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Sachsen-Anhalt
CDU streitet über Umgang mit der "Neuen Rechten"

Eine geplante Podiumsdiskussion mit Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) und dem Ideologen der "Neuen Rechten", Götz Kubitschek, hat für heftige Debatten gesorgt - bis die Landesregierung entschied, dass Stahlknecht nicht teilnimmt. Das finden nicht alle CDU-Mitglieder richtig.

Von Christoph Richter | 08.12.2016
    Der Innenminister Sachsen-Anhalts, Holger Stahlknecht (CDU) gibt in der Polizeidirektion in Magdeburg (Sachsen-Anhalt) ein Pressestatement ab.
    Der Innenminister Sachsen-Anhalts, Holger Stahlknecht (CDU). (picture alliance / dpa / Jens Wolf)
    Sachsen-Anhalts CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff hat ein Machtwort gesprochen. Sein Innenminister Holger Stahlknecht darf sich nicht mit Götz Kubitschek, dem Chefideologen der "Neuen Rechten", auf eine Bühne setzen und diskutieren:
    "Für mich ist das eine klare rote Linie seitens der Landesregierung. Und demzufolge muss auch mit diesem Beispiel jetzt die Diskussion fortgesetzt werden. Ich glaube, dass insgesamt ein produktiver Prozess in Gang gesetzt wurde, aus dem das Land gestärkt hervorgeht, im Sinne der Demokratie."
    Von einem produktiven Prozess wollen allerdings nicht alle in der CDU sprechen. Manch einer an der Basis nimmt es dem Ministerpräsidenten übel, dass er Stahlknecht die Diskussion mit Kubitschek am Theater Magdeburg in aller Öffentlichkeit untersagt hat.
    "Ich glaube, es ist nicht geschickt, einen Innenminister zurückzupfeifen und dem Innenminister zu sagen, auf diese Art und Weise nicht. Ein Innenminister muss sich mit diesem Sprachgut, mit diesem Terminus und mit diesen Menschen auch auseinandersetzen können", sagt André Wahlberg, CDU-Mitglied aus dem Saale-Kreis im Süden Sachsen-Anhalts.
    "Ich fand es schon mutig von Holger Stahlknecht"
    Auch der frühere Magdeburger CDU-Landtagsabgeordnete Wigbert Schwenke findet das Vorgehen Haseloffs unglücklich: "Ich fand es schon mutig von Holger Stahlknecht, dass er gesagt hat, ich lass mich auf die Diskussion ein. Ich persönlich hätte es auch gemacht, ich bin einer der diskutiert, insofern finde ich es wichtig, sich nicht weg zu ducken."
    Wie also soll man mit Vertretern extremer politischer Positionen umgehen? Diese Frage wird nun auch in der schwarz-rot-grünen Koalition in Sachsen-Anhalt kontrovers diskutiert.
    "Wir haben unsere Grundsätze klar formuliert, die schon immer Meinung der CDU-Fraktion waren: Wir grenzen uns ab, aber wir grenzen nicht aus", sagt Siegfried Borgward, Chef der Unionsfraktion im Magdeburger Landtag.
    Einen Königsweg gebe es im Umgang mit den "Neuen Rechten" nicht. Man lasse sich allerdings von niemandem vorschreiben, mit wem man reden dürfe und mit wem nicht. Diese Botschaft geht an Burkhard Lischka, Sachsen-Anhalts SPD-Chef. Lischka hatte Stahlknecht scharf kritisiert, weil er sich mit dem rechtsnational eingestellten Verleger Götz Kubitschek in eine öffentliche Podiumsdiskussion setzen wollte:
    "Ich sag das nur deutlich: Für mich persönlich ist das eine absolute Grenze mit Extremisten zusammenzusetzen. Ich unterhalte mich mit AfD-Politikern, mit Wählern, so lange sie nicht extremistischen Organisationen angehören. Und Herr Kubitschek ist einer der Führungskräfte beispielsweise der Identitären Bewegung, die durch elf Landesämter für Verfassungsschutz beobachtet wird. Er war Berater der Republikaner, einer Partei die vor Jahren regelmäßig in Verfassungsschutzberichten aufgetaucht ist. Und er war Redakteur der Jungen Freiheit, die man auch in jedem Verfassungsschutzbericht aufgeführt hat."
    Interview-Anfrage des Deutschlandfunks bei Innenminister Stahlknecht wurde ausgeschlagen
    Auch CDU-Innenminister Holger Stahlknecht hätte in diesem Beitrag zu Wort kommen und seine Sicht der Dinge schildern können. Doch eine Interview-Anfrage des Deutschlandfunks wurde ausgeschlagen. Zu fragen wäre, warum er sich tatsächlich auf eine Diskussion mit einem Mann wie Götz Kubitschek einlassen wollte – dem Gründer des sogenannten "Instituts für Staatspolitik", einer bundesweit agierenden Denkfabrik, die sich in einer Grauzone zwischen Konservatismus und Rechtsradikalismus bewegt und als intellektueller Feldherrenhügel der "Neuen Rechten" gilt. Götz Kubitschek lebt und arbeitet auf einem 800 Jahre alten Rittergut in Schnellroda, das liegt auf halber Strecke zwischen Leipzig und Jena. Im Garten weht die Pegida-Fahne.
    Der gebürtige Oberschwabe und Reserve-Offizier Götz Kubitschek - Verleger einer kleinen neu-rechten Edition - raucht schmale Zigarillos. Die Asche schnippt er elegant aus dem Fenster. Sein Lebensthema sind nach eigener Aussage die Deutschen und das Deutsche. Bei einem Interview vor einigen Monaten erklärt er, das deutsche Volk werde durch den Flüchtlingsstrom geradezu vergewaltigt:
    "Dieses Volk muss wachgerüttelt werden, muss Widerstands-Kraft finden gegen diese Umvolkung."
    Sein Ziel sei es, zivilen Widerstand gegen die multikulturelle Gesellschaft zu organisieren: "Das bedeutet einfach, sich an der Beteiligung dieser Massenzuwanderung – wo es geht - zu verweigern. Und ich möchte, dass das Deutsche erhalten bleibt und eine gute Zukunft hat. Wer ein deutsches Elternteil hat, ist schon mal Teil dieses Volkes. Und dann gibt’s die Möglichkeit Deutscher zu werden. Und dazu gehört eine rückhaltlose und auch begeisterter Wunsch, zu diesem Volk zu gehören. Sich zu assimilieren."
    "Das ist mit demokratischen Spielregeln schlicht nicht vereinbar"
    Ein Umsturz von rechts – das sei es, was Kubitschek im Sinn habe, warnt der Magdeburger Rechtsextremismusforscher David Begrich:
    "Die 'Neue Rechte' will nicht debattieren, sie will Entscheidungen treffen. Das ist ein anderes Modell von Demokratie, das dort favorisiert wird. Und das Volk wird nicht als die Summe seiner Staatsbürger verstanden, sondern als überzeitliche Schicksalsgemeinschaft. Und das ist mit demokratischen Spielregeln schlicht nicht vereinbar."
    Begrich beobachtet Kubitschek und seine Arbeit seit vielen Jahren. Und er hält es für fahrlässig, wenn sich Regierungsmitglieder ohne explizite Kenntnisse der neurechten Bewegung auf eine Diskussion mit Leuten wie Kubitschek einlassen. Denn nur mit dem Grundgesetz oder moralischen Überlegenheitsfloskeln zu argumentieren, reiche da nicht aus.
    Die CDU-Fraktion in Sachsen-Anhalt will aus der Causa Stahlknecht auf jeden Fall Lehren ziehen und überdenken, wie mit Vertretern extremer politischer Positionen umzugehen ist. Im Januar will sie dazu ein entsprechendes Thesenpapier veröffentlichen.