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Sachsen-Anhalt
Deutschlehrer für Flüchtlingskinder gesucht

Flüchtlingskinder frühzeitig integrieren, das ist ein wichtiges Ziel der Schulpolitik. Und das geschieht am besten über Sprachförderung. Doch wie das Schulen und Kommunen stemmen können, bleibt fraglich. Denn es fehlt an geeigneten Personal. Das stellt Gemeinden wie das altmärkische Stendal vor große Probleme.

Von Christoph Richter | 10.07.2015
    Arbeitsmaterialien für den Deutschunterricht für Flüchtlingskinder, aufgenommen am 18.03.2015 in der Fritz-Reuter-Schule in Parchim (Mecklenburg-Vorpommern).
    Arbeitsmaterialien für den Deutschunterricht für Flüchtlingskinder (picture alliance / dpa / Jens Büttner)
    Nervosität herrscht im altmärkischen Stendal, im nördlichen Sachsen-Anhalt. Auch hier sollen zahlreiche Flüchtlingskinder sprachlich und schulisch betreut werden, doch wie das Schulen und Kommune stemmen können, ist noch fraglich.
    Antworten sollte ein Treffen mit dem Landesschulamt und den lokalen Schuldirektoren liefern. Letztere waren – trotz zugesagter Interviews – dann doch nicht bereit mit dem Deutschlandfunk zu reden. Auch für Landesschulrat Torsten Klieme ein Indiz dafür, wie angespannt die Situation ist:
    "Klar, die ist bei uns im Landesschulamt da und die ist bei den Schuldirektorinnen und Schuldirektoren da",
    gesteht der Landesschulrat. Binnen sechs Wochen will man ein landesweites Netz von Sprachklassen einrichten. Die Rede ist von 80 bis 150 Schulstandorten, wo in Sachsen-Anhalt künftig Flüchtlingskinder unterrichtet werden sollen.
    "Na klar sind wir da nervös, versuchen das soweit wie möglich hinzu kriegen. Als wir im Januar kalkuliert haben, über wie viel Schüler wir reden, sind wir davon ausgegangen, dass wir zum Kalenderjahresende 2015 ungefähr 3.000 Schüler mit Migrationshintergrund in den Schulen Sachsen-Anhalts haben, die neu hinzugekommen sind. Nach der Schülerzahlerhebung von letzter Woche wissen wir, dass wir die Zahl jetzt schon erreicht haben."
    Kein einfaches Unterfangen
    Lehrer für die neuen Sprach-Klassen hat man bisher allerdings keine. Bis zu 100 Lehrer würden nach Angaben des SPD-Kultusministers Stephan Dorgerloh in Sachsen-Anhalt benötigt. Kein einfaches Unterfangen, da natürlich nicht nur Sachsen-Anhalt, sondern ganz Deutschland, händeringend Deutsch-Lehrer sucht.
    "Wir sprechen ganz gezielt auch Leute an, die im Ruhestand sind, vielleicht Teilzeit arbeiten wollen. Wir wenden uns auch an junge Leute, die das Erste Staatsexamen haben, aber kein Referendariats-Platz bekommen haben, für die ist das eine wunderbare Perspektive jetzt ein Jahr zu überbrücken. Ebenso fragen wir Migranten, die Deutsch als Fremdsprache als Qualifikation mitbringen."
    Nach Angaben des Landesschulrats Klieme seien bis heute Nacht zwar mehrere Wäschekörbe an Bewerbungen eingetrudelt, aber:
    "..wie qualifiziert sie sind und wie hoch die Passigkeit ist, das müssen wir erst mal feststellen."
    Die Zeit drängt
    Jetzt würde man in aller Gründlichkeit prüfen, wie es heißt. Aber: Die Zeit drängt, denn in Sachsen-Anhalt ist heute der letzte Schultag, in sechs Wochen muss alles stehen.
    "Wir sind natürlich ein Stückchen spät dran. Also für so ein System Schule, was Planungsvorlauf braucht, sind die Ressourcen-Entscheidungen, die die Landesregierung getroffen hat, natürlich relativ spät."
    Sei alles überhaupt nicht zu schaffen, sagen Schuldirektoren - hinter vorgehaltener Hand. Offen reden will – wie gesagt - derzeit keiner.
    Im Landkreis Stendal befürchtet man, dass Lehrer künftig Überstunden machen, Klassen zusammen gelegt werden müssen, um den Sprach-Unterricht für Flüchtlingsklassen zu bewerkstelligen.
    Auch die Finanzierung und Organisation des Schüler-Transports sei völlig ungeklärt, betont Vize-Landrat Denis Gruber. Also wer die Flüchtlingskinder aus den Gemeinschaftsunterkünften in die Schulen und zurückbringt.
    "Die wichtigste Aufgabe wird aber darin bestehen, den Eltern dieser Kinder beizubringen, dass wir ihre Kinder morgens in den Bus setzen, und ihnen auch versprechen, dass sie nachmittags ihre Kinder wieder zurückerhalten. Da ist es halt wichtig, dass wir die Eltern sensibilisieren, ihnen erläutern, was wir hier vorhaben."
    Frühzeitige Integration
    SPD-Kultusminister Stephan Dorgerloh will die Flüchtlingskinder möglichst frühzeitig integrieren. Das heißt, sie sollen so schnell wie möglich aus den Sprachklassen in den Regel-Unterricht kommen. Als Erstes in Musik, Werken oder Sport, später in den übrigen Schul-Fächern.
    "Also wir wollen so früh wie möglich die Kinder in den Schulen haben. Spätestens dann, wenn sie an ihrem Aufenthaltsort sind, gibt es eine Schulpflicht. Für alle Kinder, die in Sachsen-Anhalt leben. Und da wird nicht gefragt, welchen Aufenthaltsstatus haben sie, werden sie geduldet oder sind die EU-Migrant oder haben sie einen anerkannten Flüchtlingsstatus. Sondern, so bald sie hier leben, gilt auch die Schulpflicht."
    Der Zuzug von Flüchtlingskindern bedeute aber auch, so Dorgerloh weiter, dass Grundschulstandorte, die wegen zu geringer Schülerzahlen zur Disposition stünden, sich nun möglicherweise eine völlig neue Perspektive böte.