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Sachsen
Rechtsextremisten flüchten in Landtag

Es herrscht dicke Luft im sächsischen Landtag. Nach dem unübersichtlichen Ende einer rechten Demonstration werden rund 40 NPD-Anhänger von der Polizei in das Gebäude des Landtags in Dresden eskortiert - um sie vor Gegendemonstranten zu schützen. Nun sind viele Fragen offen, eine Sondersitzung des Landtags-Präsidium endete ohne Ergebnis.

Von Nadine Lindner | 19.06.2014
    Polizisten von hinten. Sie tragen Helme.
    Die Polizei riegelt am 17.06.2014 den Sächsischen Landtag in Dresden ab. (Arno Burgi, dpa)
    Dienstagabend in Dresden - knapp 100 Anhänger der NPD protestieren vor dem Haus der Presse, in dem Sächsische Zeitung und Morgenpost ihre Redaktionsräume haben. Die Kundgebung richtet sich gegen angebliche Medienwillkür.
    Etwa 400 Gegendemonstranten versammelten sich in den umliegenden Straßen.
    Es ist nicht die eigentliche Demonstration, die nun für heftige Diskussionen im Freistaat sorgt, sondern das, was danach passiert:
    Polizei konnte die Lager nicht trennen
    Etwa 40 NPD-Anhänger bewegen sich Richtung des nahe gelegenen Landtags. Gefolgt von rund 100 Gegendemonstranten. Die Polizei sieht sich außerstande die Lager zu trennen, zusammen mit dem Vize-Sicherheitschef des Landtags entschloss man sich dann kurzerhand dazu, die rechten Demonstranten in den Landtag zu geleiten, um sie vor möglichen Angriffen zu schützen.
    "Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang, dass Feinde der Demokratie Schutz im Haus der Demokratie suchen. Die Hausordnung missachtet wird, Sicherheitsvorkehrungen nicht berücksichtigt werden, und wir haben deshalb viele viele Fragen natürlich an den Landtagspräsidenten."
    Auch wenn man den wahlkampfüblichen Radau abzieht, ist der sächsische SPD-Chef Martin Dulig deutlich ungehalten.
    Viele Fragen an den Landtagspräsidenten
    Denn die 40 rechten Gäste im Landtag werfen einige Fragen auf, die bis jetzt noch nicht geklärt sind.
    Wie die Sächsische Zeitung heute berichtet, konnten sich die Demonstranten der NPD in mehreren Räumen, darunter auch ein Sitzungszimmer unkontrolliert bewegen. Dabei trugen sie das, was gemeinhin als „szenetypische Kleidung" bezeichnet wird, T-Shirts, Kapuzenpullover, die die extremistische Gesinnung klar und deutlich zeigen.
    Doch eigentlich verbietet die Hausordnung des Landtags genau diese Art von Kleidung.
    Die Polizei verteidigt ihr Vorgehen, man habe in Absprache mit dem Landtag gehandelt, sagt Thomas Geithner, Sprecher der Polizeidirektion Dresden. Es habe Gefahr bestanden:
    "Vor dem Landtag war die Situation schwierig einzuschätzen. Deshalb haben wir diesen Gedanken aus präventiven Maßnahmen in Erwägung gezogen."
    Sondersitzung ohne Ergebnis
    Nun hat der Streit die Landespolitik erreicht: Die linken Oppositionsparteien schäumen, sie wollen, dass Landtagspräsident Matthias Rößler endlich erklärt, wie es dazu kommen konnte. Sie forderten gestern eine Sondersitzung:
    Doch Landtagspräsident Matthias Rößler hatte es nicht ganz so eilig und entschied die Sitzung auf den letzten Tagesordnungspunkt zu setzen. Da kam es zum Eklat:
    Aus Protest darüber verließen Teile der Opposition das Landtags-Plenum. Die Sondersitzung wurde auf den Nachmittag vorgezogen. Ergebnisse gab es allerdings keine.
    Parteien streiten weiter
    Die schwarz-gelbe Regierungskoalition nahm den Landtagspräsidenten in Schutz und griff stattdessen die Opposition an. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Steffen Flath:
    "Ich kann überhaupt nicht verstehen, warum man am heutigen Vormittag mit Beschimpfungen oder den Landtagspräsidenten, oder mit Beschimpfungen der Polizei gegenüber, die es wahrlich nicht einfach hat, das wird die Wähler nicht überzeugen, die NPD nicht zu wählen. Das solle doch im Vordergrund stehen."
    Der Streit geht weiter: Das Präsidium des Landtags beschäftigt sich heute noch einmal mit dem Fall. Im Laufe des Tages will sich auch Innenminister Markus Ulbig dazu äußern, warum die Nazis in den Landtag eskortiert wurden. Dann werden einige auf den Oppositionsbänken im Landtag ganz genau zuhören. Denn es ist der Begriff der sogenannten sächsischen Demokratie, der hier auf Oppositionsseite immer wieder über die Flure des Landtags geistert:
    Sächsische Demokratie das heißt: Nazis werden nicht verfolgt, dafür werden ihre Gegner umso härter angegangen. Schon oft standen deshalb in der Vergangenheit Polizei und Justiz in der Kritik. So ruht zwar der Prozess gegen den Pfarrer Lothar König, aber er wurde nicht eingestellt. Lothar König hatte im Februar 2011 in Dresden gegen einen Aufmarsch von Rechten demonstriert. Er ist wegen schweren Landfriedensbruches angeklagt.