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Sachsen wollen wieder Grenzkontrollen

Das Wohlstandsgefälle zwischen Sachsen und seinen tschechischen und polnischen Nachbarn ist groß. Ob das der Grund für die hohe Kriminalitätsrate im Grenzgebiet ist, bleibt zu beweisen - doch die Bürger Sachsens sind es leid - und mit ihnen ihre Politiker.

Von Alexandra Gerlach | 22.07.2010
    Sehr geehrter Herr Bandmann,
    wenn es stimmt, was die "Bild"-Zeitung geschrieben hat, dass Sie dafür sind, dass es an den Grenzen wenigstens wieder vorläufig Grenzkontrollen einzuführen sind, dann können wir dies nur begrüßen, das schreibt jemand aus Frankfurt/Oder. Was wir jeden Tag nur über unsere Zeitung erfahren, ist negativ genug und nicht mehr tragbar!


    Zahlreiche Zuschriften wie diese hat der sächsische CDU-Politiker Volker Bandmann in den letzten Tagen erhalten, das erfüllt ihn mit Genugtuung. Denn mittlerweile füllen die Presseausschnitte über Diebstahlsdelikte in der Region, die Bandmann tagtäglich von seiner Sekretärin ausschneiden und sammeln lässt, mehrere Aktenordner. Einbrüche, gestohlene Fahrzeuge aller Art, vom Fahrrad, Behindertenfahrzeug oder Luxus-Karosse, bis zum Traktor mit Mähwerk, sind darin dokumentiert. Längst rät der Görlitzer Landtagsabgeordnete dem PKW-Besitzer, in eine Parkkralle oder mobile Lenkradsperre zu investieren. Der KFZ-Klau in Sachsen sei längst zu einer Landplage geworden, schrieb jüngst eine große deutsche Tageszeitung, und der CDU-Mann stimmt dem zu. Die Hauptursache ist für ihn das große Wohlstandsgefälle zwischen Sachsen, und den beiden angrenzenden Nachbarstaaten Polen und Tschechien.

    "Und damit ist natürlich Sachsen in besonderer Weise in den letzten Jahren betroffen gewesen, wir tragen hier eine Last für ganz Deutschland und hier sehe ich auch die Bundespolitik massiv in der Verantwortung, was auch die Personalausstattung und eventuell das Abziehen von Abordnungen in andere Räume nach München oder nach Stuttgart, dass ich fordere, dass neben einer zeitweiligen Wiedereinführung der Grenzkontrollen die Abordnungen wieder beendet werden. Die Leute, die eigentlich hier ihren Dienst verrichten würden, doch abgeordnet werden, in Gebiete, wo sie möglicherweise Däumchen drehen."

    In der Tat sind seit Inkrafttreten des Schengener Abkommens an der ehemaligen Ostgrenze der Europäischen Union, im Dezember 2007, viel weniger Bundespolizisten in der Grenzregion im Einsatz. Mehrere Hundertschaften der Polizei sind abgezogen worden und umgesetzt an andere Standorte. Zudem muss die sächsische Landespolizei Stellenkürzungen hinnehmen. Viele Menschen in der Region könnten das nicht nachvollziehen, sagt CDU-Mann Volker Bandmann. Hoteliers fürchteten schon um den Ruf der Region als Urlaubsgegend. Ginge es nach seinem Willen, dann würden zumindest vorübergehend die polizeilichen Grenzkontrollen an den Übergängen nach Polen und Tschechien wieder eingeführt werden.

    "Also das ist natürlich eine Forderung, die schräg steht zu allem bisherigen Denken, das ist uns auch als CDU-Kreisverband schon bewusst gewesen."

    Bandmann, der zugleich auch innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag ist, hat mit seiner Forderung einen Sturm der Entrüstung und beißende Kritik in der Opposition, aber auch Stirnrunzeln bei den eigenen Parteifreunden geerntet. Beifall bekam er von der rechtsextremen NPD, die ohnehin lieber heute als morgen die Grenzen wieder schließen möchte. Das sei nicht sein Anliegen, sagt der CDU-Mann ausdrücklich, der seit 1990 als direkt gewählter Abgeordneter im sächsischen Landtag sitzt:

    "Es geht ja nicht um regelmäßige Schlagbäume und es geht ja auch nicht, wie Manche unterstellen, um Abschottung, sondern es geht schlicht und einfach um die Tatsache, dass es eine klare Legitimation geben muss, dass auch Polizei unmittelbar an der Grenze steht, wenn es die Lage erfordert, und der jeweilige Nachbar das nicht als unfreundlichen Akt auslegen kann."

    Doch in Berlin habe er für die Sorgen der Region bisher kein Gehör gefunden, sagt Bandmann. Dabei ist für Sachsens Innenminister Marcus Ulbig, CDU, längst eindeutig, dass es bei sich bei den KFZ-Dieben keinesfalls um kleine Fische handele, sondern:

    "… dass wir es hier mit international agierenden Banden zu tun haben."

    Seit drei Jahren gibt es inzwischen die "Sonderkommission Mobile" und seit Kurzem die deutsch-polnisch besetzte Fahndungsgruppe "Neisse". Im Grenzraum bündeln die Fahnder aus den drei Nachbarländern ihre Kompetenzen und verfolgen neuerdings gemeinsam Straftäter, die sich nach Osten absetzen wollen. Um den Dieben das Handwerk zu legen, brauche es schnelle Kommunikationswege, sagt Uwe Horbaschk, Pressesprecher der Polizeidirektion Oberlausitz-Niederschlesien. Doch die mangelnden Sprachkenntnisse der Beamten auf allen Seiten im Dreiländereck seien nach wie vor eine große Hürde bei der Verfolgung der Straftäter:

    "Die Diebe gehen fast perfekt vorbereitet voran, also sie arbeiten arbeitsteilig, wir haben Erkenntnisse, dass sie ihre Taten genau vorbereiten, dass sie mit verschiedenen Teams anrücken."

    Für Michael Berwald, Zugführer der Bereitschaftspolizei Dresden, ist daher jede Luxus-Limousine, die die alte Grenze in Richtung Osten passieren will, ein guter Grund genauer hinzuschauen.

    "Der Mercedes ist begehrt, Mercedes oder auch BMW, da wird auf die großen Geländewagen Wert gelegt, und für den normalen Familien-PKW, da sind die VW-Modelle favorisiert."

    Tagtäglich sind mehrere Zugeinheiten von Bundes- und Landespolizeikräften in Grenznähe unterwegs, kontrollieren bis weit hinein ins Land, um den Dieben auf die Schliche zu kommen und sie zu verunsichern:

    "Also es gibt Einheimische, denen geht das inzwischen ziemlich auf die Ketten, dass wenn Sie hier nachts an der Grenze von Ebersbach nach Zittau fahren, kann es durchaus sein, das sie bis zu drei oder vier Mal kontrolliert werden. Da entwickelt sich ein gewisser Frust."

    Der Großteil jedoch, und vor allem die, die selbst schon einmal Opfer eines Diebstahls gewesen seien, reagierten mit Verständnis, sagt der Bereitschaftspolizist. Schon deshalb wird sich wahrscheinlich schon bald Bundesinnenminister Thomas de Maizière der KFZ-Diebstahllage an der Grenze annehmen. Auch ihm war jüngst in Dresden sein privater PKW gestohlen worden. Dieser wurde noch vor der Grenze von der Polizei gestoppt, inklusive Dieb am Steuer.