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Sachsen-Anhalt
CDU-Konservative treiben Ministerpräsident vor sich her

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hatte nach dem Anschlag auf die Flüchtlingsunterkunft in Tröglitz für eine "aufrichtige Willkommenskultur" plädiert. Diese Haltung passt vielen seiner Parteimitglieder nicht: 19 von ihnen haben sich zum "Konservativen Kreis" zusammengeschlossen. Sie fordern einen scharfen Kurswechsel - nach rechts.

Von Christoph Richter | 22.10.2015
    Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU) äußert sich am 04.11.2014 während der Landespressekonferenz Magdeburg.
    Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt (picture alliance / dpa / Jens Wolf)
    CDU-Mitglied Ingo Gondro nennt sich selbst einen aufrichtigen Patrioten. Er trägt einen dunkelblauen Pullover mit FC Bayern-Emblem. In der Hand hält der 48-jährige Wirtschaftsförderer ein Handgelenk-Täschchen.
    "Es muss möglich sein, in seinem Vorgarten eine schwarz-rot-goldene Fahne hissen zu können, ohne sich dabei Gedanken zu machen. Es muss möglich sein, auf Dinge, die das Land geleistet hat, stolz zu sein."
    Werte, die in der Union in Sachsen-Anhalt nicht mehr vertreten würden, sagt der etwas knubbelige Vater dreier Kinder:
    "Wir vermissen eigentlich, dass die CDU in den vergangenen Jahren sich nicht nur zur Mitte hin bewegt hat, sondern auch mehr in das linke Spektrum."
    Gondro fordert daher einen scharfen Kurswechsel, weshalb er zusammen mit 18 anderen CDU-Mitgliedern den Konservativen Kreis gegründet hat. Man sieht sich als innerparteiliche Rebellen, als Sprachrohr und Interessenvertretung des rechten Flügels innerhalb der Union in Sachsen-Anhalt. Vorbilder sieht man in Wolfgang Bosbach oder Friedrich Merz:
    "Wir laufen doch Gefahr, dass unsere konservativen Wähler, unsere konservativen Mitglieder abdriften in Richtung AfD oder andere Richtungen. Das kann nicht unser Wollen sein. Wir möchten gerne dafür sorgen, dass wir unsere konservativen Wähler, unsere konservativen Mitglieder auch bei der Stange halten."
    Besonders im Süden Sachsen-Anhalts klatschen die Ortsverbänden Gondro Beifall. Beispielsweise wenn es um die derzeitige Flüchtlingsdebatte geht, wenn Gondro von der "Völkerwanderung oder der "Asylantenflut" spricht, die es schleunigst zu beenden gelte.
    Für das gemeinsame Abendbrot in der Familie
    Auch Landrat Uwe Schulze - ebenfalls Mitglied im Konservativen Kreis - nimmt kein Blatt vom Mund. Ein stämmiger Typ mit Oberlippenbart, der der Kanzlerin rosarote Willkommenshysterie unterstellt und in Richtung Flüchtlinge sagt, dass man sich in Deutschland seine Wohnung verdienen müsse. In der Opposition fällt das Wort von "geistigem Brandstifter". Ähnlich formuliert es Katrin Budde - Spitzenkandidatin vom Koalitionspartner SPD.
    "Ich halte das für unverantwortlich, wenn ein Landrat mit solchen Aussprüchen an die Öffentlichkeit geht, dass natürlich Ressentiments schürt. Das geht überhaupt nicht."
    Programmatisch ist der christdemokratische konservative Kreis gegen die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften, gegen die Abschaffung der Wehrpflicht, für mehr innere Sicherheit. Aber auch das gemeinsame Abendbrot in der Familie sei ein Wert, für den es sich lohne einzutreten, sagt Ingo Gondro.
    Angriffspunkt ist der eigene, der aktuelle Ministerpräsident Reiner Haseloff, den Gondro und Kollegen äußerst kritisch sehen. Den sie vor sich her treiben, wie sie unumwunden zugeben."
    "Ja, das ist auch richtig so, das ist auch unsere Absicht."
    Und den Mund lasse man sich schon gar nicht verbieten, so Gondro weiter.
    "Es liegt an uns, ob wir in einer toleranten und weltoffenen Gesellschaft leben und Menschen aus anderen Teilen der Erde sich in unserer Gesellschaft wohl und sicher fühlen. Für eine aufrichtige Willkommenskultur können wir alle etwas tun." - Worte des CDU-Ministerpräsidenten Reiner Haseloff, aus seiner Regierungserklärung nach dem Brandanschlag auf das Flüchtlingsheim in Tröglitz, die im Konservativen Kreis gar nicht gut ankommen.
    Politologe: Rechtsruck in der Union
    In der CDU-Landesspitze will sich kaum einer zu den Partei-Rebellen äußern. Einer der wenigen, der sich aus der Deckung wagt und etwas zum Konservativen Kreis sagt - mit ihm gar offen sympathisiert - ist André Schröder. Unions-Fraktionschef im Magdeburger Landtag.
    "Ich bin in der Tat der Meinung, dass es erlaubt sein muss, dass in einer großen Volkspartei Zusammenschlüsse existieren, die auch Beiträge zur innerparteilichen Meinungsbildung liefern."
    Dagegen sei nicht zu sagen, so Schröder weiter.
    Der Magdeburger Politologe Wolfgang Renzsch sieht den Kreis der streng Konservativen allerdings skeptisch und beobachtet aktuell - hervorgerufen durch Parteikollegen wie Ingo Gondro - in der Union in Sachsen-Anhalt einen Rechtsruck, wie er sagt:
    "Es ist in der Tat die Wahlangst vor der AfD. Wobei ich es für einen Fehler halte, wenn man diesen Leuten nach rennt. Viel wichtiger wäre es, klare Kante zu zeigen. Wenn man deren Themen salonfähig macht, wählen die Leute das Original, und eben nicht die CDU."