, durch Erfahrungen vor und nach der Wende. Da sind die Jüngeren in einer anderen Zeit aufgewachsen. Sind oft unbefangener. Sie sind oft deutlicher in ihren Positionen und vertreten sie hier und da auch anders" - Was aber bei den Älteren überhaupt nicht gut ankommt, gesteht etwas verkniffen Fraktionschef Wulf Gallert. Weshalb von ihm nun ein sensibles Händchen gefordert ist. Er muss seine Fraktion jetzt wie ein Therapeut zart an die Hand nehmen, auf Befindlichkeiten achten. Jung und Alt versöhnen.
    "Naja, einmal Lehrer immer Lehrer, das prägt einen so ein bisschen. Ich sage aber auch ganz klar: Ich will die Differenzen auch nicht zuschütten, ich will auch Konflikte nicht wegdiskutieren. Nach dem Motto, mir müssen uns alle liebhaben. Produktiv wird es ja erst, wenn wir ins Gespräch kommen."