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Sachsen-Anhalt
IMPULS-Festival vor dem Aus?

Das IMPULS-Festival in Magdeburg will abseits der Metropolen dem breiten Publikum zeitgenössische Musik schmackhaft machen. Doch die Zukunft des Musikfestes ist ungewiss: Das Kulturministerium droht damit, die Landesförderung zu kürzen.

Von Christoph Richter | 05.03.2018
    Musiker der Brandenburger Symphoniker spielen am 30.07.2013 in Rheinsberg (Brandenburg) im Heckentheater des Schlossparks bei der Aufführung der Phantastischen Oper "Hoffmanns Erzählungen" von Jacques Offenbach.
    Das IMPULS-Festival ist bundesweit das einzige Orchesterfestival für Neue Musik, (picture alliance / Jens Kalaene)
    "Wir arbeiten mit der Magdeburgischen Philharmonie, mit der Hallenser Staatskapelle, mit dem Orchester im Harz, mit dem Mitteldeutschen Rundfunkorchester. Mit einem Ziel, wie man in Holland sagt: Um die Musik lecker zu machen", so Hans Rotman, er ist der Intendant des IMPULS-Festivals.
    Vor zehn Jahren hat es der aus dem holländischen Rotterdam stammende und in Utrecht studierte Geiger und Komponist aus der Taufe gehoben.
    "Und dass kann man nur lecker machen, wenn man die Vermittlung sehr wichtig nimmt. Also, dass man besondere Formate erfindet. Zum Beispiel G6, wo sechs Dirigenten ein Orchester dirigieren und moderieren."
    Ein Festival für zeitgenössische Musik auf die Beine zu stellen, in einem Land ohne große Metropolen, das war anfangs mutig. Dennoch, es wurde eine wiedererkennbare Marke draus.
    Zeitgenössische Musik dem breiten Publikum schmackhaft machen
    "Das sind nicht nur die Leute von Donaueschingen, die diese Musik verstehen müssen. Ich möchte gern, dass die Leute in Halberstadt oder in Dessau oder in Halle auch das verstehen, was man sonst nur in den Metropolen hören kann."
    Rotman will kein Taliban der Neuen Musik für Freaks und Spezialisten sein, wie er sagt. Sein Ziel ist es, zeitgenössische Musik dem breiten Publikum schmackhaft zu machen, er wolle Klassik-Outsider erreichen.
    Mit zunehmenden Erfolg: Denn die Zuschauerzahl hat sich nach Angaben der Fesivalmacher mit etwa 9.000 Besuchern seit 2008 vervierfacht, pro Veranstaltung kämen etwa 360 Zuschauer. Und man sei 2017 in 18 Städten Sachsen-Anhalts unterwegs gewesen. Für Konzerte mit Neuer Musik ist das, vor allem weil die Konzerte außerhalb von Großstädten stattfinden, ein außergewöhnliches Ergebnis, schwärmt Intendant Hans Rotman. Bei Kurt Masur hat er einst selbst das Dirigieren gelernt.
    "Das ist ein Festival für diese Zeit, wir haben junge Komponisten, die sich mit dieser Zeit beschäftigen. Die sich selbstverständlich mit dem auseinandersetzen, was da vorgeht, im Irak, in Syrien oder mit der AfD. Und zu diesen Themen Musik machen."
    Förderung wurde drastisch gekürzt
    Doch das wird im Land Sachsen-Anhalt anscheinend nicht geschätzt, denn die Förderung wurde kurzerhand – und per Erlass – von 150.000 Euro auf 100.000 Euro gestutzt. 2008 – zum Start des Festivals - bekam man noch eine Viertelmillion. Das ist eine Absenkung um 60 Prozent, also deutlich mehr als die Hälfte.
    "Es gibt keine Erbhöfe", sagt Sachsen-Anhalts CDU-Kulturminister Rainer Robra am Rande einer Pressekonferenz. Und ob es nächstes Jahr – also 2019 - überhaupt noch Landesförderung für das IMPULS-Festival für Neue Musik gebe, sei ungewiss. Auf Nachfragen reagiert der aus Niedersachsen stammende Jurist Robra höchst verschnupft. Und fragt mit spitzer Zunge:
    Robra: "Waren Sie denn im Konzert in Magdeburg?"
    Autor: "Ja."
    Robra: "Dann wissen Sie ja auch was gespielt wurde, Bartok zum Beispiel."
    Wer Bartok, Schostakowitsch, Prokofjew hören wolle, sei beim IMPULS-Festival auf seine Kosten gekommen, so Kulturminister Robra weiter. Das seien aber mitnichten zeitgenössische Komponisten. Keine Neue Musik.
    "Das ist mir in der letzten Zeit zu kurz gekommen. Tatsächliche Kompositionsaufträge hatten wir 2015 zwei, 2016 fünf, 2017 ebenfalls fünf."
    Dafür bräuchte man kein Festival, ergänzt noch Kulturminister Robra. Intendant Hans Rotman schüttelt energisch den Kopf. Und widerspricht dem Kulturminister: 2016 und 2017 habe man zehn bzw. elf Auftragskompositionen vergeben, also doppelt soviel.
    "Ich bin entsetzt über sowas", weil in der Staatskanzlei anscheinend bewusst Falschinformationen gestreut würden. Und beim scharf kritisierten Magdeburger Konzert wurde nicht nur Bartok aufgeführt, sondern auch zwei Werke zeitgenössischer Komponisten, von Wim Henderickx und Thomas Buchholz, ergänzt Rotman schnell.
    Insgesamt hat das IMPULS-Festival mehr als 500 Werke von 150 Komponisten aufgeführt, worunter auch 20 aus Sachsen-Anhalt kommen. Mit über 80 Prozent aller Werke, würden überwiegend Stücke von zeitgenössischen Komponisten gespielt, zählt Intendant Hans Rotman auf. Und kann nicht verstehen, warum man in der Staatskanzlei so gar nichts mit dem IMPULS-Festival für Neue Musik anfangen könne.
    Kritik am Vorgehen des Landes Sachsen-Anhalt
    Während das Festival bei der Landesregierung kaum Fürsprecher findet, formiert sich im Land massive Kritik am Vorgehen des Landes Sachsen-Anhalt. Selbst aus der eigenen Partei erfährt CDU-Kulturminister Rainer Robra heftigen Gegenwind. Der Landtagsabgeordnete Andreas Schumann - der kulturpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion und Posaunist an der Magdeburger Philharmonie - kann die Kürzungspläne seines Parteifreundes Robra überhaupt nicht nachvollziehen.
    "Nein, das brauchen wir unbedingt. Wir müssen die Menschen mit der Gegenwartsmusik in Verbindung bringen. Und das passiert viel zu selten in Sinfoniekonzerten höchstens mal mit einem Fünf-Minuten-Stück am Anfang. So ein Festival bringt für die Zuhörer eine direkte Verbindung mit der Neuen Musik. Das ist unglaublich wichtig, auch weil wir viel Resonanz mit den Jugendlichen erfahren."
    Unter Sachsen-Anhalts Musikschaffenden ist der Aufschrei groß. Die Generalmusikdirektoren in Dessau, Halle und Magdeburg stehen voll hinter dem IMPULS-Festival. Karen Stone, die Generalintendantin des Theaters Magdeburg schreibt in einer Stellungnahme, dass man mit der Zusammenarbeit mit dem IMPULS-Festival – Zitat – "mehr als zufrieden" ist. Beim Landesmusikrat heißt es "so wie man Händel unter anderem mit eigenen Musikfesten aus dem Alltag ins Bewusstsein rückt, so ist es genauso mit der neuen Musik notwendig."
    Politische Ausrichtung des Festivals gefällt nicht
    Aus der Staatskanzlei ist hinter vorgehaltener Hand zu hören, die politische Ausrichtung des Festivals würde nicht gefallen. Beim letztjährigen Festival wurden Trump-Reden konzertant verarbeitet. Und man hat die aktuellen populistischen Strömungen in Europa und die Gewalt im Mittleren Osten thematisiert. Weshalb es nun heißt, das Programm sei zu weltoffen, zu politisch, ja zu links. Offen will das keiner sagen. IMPULS-Festival-Intendant Hans Rotman kennt die Vorwürfe. Und reagiert mit Sarkasmus.
    "Wenn ein Land sich konzentriert auf Konservatismus, ja dann muss man die Neue Musik, die neue Kultur, die neue Literatur nicht mehr fördern, das stimmt."
    Nichtsdestotrotz: Der Protest gegen die Kürzung scheint erste Früchte zu tragen. Denn es heißt nun, dass die Verantwortlichen in der Staatskanzlei – Kulturminister Rainer Robra und Staatssekretär Gunnar Schellenberger, beide CDU – sie würden die Etat-Kürzungen überdenken. Erzählt zumindest Andreas Schumann, der kulturpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Magdeburger Landtag.
    "Ich glaube, da zeichnet sich ein Weg der Einigung ab. Was ich so gehört habe, wird man einen Weg finden, dass das Festival auf vernünftige Füße gestellt wird."
    Zumindest für das Jahr 2018 soll das Festival nun doch mit 150.000 Euro gefördert werden, also wie ursprünglich zugesichert. Doch damit ist aber keineswegs klar, was 2019, also nächstes Jahr passiert.
    Klar ist aber auch, Sachsen-Anhalt wird ohne das IMPULS-Festival nicht untergehen. Aber eine Plattform für den kritischen Diskurs mit den Themen unserer Zeit würde fehlen, wenn es das IMPULS-Festival nicht mehr gibt. Aber vielleicht ist die Auseinandersetzung mit rechtspopulistischen Phänomenen wie Pegida, AfD und Co., dem erstarkenden Rechtsextremismus, dem Islamismus und anderen gesellschaftlichen Themen in Sachsen-Anhalt gar nicht gewünscht.