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"Sailing conductors"
Segelnde Suche nach dem Klang der Welt

Zwei Berliner Toningenieure nehmen den Begriff "Weltmusik" sehr wörtlich: Als segelnde Dirigenten bereisen die beiden Mitzwanziger seit drei Jahren auf ihrem Segelboot die Welt und machen Musik mit allen, die Lust dazu haben.

Von Cornelius Wüllenkemper | 14.01.2014
    "Wir versuchen, der Worthülse Weltmusik endlich mal den entsprechenden Inhalt zu verleihen. Bis jetzt ist Weltmusik das, was in den Regalen nicht einsortiert werden kann – das heißt dann eben Weltmusik, auch wenn es nur aus Osteuropa kommt. Wir haben uns gedacht: Das ist ein schöner Begriff, wir segeln um die Welt, nehmen Musik auf, und das ist dann echte Weltmusik."
    Hannes Koch sitzt in der "Ankerklause" in Berlin-Kreuzberg, im Hintergrund schreien die Möwen über der Spree. Hier gönnt sich der Mitzwanziger mit zerzaustem Haar, Bart und Seemannsjacke eine kurze Pause. Seit drei Jahren segeln Hannes und sein Kumpan Benn mit ihrem Segelboot über die Weltmeere. Mit an Bord: ein Laptop, eine mobile Soundkarte, ein paar Mikros. In jedem Hafen, in dem die Sailing Conductors einlaufen, machen sie sich auf die Suche nach örtlichen Musikern, die sie aufnehmen. In einem Land spielt jemand den Gitarrenpart, im nächsten Hafen finden sie einen Sänger und tausende Meilen weiter fällt einem Schlagzeuger vielleicht etwas dazu ein. So entsteht nach und nach ein kompletter Song. An "Kalighata" zum Beispiel, einem der Stücke auf ihrer ersten CD, sind neun verschiedene Musiker beteiligt, angefangen bei der indischen Sängerin Ujainy.
    Ein Stück von neun verschiedenen Musikern
    "Bei Kalighata war das so, dass wir Ujainy in Indien aufgenommen haben. Dann sind wir weitergereist, und erst ziemlich spät, in Südafrika, haben wir dann Andrew James getroffen, der diesen Song bekommen hat und dann Gitarre dazu gespielt hat, aber etwas ganz anders gemacht hat als die Originalgitarre und so dem Song eine komplette Wendung gegeben hat, dadurch, dass er die Harmonien und den Rhythmus komplett verändert hat. Dann hab ich noch dazu Bass eingespielt, Benni hat dazu Cello eingespielt. In Indien hatten wir einen elektronischen Beat aufgenommen von Marc. Den haben wir dann dazu geschustert. Und dann haben wir viele Instrumente aus unserer Bibliothek, die wir schon aufgenommen hatten, darein gequetscht."
    Auf der Suche nach dem Klang der Welt sind die beiden Tontechniker 2011 auf den Salomonischen Inseln in See gestochen, dann ging es weiter über Papa-Neuguinea, Australien, Süd-Ost Asien, Madagaskar und Afrika, bis nach Südamerika. Und genau so klingen auch die Songs, die die beiden von ihrer Weltreise mitgebracht haben.
    "Wir nehmen das auf, was kommt, und natürlich sollen sich Stile dann auch vermischen, aber wir haben immer gesagt: Musiker, ihr macht das schon, und was ihr macht, ist genau das Richtige für die Aufnahme."
    Die Toningenieure nehmen die Musiker gerade dort auf, wo sie sie finden
    Tablas aus einem indischen Dorf, der Bass auf dem Strand von Madagaskar, die Gitarre im Hafen von Südafrika, dazu ein wenig Gesang von einem Balkon in Thailand: Die Toningenieure nehmen die Musiker gerade dort auf, wo sie sie finden: Auf ihrem Album hört man im Hintergrund Vögel zwitschern, Wind rauschen oder den vorbeifahrenden Verkehr.
    Ursprünglich hatten die Tontechniker vor, einfach etwas Besonderes in der überlaufenen Medienbranche zu erfinden. Daraus ist nach kurzer Zeit aber eine Weltanschauung geworden.
    "Dann kann man auch sagen, dass da auf einmal unterschiedlichste Religionen, Hautfarben, Kulturansichten, Einkommensgrenzen komplett durchmischt werden. Aus der ganz egoistischen Perspektive ist dann geworden, dass wir mittlerweile sagen, dass unsere Musik die Welt verbindet und zeigt, dass Grenzen eigentlich nur in den Köpfen existieren. Musik ist eine universelle Sprache, Liebe und Musik, das ist unsere Religion. Die Welt ist gut! So Hippie-mäßig das auch klingt."
    Von Jamaika geht es bald weiter Richtung USA
    Derzeit liegt ihr Boot Marianne in Jamaika vor Anker, bald geht es weiter Richtung USA. Im August will Hannes mit Benn dann in seinem Rostocker Heimathafen einlaufen und alle Musiker, die sie getroffen haben, zu einem großen Konzert einladen. Bis dahin sammeln die Sailing Conductors die Klänge der Welt und basteln sie auf hoher See Unterdeck zu echter Weltmusik zusammen.
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