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Sachsen
Landtagswahl wegen Petry-Aktion ungültig?

Eine Entscheidung der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry hat möglicherweise weitreichenende Folgen: Weil sie einen Kandidaten von der sächsischen Landtagswahlliste streichen ließ, könnte die Wahl vor zwei Jahren ungültig sein. Juristen fordern bereits Neuwahlen.

15.10.2016
    Der Schriftzug "Sächsischer Landtag" am Landtagsgebäude des Freistaates Sachsen
    Der Eingang des Landtagsgebäudes in Dresden (dpa-Zentralbild)
    Im Juni 2014 hatte der AfD-Landesvorstand Sachsen unter Leitung von Frauke Petry beschlossen, den Kandidaten Arvid Samtleben von der Liste zur Landtagswahl streichen zu lassen, obwohl dieser von einem Parteitag demokratisch gewählt worden war.
    Wie der "Spiegel" berichtet, gehen Juristen davon aus, dass der Landtag damit nicht verfassungsgemäß zusammengesetzt ist. An einer Neuwahl führe kein Weg vorbei, sagte der Düsseldorfer Parteien-Rechts-Experte Morlok dem Blatt. Ähnlich argumentiert auch Sophie Schönberger, Professorin für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Konstanz. Sie sagte dem Spiegel, die Streichung eines gewählten Kandidaten durch den Vorstand aus politischen Gründen sei ein klarer Verstoß gegen das Gebot innerparteilicher Demokratie.
    So weit will der sächsische Grünenpolitiker Volkmar Zschocke nicht gehen. Er sagte am Mittag im Deutschlandfunk, die Brisanz, wie sie im Spiegel dargestellt werde, sehe man so nicht. Er glaube zwar nicht, dass Petrys Vorgehen rechtens war. Ob dies allerdings zwangsläufig zu einer Neuwahl führe, sei noch nicht abschließend geklärt: "Und das gilt es jetzt erst mal abzuwarten."
    Der gescheiterte Kandidat Samtleben hatte vergeblich bei der sächsischen Landeswahlleiterin Beschwerde eingelegt, trotzdem wurde die veränderte AfD-Liste zugelassen. Wäre Samtleben nicht gestrichen worden, säße er dem Bericht zufolge heute im Landtag.
    "Eine Zumutung für die Partei"
    Petry hatte dem Spiegel zufolge behauptet, Samtleben habe sich in der Partei nicht mehr engagiert und keinen Rückhalt in seinem Kreisverband genossen. Sein Verbleib auf der Liste wäre "eine Zumutung", sowohl für die AfD-Mitglieder als auch für die Wähler der AfD.
    Samtleben selbst vermutet etwas anderes: Um den Wahlkampf zu finanzieren, sollten die AfD-Kandidaten der Partei ein Darlehen gewähren. 3.000 Euro für die Plätze eins bis zehn, 1.000 Euro für die hinteren Plätze. Samtleben landete auf Platz 14. Doch er weigerte sich, das Darlehen zu gewähren. Der Grund: Laut MDR sollten die Darlehensgeber im Fall eines Wahlerfolgs auf die Rückzahlung verzichten, der Kredit würde damit also zur Spende. "Das ist der Kauf eines Mandats und das konnte ich nicht unterschreiben", so Samtleben damals. Die AfD weist den Vorwurf zurück.
    Arvid Samtleben, Mitglied der Partei Alternative für Deutschland, am Landesparteitag der AfD Sachsen.
    Arvid Samtleben, Mitglied der Partei Alternative für Deutschland (dpa-Zentralbild)
    Der Thüringer AfD-Chef Höcke appellierte an Petry, das Thema Sachsen-Wahl nun rasch zu klären. Es handele sich allenfalls um einen Formfehler, der schnell aus der Welt geschafft werden könne, sagte Höcke dem Spiegel.
    Die AfD hatte bei der Landtagswahl in Sachsen Ende August 2014 aus dem Stand fast zehn Prozent geholt und war viertstärkste Kraft geworden. Bei einer Neuwahl könnte sie ihr Ergebnis momentan mehr als verdoppeln: Einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA zufolge liegt die AfD in Sachsen aktuell bei 21,5 Prozent.
    "Typische Verzögerungsstrategie"
    Dem Wahlprüfungsausschuss in Sachsen liegt bereits seit zwei Jahren die Beschwerde des AfD-Kandidaten Samtleben vor. Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen.
    Der Bonner Staatsrechtler Josef Isensee nannte das im Spiegel eine 'typische Verzögerungsstrategie': "Die Abgeordneten urteilen als Richter in eigener Sache, nämlich über ihren eigenen Verbleib im Parlament.". Es sei "kein Wunder, dass niemand mögliche Rechtsverstöße ernsthaft klären will".
    Offizielle Stellungnahmen der sächsischen Landesregierung oder aus Reihen der AfD gibt es bisher nicht. (Stand 11:30 Uhr).
    Petry unter Druck
    Die Frage, ob die Streichung des Kandidaten Samtleben rechtens war oder nicht könnte für Frauke Petry das kleinere Problem sein. Längst wird gegen sie wegen des Verdachts auf Meineid und uneidliche Falschaussage ermittelt. Dabei geht es um ihre Angaben vor dem Wahlprüfungssausschuss des Landtags zu eben jenen Darlehen, die die Partei 2014 von ihren Mitgliedern (unter anderem von Samtleben) eingefordert haben soll, um den Wahlkampf zu finanzieren.
    Ihre Aussagen damals sollen den Schilderungen anderer AfD-Mitglieder widersprochen haben. Sollte es deswegen tatsächlich zu einer Klage und einem Urteil kommen, wäre Petry über Jahre für den Bundestag nicht wählbar. Und ihr würde eine Gefängnisstrafe von mindestens einem Jahr drohen.
    (rm,mg)