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Salz-Bergbau
Pipeline-Pläne entzweien Hessen und Nordrhein-Westfalen

Der Salzabbau belastet seit Jahrzehnten die Wasserqualität in vielen Flüssen Deutschlands. Ein hessisches Bergbau-Unternehmen will jetzt eine lange Pipeline bauen, die Abwässer wegbringt - bis kurz vor die Grenze NRWs. Hier ist man entsetzt. Doch die EU und die Zeit drängen.

Von Stefan Lauscher | 20.11.2014
    Ein Lader kippt am 01.07.2014 im Kaliwerk Werra am Standort Hera bei Philippsthal (Hessen) das abgesprengte Rohsalz in einen Brecher.
    Ein Lader kippt im Kaliwerk Werra am Standort Hera bei Philippsthal (Hessen) abgesprengtes Rohsalz in einen Brecher. (picture alliance / dpa / Uwe Zucchi)
    Seit über hundert Jahren wird im Gebiet um Eisenach und Bad Hersfeld Rohsalz und Kali gefördert. Grundstoff für die Düngemittelindustrie. Und genauso lange schon hat der Kalibergbau dort ein ziemlich dickes Umweltproblem: Nämlich die gewaltigen Mengen an Produktionsabwässern. Sie werden in den Boden verpresst oder gleich ins Oberflächenwasser eingeleitet. Jedes Jahr landen auf diese Weise rund acht Millionen Tonnen hoch konzentrierter Salzabwässer in die Werra.
    So kann es nicht weitergehen. Das weiß das Bergbauunternehmen K+S. Und das weiß auch das Land Hessen. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie verlangt spätestens ab 2027 einen "guten ökologischen Zustand" aller Gewässer. Was also tun? K+S hat da so eine Idee: eine Abwasserpipeline nach Bad Karlshafen, 20 Kilometer vor der nordrhein-westfälischen Landesgrenze bei Höxter.
    Unternehmens-Pressesprecher Oliver Morgenthal: "Der Bau der Oberweserleitung würde dann die Salzfrachten, die im Moment in die Werra direkt vor Ort eingeleitet werden, bis zum Einleitort an die Oberweser führen. Dort haben wir durch Zuflüsse mehr Wasser. Insoweit würde also der Bypass, wenn man ihn so nennen will von der Werra durch die Leitung, die Entsorgungsmengen direkt in die Weser bringen, aber eben dieselben Mengen sein, die bisher in die Werra eingeleitet werden. Und da perspektivisch die Abwassermengen zurückgehen, würde sich der Zustand in keinem Fall verschlechtern, im Gegenteil sogar in der Weser kann es dann auch besser werden."
    140 Kilometer lang wäre diese Oberweser-Pipeline. Kosten: 250 Millionen Euro. Die Werra könnte dadurch natürlich deutlich entlastet werden. Aber in Nordrhein-Westfalen ist man wenig begeistert, jetzt die hessischen Probleme vor die Füße geschoben zu bekommen. NRW-Umweltminister Remmel lehnt die Oberweser-Pipeline rundweg ab. Sein Parteifreund, der umweltpolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, Hans-Christian Markert, formuliert das so: "Nein, das ist keine akzeptable Lösung. Man kann ja die Abwässer nicht dem Nächsten vor die Tür legen. Das wäre Sankt Florian. Und das ist nicht akzeptabel."
    Andere technische Möglichkeiten prüfen
    Auch die Umweltverbände in NRW sind alarmiert. Paul Kröfges, Gewässerschutzexperte vom Bund für Umwelt und Naturschutz: "Wir haben wirklich eine Arten-Verarmung, die also wirklich dramatisch ist. Das kann und muss besser werden. Aber durch diese Pipeline und Einleitung an einer bestimmten Stelle wird es da jedenfalls nicht verbessert, unter Umständen sogar noch verschlechtert."
    Welche Alternativen gäbe es? Eine Zeitlang diskutiert wurde eine Fernpipeline direkt zur Nordsee. Salz zu Salz sozusagen. Inzwischen sind sich aber alle Experten einig: Sie wäre zu teuer und auch politisch wohl nicht durchsetzbar.
    Andere Möglichkeit: eine großtechnische Anlage zur Eindampfung der Salzlauge. Hier winkt K+S ab. Unfinanzierbar, heißt es dort. Außerdem: Der Energieverbrauch wäre so gewaltig, dass allein dafür ein oder zwei neue Kraftwerke gebaut werden müssten.
    Der Grüne Markert plädiert deshalb für einen Mix aus mehreren Maßnahmen: "Wir müssen am Standort gucken, dass die Halden abgedeckt werden, damit kein Salz weiter in die Oberflächengewässer in Thüringen und Hessen eingespült werden. Wir müssen Chemikalien zurückgewinnen, die in den Abwässern drin sind, für die es auch einen Markt gibt. Und wir müssen dann über ein modernes Membran-Verfahren ähnlich der Meerwasser-Entsalzung gucken, dass wir dann die Abwässer soweit aufbereiten, dass wir einen Teil auch tatsächlich einleiten können."
    Am kommenden Montag treffen sich erneut die Umweltminister der Weser-Anrainerländer, um über eine Lösung zu beraten. Die Frontlage ist klar: Hessen (und das Kali-Unternehmen) sind für die Oberweser-Pipeline, alle anderen - Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bremen - sind dagegen. Die Zeit drängt: Bis Dezember muss zumindest ein umsetzungsfähiges Konzept stehen. Die EU droht bereits mit einem Vertragsverletzungsverfahren. Und das kann für Deutschland sehr, sehr teuer werden.