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Sachsen-Anhalt
Mindestlohn im Magdeburger Taxigewerbe

In Magdeburg rechnet das Taxi-Gewerbe mit hohen Einbußen. Mancher sieht schon das Taxi-Gewerbe als Ganzes in Gefahr. Es wird gar gemunkelt, dass Kunden, die sich telefonisch ein Taxi bestellen, bald gar keins mehr bekommen.

Von Christoph Richter | 02.01.2015
    "Also im Moment liegen die Stundenlöhne sage ich mal, bei uns zwischen fünf und sechs Euro. Ja und das wäre bei uns, 3,50 Euro, 2,50 Euro mehr. Das ist natürlich ein Problem für uns."
    Erzählt Unternehmer Frank Tempel. Ein Mittfünfziger. Er sitzt bequem am Steuer seines Taxis, seinem Wohnzimmer, wie er sagt. Die Lehne hat er dazu leicht zurückgelehnt. Um den Hals hat er einen dicken Wollschal gewickelt. Der Mindestlohn von 8,50 Euro macht ihm richtig Sorgen.
    "Sie hätten uns einfach eine Übergangsphase geben sollen. Wir haben das ja noch mal beim Land beantragt, dass es einen Übergang von zwei Jahren gibt. Das wir vielleicht mit 7 Euro anfangen. Und dann alle halbe Jahre oder eine jährliche Steigerung mit drin haben. Aber nun müssen wir ins kalte Wasser springen. Es hilft nischt, da müssen wir jetzt durch."
    Geschäftsmodell ohne Zukunft
    Seit 1978 fährt Frank Tempel in Magdeburg Taxi. Früher hieß der Betrieb VEB Kraftfahrzeugkombinat. Früher fuhr er einen Wolga, eine schwerfällige Karosse sowjetischer Bauart. Nach dem Mauerfall hat er sich mit zwei neuen Autos und drei Angestellten selbstständig gemacht. Jetzt ein Geschäftsmodell ohne Zukunft, sagt er.
    "Ich muss ja dem Fahrer den Mindestlohn zahlen, liegt aber gar nicht drinne, bei den Einnahmen, die wir hier haben."
    Gänzlich nervös wird er, wenn er daran denkt, dass der Mindestlohn von jetzt 8,50 Euro in zwei Jahren gar auf knapp 9 Euro steigen wird.
    In der Stunde so Frank Tempel, mache er einen Umsatz zwischen 10 und 12 Euro, der aber auch darunter liegen könne. Pro Schicht machten das in Spitzenzeiten etwa 80 Euro, 40 Euro seien in Magdeburg aber auch normal.
    "Ja ist brutal. Müssen Sie auch mal als Unternehmer sehen."
    Dass Taxifahrer durch den Mindestlohn mehr Geld hätten, sei eine Mär, ergänzt Taxi-Unternehmer Tempel. Und rechnet vor: Früher haben seine Angestellten monatlich zwischen 1.400 und 1.500 Euro inklusive Zuschläge bekommen. Mit dem Mindestlohn sind es allerdings nur noch 1.320 Euro. Denn die Zuschläge, erzählt Frank Tempel, seien durch den Mindestlohn überhaupt nicht mehr bezahlbar, weshalb seine Fahrer künftig zwischen 100 und 180 Euro weniger in der Tasche haben werden. Tatsachen, die die Sozialdemokraten in Sachsen-Anhalt nicht dementieren wollen, auch nicht SPD Sozialminister Norbert Bischoff.
    "Also, dass es Umstellungsschwierigkeiten geben kann, das hat ja auch keiner geleugnet. Das sehe ich auch so. Gerade im Taxi-Gewerbe, das sieht ja auch jeder, weiß man ja, dass das ein Gewerbe ist, wo die sehr viel Ruhestandszeiten haben, wo es sich schlecht rechnet. Aber da finde ich es trotzdem wichtig, dass man sich nicht im Preis unterbietet. Weil das insgesamt dem Gewerbe nicht gut tut. Da wird's Anpassungen geben, da wird es auch da und dort Freistellungen geben."
    Kündigungen sind unausweichlich
    Zu Deutsch: Kündigungen sind unausweichlich. Auch weil weniger Menschen als vorher, auf Taxis zurückgreifen werden, prognostiziert der 75jährige alteingesessene Magdeburger Taxi-Unternehmer Rainer Hartwig. Denn durch den Mindestlohn steigen auch die Fahr-Preise. Das Grundentgelt kostet nun statt 2,80 Euro 3,50 Euro, ebenso sind die Fahrpreise höher. Für 5 Kilometer muss man nun knapp 15 Euro zahlen. Das bedeutet eine Preissteigerung von einem knappen Viertel. Für Menschen in Magdeburg, für die das Taxi-Fahren immer noch ein ausgesprochener Luxus ist, schwer bezahlbar.
    Die ostdeutschen Firmen seien von dem Mindestlohn stärker betroffen, als Betriebe im Westen, heißt es beim Münchner Institut für Wirtschaftsforschung.
    Knapp 40 Prozent der betroffenen Ost-Firmen würden ihre Preise erhöhen rechnen sie vor, fast 27 Prozent gar einen Personalabbau in Erwägung ziehen. Taxi-Unternehmer Rainer Hartwig nickt mit dem Kopf.
    "Das wird sich in diese Richtung entwickeln, das der Einzelunternehmer der einen Beschäftigten hatte, den er auch bezahlen konnte, dass der das nicht mehr tun wird. Sondern der wird als fahrender Einzelunternehmer tätig sein."
    Unternehmen werden also ihre Taxifahrer entlassen, die dann kurz darauf als Selbstständige in den selben Unternehmen weiter arbeiten werden. Für die dann natürlich der Mindestlohn nicht mehr gilt. Frank Tempel erzählt, dass Anfang der 1990er Jahre noch etwa 400 Taxis durch die 230.000 Einwohner große Stadt Magdeburg fuhren, jetzt sind es um die 150. Tendenz weiter sinkend.
    "Taxis wird's immer noch geben. Ob zu jeder Uhrzeit, zu jeder Stunde ist ne andere Sache. Aber Taxis wird's noch geben."