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Salafismus
Predigten gegen Staat, Medien und Andersgläubige

Salafisten predigen in Mönchengladbach von Frieden, Wahrheit und Glaube, richten sich aber in Wirklichkeit gegen den Staat, Medien und Andersgläubige. Bürgerinitiativen wollen den Einfluss der Extremisten kleinhalten - und müssen sich zugleich gegen rechte Trittbrettfahrer wehren.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 13.02.2014
    Der Salafist Sven Lau bei einer Kundgebung in Köln 2012
    Der Salafist Sven Lau bei einer Kundgebung in Köln 2012 (dpa / picture-alliance / Marius Becker)
    Im kalten Wind harren sie aus, lauter bärtige Männer mitten in Mönchengladbach auf dem historischen Alten Markt. Der Regen peitscht auf das Kopfsteinpflaster und durchnässt ihre weißen Pluderhosen. Frieden, Wahrheit, Liebe - das seien seine Werte, ruft Salafistenprediger Sven Lau in die Menge. Seine angeblich friedliche, liebevolle Wahrheit lautet: "Es gibt keine anbetungswürdige Gottheit außer Allah. Ihr könnt Kuffar bleiben, oder Ihr könnt Muslime werden, Ihr habt die Wahl."
    Gut 180 Augenpaare richten sich auf Sven Lau. Mit seinem Megafon steht er in einem crèmefarbenen Lieferwagen, der mit seiner aufgeklappten Längsseite an eine Fischbude erinnert. Die Kundgebung soll ein Aufruf gegen die angebliche Islamophobie sein. Präsenz zeigen, Stärke demonstrieren - das ist das Ziel an diesem Nachmittag. Auch ein paar Frauen sind gekommen, misstrauisch beäugen sie das Mikrofon und sagen "Kein Kommentar." Warum nicht? "Weil ich mit Ihnen nicht diskutiere, weil Sie einem die ganzen Worte sowieso im Munde umdrehen. Und schönen Tag noch."
    Gegen den Staat, gegen die Presse, gegen Nicht-Muslime
    Elem, 18 Jahre alt und Abiturientin, erzählt hingegen ganz offen, wie sie zu dieser Kundgebung kam: "Ich hab den Pierre Vogel in Facebook, und der hat das offenbart. Ich will mir gar keine Vorurteile machen, mir das selber angucken, und selber drüber berichten."
    Es gibt keinen konkreten Anlass für diese Veranstaltung, sondern es geht um Parolen und Propaganda. Gegen den deutschen Staat, gegen die Presse, gegen Nicht-Muslime. Sven Lau fühlt sich als Opfer: "Wo ist die Toleranz? Dass wir jetzt hier gebetet haben, war das schlimm? Kommt der Rassismus wieder hoch? Wiederholt sich die Geschichte wieder? Das ist nicht zum Lachen, dass man sechs Millionen Juden vergast hat. Wollen wir wieder einführen, direkt mit den Muslimen, oder?
    "Also, es löst bei mir noch keine Angst aus, eigentlich nur Abscheu über diese Reden, die da geschwungen werden", sagt Irmgard Reiter. Sie steht ein paar Meter entfernt von den Salafisten unter dem Vordach einer Drogerie und ist genervt. Eigentlich wollte sie nur ein paar Einkäufe machen, und jetzt das, mitten in ihrer Stadt: "Und dann fangen die wieder an, die Deutschen haben die Juden vergast. Also irgendwelche Parolen aus dem Dritten Reich, dass man das jetzt hier als Bühne betrachtet, sich als verfolgt hinzustellen. Und ansonsten, was ich verstehen konnte, war eigentlich nur Müll."
    Salafistenführer setzt auf Opferrolle
    Gleich wird Pierre Vogel, in der Szene auch Abu Hamza genannt, das Megafon ergreifen. Die Sicherheitsbehörden stufen ihn als führenden Kopf in der deutschen Konvertitenszene ein. Und sie sehen im Salafismus einen Nährboden für Gewalt und Radikalisierung. Die Ausreisen aus Nordrhein-Westfalen nach Syrien, wo Bürgerkrieg herrscht, nehmen zu. Doch auch Pierre Vogel setzt in Mönchengladbach ganz auf die Opferrolle. Mit dem Aufruf "Gemeinsam gegen Unterdrückung" wirbt der ehemalige Boxer für seine so genannte "Deutschlandtour". Das Ziel ist klar: Neue Anhänger gewinnen und den Zusammenhalt stärken - weit über Mönchengladbach und Deutschland hinaus.
    "Wir engagieren uns für humanitäre Hilfe in Syrien, wir engagieren uns für Brunnenbau - jaja, Du kannst viel labern. Wir engagieren uns für Brunnenbau in Afrika, und wir sind heute hierhingekommen, weil wir eine Informationsveranstaltung abhalten wollen." Gereizte Stimmung breitet sich jetzt aus auf dem Alten Markt. Rundum um den eingezäunten Platz, auf dem die Muslime stehen, drängeln sich hunderte von Passanten, dazwischen Polizeiketten, und immer wieder Fahnen schwenkende Gegendemonstranten: "So, meine lieben Gladbacher, auch wir können beten! Vater unser im Himmel …"
    Rechten Trittbrettfahrern unter den Gegendemonstranten
    Die Gegendemonstranten in Mönchengladbach sind gut organisiert. Vor drei Jahren schon haben sie sich in zwei Bürgerinitiativen zusammengetan und gegen eine Islamschule gekämpft, die Sven Lau und sein Glaubensbrüder im Stadtteil Eicken eröffnen wollten. "Unsere Kernbotschaft ist Erhalt der freiheitlichen Gesellschaft hier", sagt Wilfried Schultz, Sprecher einer Bürgerinitiative. "Wir haben auch Unterstützung erfahren durch viele einzelne Muslime, die gesagt haben, wie konntet Ihr das zulassen? Wie können Eure Behörden das zulassen? Wobei ich dann immer gesagt habe: 'Ich bin dafür nicht verantwortlich'. Also, so sind die Fragestellungen typischerweise bis in die letzten Tage hinein. Und dann heißt es immer, die wollen wir nicht, wir haben selbst schlechte Erfahrungen gemacht in unseren Herkunftsländern. Schlimm, dass wir das hier wieder erleben müssen."
    Rechte Trittbrettfahrer und Hooligans versetzen die Polizei plötzlich in erhöhte Alarmbereitschaft, Beamte mit Helm und Schlagstock bauen sich zwischen den Salafisten und den näher rückenden Gegendemonstranten auf. Schließlich kehrt wieder Ruhe ein. Und Polizeisprecher Willy Theveßen, der den Unmut vieler Bürger abbekommt, stellt klar: "Im Extremfall kann dieses Grundgesetz der Versammlungsfreiheit nur verboten werden, dann müssen aber ganz massive Hinweise dafür sprechen, dass Gewalttaten begangen werden, und das ist in keiner Weise der Fall."
    Stattdessen predigen Sven Lau und Pierre Vogel an diesem Nachmittag scheinbar über Liebe und Frieden. Reine Provokation, sagt Wilfried Schultz von der Bürgerinitiative: "Ich finde es ausgesprochen misslich, dass man hier in Mönchengladbach ausgerechnet den absolut historischen Kern der Stadt zur Verfügung stellt für die Salafisten. Da hätte es genügend andere Plätze gegeben, die man hätte anbieten können."