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Sächsischer Schlösserreigen

Elisabeth, die Revoluzzerin, und Dedo, der Fette, haben beide zu unterschiedlichen Zeiten auf Schloss Rochlitz im Mudletal in Sachsen gelebt - und sie bestimmten das Schicksal von dem Anwesen. In unmittelbarer Nachbarschaft stehen weitere Schlösser: Colditz und die Hubertusburg.

Von Katrin Kühne | 25.08.2013
    "Gleich bey Wermsdorf auf einer anmuthigen Höhe lieget das Königliche prächtige Jagd-Schloß, die Hubertusburg, von welchem man den mit vielen Alleen durchschnittenen Wald in Augenschein nehmen kann.
    Zedlers Universal-Lexikon von 1748."


    August der Starke hatte seinem Sohn, dem Kurprinzen,

    "-zur besseren Bequemlichkeit"

    eine schon recht üppige Dreiflügelanlage erbauen lassen.

    "Als Friedrich August II. Kurfürst wurde, seinen Vater also beerbte, also er hat dann wirklich eine königliche Residenz geschaffen, nochmal vergrößert, insofern sprechen wir auch lieber von Jagdresidenz als von Jagdschloss."

    Nun also eine Vierflügelanlage! Der Cour d'Honneur allein fast 19.000 qm. Zentrale Sichtachse auf das pastellfarbene, dreistöckige Schloss mit Satteldach und zentralem Turm. Was für eine Inszenierung barocker Macht!

    Claudia Brink gehört zu dem Team, das das in den 90er-Jahren nach Auszug der Psychiatrischen Klinik in einen Dornröschenschlaf verfallene Schloss wieder zum Leben erweckt hat, zumindest vorübergehend.
    In der Beletage zeigen die Dresdner Kunstsammlungen eine befristete Ausstellung anlässlich 250. Jahrestages des Friedens zu Hubertusburg. Kostbare Waffen, auch für Damen, Meißener Porzellan und Gemälde lassen die höfische Jagd in dem frisch restaurierten Prachtbau wieder aufleben.

    "Wir sind in den Gemächern der Maria Josepha, der Mutter der Maria Anna. Hier ist die Maria Anna dargestellt als Göttin Diana mit der Mondsichel auf dem Kopf, die sie also als Diana ausweist und man weiß, dass die Prinzessinnen, also überhaupt die ganzen Damen des Hofes also auch sehr gerne gejagt haben. Man sieht, das es eben tatsächlich keine rein männliche Domäne war."

    1761 lässt der Preußenkönig Friedrich II. die Jagdresidenz plündern. Fünf Jahre zuvor hat der Siebenjährige Krieg begonnen. Der zweite Teil der Ausstellung widmet sich dem Frieden von 1763, der in Hubertusburg unterzeichnet wurde.

    Schloß Colditz etwa eine Autostunde südlich von Hubertusburg unterhalb von Grimma an der Mulde gelegen, ist ebenfalls einstiges fürstliches Jagdschloss. Seine Blütezeit ist die Renaissance. Rund 40 Meter hoch über Fluss und Städtchen thront der majestätische, weiß restaurierte Baukomplex, der wie Hubertusburg noch in den 1990ern Krankenhaus war.

    Auf dem Schloss wartet Museologin Regina Thiede vor der Foto-Silhouette dreier englischer Soldaten, die während des Zweiten Weltkriegs auf einer Bank im Schlosshof sitzen.

    "Die waren hier Kriegsgefangene. Es waren höhere Offiziere. Und da die Kriegsgefangenen in Colditz nach Genfer Konvention behandelt wurden, hatten sie die Möglichkeit, ihre Freizeit zu gestalten und auch die Möglichkeit, Fotos in die Heimat zu schicken."

    In England ist Colditz legendär durch die über 30 erfolgreichen Ausbrüche aus dem Offizierslager, über die in einer kleinen Ausstellung berichtet wird.

    Die Distanz von der Schlossbrücke über den Wirtschaftshof mit der heutigen Jugendherberge bis zur Schlosskapelle an dem von den wettinischen Kurfürsten genutzten zweiten Hof beträgt allein rund 150 Meter. Hier geht es eine enge Wendeltreppe mit "Schlossherrin" Regina Thiede hinauf - auf der Suche nach den verborgenen Schätzen von Colditz. Überall sind Rückbaumaßnahmen im Gange, um die Schönheit der fürstlichen Gemächer wieder ans Licht zu bringen.

    "Das ist eine Holzkassettendecke von ungefähr 1590, und es ist in malachitgrün, schachbrettartig und es ist ein Wechsel aus freier Malerei und Schablonenmalerei und inmitten dieses Ornaments von Blüten und Früchten und Weintrauben ist immer ein Vögelchen und das Vögelchen ist aber meistens nicht so realistisch, sondern so ein bisschen Fantasiegestalt."

    Etwa eine Art Wiedehopf mit einem Schnabel wie Zwerg Nase oder eine Eule mit Affenköpfchen erheitern den Betrachter. Kein geringerer als Lucas Cranach d.Ä. hat damals das Interieur des sogenannten "Schönen Gemachs" geschaffen. Die Witwe von Kurfürst Christian I. bringt noch einmal Glanz hinter die hohen Mauern von Colditz. Sophie von Brandenburg lebt hier knapp 20 Jahre bis zu ihrem Tod 1622. Nach dem frühen Ableben ihres Gatten war sie zunächst auf das flussaufwärts gelegene Schloss Rochlitz gezogen.

    Die malerisch über der Mulde gelegene Schlossburg wirkt von weitem wie eine mächtige Kathedrale. Ihre zwei spitz "behütete" mit einander verbundenen Türme, die Lichte und die Finstere Jupe, lassen an die Westfront einer gotischen Kirche denken.

    "Die Burg selbst ist über 1000 Jahre alt und im 12. Jahrhundert entstanden hier die ersten Steinbauten und der Mann, der damit verbunden ist, das ist Dedo, der Fette. Das ist dieser wettinische Graf, der hier einen wunderbaren Palas im späten 12. Jahrhundert hat bauen lassen."

    André Thieme, Leiter der Staatlichen Sächsischen Schlossmuseen hat die neu eröffnete Dauerausstellung mit erarbeitet. "Fett, einäugig, revolutionär, drei Wettiner - 1000 Geschichten" lautet deren markanter Titel.

    Die Umstände des Todes von Dedo dem Fetten sind denn auch recht makaber. Der Wettiner gehört zum Gefolge des deutschen Kaisers und kann ihn auf Grund seiner Fettleibigkeit zuletzt nicht mehr nach Italien begleiten:

    "Dedo rief Ärzte herbei, um sich eine schnelle Schlankheits-OP zu ermöglichen, nämlich die Abschneidung des Bauches und an dieser Radikalkur ist er dann allerdings sehr schnell gestorben."

    Im 14. Jahrhundert erweitert der Wettiner Wilhelm der Einäugige Rochlitz zu einer fürstlichen Jagd-Residenz. Er lässt die beiden Jupen, das Fürsten- und das Querhaus an Dedos Südflügel anfügen bzw. umgestalten.

    "Wir stehen im sogenannten Mittelsaal des Querhauses. Wir sehen die fantastische Holzbalkendecke, wir sehen als Sichtfenster in die Vergangenheit geschnitten die ursprünglichen Putzbefunde und wir können hier also dem Markgraf Wilhelm wirklich nachspüren."

    Seinesgleichen sucht damals auch Wilhelms über Eck laufender Riesensaal von fast 60 Metern Länge. In diesen lässt zwei Jahrhunderte später Kurfürst Christian I. für sich und seine Gattin Sophie ein nach der Restaurierung wieder zu besichtigendes Doppel-Appartement einrichten.

    Knapp 60 Jahre zuvor diente Rochlitz einer anderen Witwe als Wittum; - eine Revoluzzerin in den Augen der damaligen Öffentlichkeit. Die lichtdurchflutete "Herzoginstube" war das Schreibkabinett der wohl prominentesten Rochlitzerin, die rund 2000 Briefe hinterlassen hat. Herzogin Elisabeth von Sachsen glüht für die neue Lehre Luthers und führt in Rochlitz die Reformation ein. Außerdem tritt sie dem Schmalkaldischen Bund der Protestanten bei.

    "Im Schmalkaldischen Krieg schreibt diese Elisabeth über Truppenbewegungen der Gegner des Schmalkaldischen Bundes und weil die Information so brisant war, verwendet sie dafür eine Geheimschrift, die sie selbst entwickelt hat. Wir stehen hier vor diesen Briefen, dass eine Frau selbst eine Geheimschrift entwickelt, das ist etwas ganz Besonderes und in dieser Form fast einmalig."

    Mit Elisabeth der Revolutionärin, Wilhelm dem Einäugigen und Dedo dem Fetten bietet Schloss Rochlitz einen lebendigen Einblick in eine sächsische Fürstenresidenz von hervorragender historischer und kunsthistorischer Bedeutung.

    Links:
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    Schlösserland Sachsen

    Buch-Empfehlung:
    Anja Zimmer: "Auf dass wir klug werden – Das Leben der Herzogin Elisabeth zu Sachsen"