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Sachsen
Wahlkampfwerbung zwischen Bikini und Sandburg

Am 31. August, am letzten Tag der Sommerferien, wählen die Sachsen ihre neue Landesregierung. Einige Kandidaten suchen deshalb die Wählernähe in den hunderte Kilometer entfernten Badeorten der Ostsee. Die Sachsen-Urlauber reagieren eher verhalten.

Von Nadine Lindner | 11.08.2014
    Rote Badesandalen mit dem Logo der SPD stehen am 09.08.2014 am Strand vor der Seebrücke von Ahlbeck (Mecklenburg-Vorpommern). Der SPD-Spitzenkandidat zur Landtagswahl in Sachsen, Dulig, machte dort Wahlkampf. Sachsen wählt am 31. August einen neuen Landtag.
    Die sächsischen Linken und die SPD zieht es im Wahlkampf an die Ostsee. (dpa / picture-alliance / Stefan Sauer)
    Dresden, am frühen Freitagmorgen - eine Handvoll Journalisten findet sich vor dem Büro der Linkspartei ein. Spitzenkandidat Rico Gebhardt legt noch schnell eine Tasche ins Auto. Tagesziel der kleinen Reisegruppe: das Ostseebad Zinnowitz – Wahlkampf am Strand. 450 Kilometer sind zu bewältigen. Während der sechs Stunden Autofahrt hat Spitzenkandidat Rico Gebhardt ausführlich Zeit. Der Wahltag, der 31. August, ist der letzte Tag der Sommerferien – das hat Auswirkungen auf den Wahlkampf:
    - "Wir haben ja immer gesagt, dass wir diesen 31. August so ein bisschen kritisch beleuchten, was den Wahltag betrifft. Weil der nun genau am Ende der Ferien ist. Und ich meine, die ersten Tage haben das ja auch bestätigt seit ich jetzt im Wahlkampf unterwegs bin: Die Leute sind irgendwie so im Urlaubsmodus. Und da muss man also dorthin gehen, wo sie sind. Und wir gehen davon aus, dass wir auch Menschen aus Sachsen und Zinnowitz heute treffen."
    - "Haben Sie da speziell angepasste Wahlwerbeprodukte?"
    - "Es gibt Sonnenbrillen, es gibt Wasserbälle und es gibt Sonnencreme."
    Eigentlich muss sich der Spitzenkandidat keine Sorgen machen: Nach den jüngsten Umfragen vom Wochenende liegt seine Partei stabil bei 20 Prozent und kann sich damit als zweitstärkste Kraft im Freistaat behaupten. Nach sechs Stunden im Auto führt ihn der erste Weg an den Strand. Mit Anzughose und Hemd steht er zwischen verdutzten Urlaubern in Badehose und Bikini, die Fischbrötchen kauend das Schauspiel vor ihrer Strandmuschel beobachten.
    Rico Gebhardt müht sich nach Kräften, aber so richtig überzeugen lassen, wollen sie sich nicht. Die 20 Journalisten, Kameraleute und Tontechniker, die ihn umringen versuchen derweil, nicht allzu viele Sandburgen niederzutrampeln. Diese Badegäste aus Hohenstein-Ernstthal ertragen die Invasion von Spitzenkandidat und Journalistentross mit stoischer Gelassenheit.
    - "Wird Sie das denn jetzt in Ihrer Wahlentscheidung beeinflussen?"
    - "Nein, ich glaube es eher nicht."
    - "Ich würde sagen: Nein. Das steht schon vorneweg fest, da sind wir uns schon im Klaren, wen wir wählen."
    Auch SPD-Spitzenkandidat macht Wahlkampf an der Ostsee
    Ortswechsel – im schicken Ostseebad Ahlbeck ein paar Kilometer weiter östlich. Der Spitzenkandidat der SPD, Martin Dulig, hat sich auch auf dem Weg an die Ostsee gemacht für die Wählersuche im Sand. Die Hose hat er leger hochgekrempelt und den Blick auf knallrote SPD-Flipflops freigegeben. Unter neugierigen Blicken enthüllt er ein Plakat speziell für den Ostseewahlkampf.
    An der Stelle, an der Martin Dulig sichtbar Applaus erwartet hat, kommt von den mitgereisten Journalisten und neugierigen Urlaubern erst mal nur Schweigen. Ein Schweigen, das zwischen Überraschung und Fassungslosigkeit liegt. Auf dem Plakat ist der Spitzenkandidat mit Sonnenbrille, Luftmatratze und breitem Grinsen zu erblicken. Er erinnert an den Wahltermin am 31. August und daran, doch die SPD dann zu wählen. 15 dieser Großformate sollen in den kommenden Tagen in den Ostseebädern verteilt werden.
    An diesem Samstag hat sich Dulig erst mal selbst mit seinem Küchentisch am Strand von Ahlbeck niedergelassen. Der Küchentisch ist sein wichtigstes Accessoire im Wahlkampf:
    "Ich habe im letzten Wahlkampf eine Rede gehalten, wo ich gesagt habe, meine wichtigsten Berater sitzen bei mir am Küchentisch, weil ich so viel von meinen Kindern gelernt habe. Und das war für mich so der ausschlaggebende Punkt, diesen Küchentisch nicht nur in meinen Reden einzubauen, sondern ihn wirklich physisch mitzunehmen. Deshalb haben wir im Frühjahr gesagt: Der kommt mit!"
    Trotz des Küchentisches als prominenten Wahlhelfer ist der Erfolg bei den Landsleuten nicht gerade durchschlagend.
    - "Ja, wir sind schon aus Sachsen, aber interessieren tut es uns eigentlich nicht, ob die hier sind oder nicht."
    - "Kennen Sie denn den Martin Dulig?"
    - "Nee!"
    Die Partei von Spitzenkandidat Martin Dulig würde es laut der neuesten Zahlen auf 14 Prozent bringen. Was sich für eine Volkspartei erschreckend wenig anhört, wäre für die SPD in Sachsen ein sensationell gutes Ergebnis, dümpelte sie doch bei den letzten drei Landtagswahlen rund um zehn Prozent.
    Nach anderthalb Stunden ist die Wählersuche im Ahlbecker Sand vorbei. Und während sich die Urlauber inklusive Eiswaffel wieder wohlig in die Strandkörbe sinken lassen und der Journalistentross Mikros, Objektive und Notizblöcke einpackt, versuchen Dulig und sein Team noch Sonnencreme und Mettbrötchen an den Mann zu bringen. Bevor auch sie den Küchentisch wieder ins Auto hieven und sich auf den Rückweg nach Sachsen machen.