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"Salzburg 20:16" bei den Salzburger Festspielen
Barocke Opulenz an Originalschauplätzen

Opern sind immer die spektakulärsten Ereignisse bei den Salzburger Festspielen; aber es gibt auch andere Genres, die nicht weniger opulent ausgestattet, prominent besetzt oder weniger am Puls der Zeit auftreten. Etwa die Reihe "Ouverture spirituelle" oder der Programmpunkt "Salzburg 20.16".

Von Christiane Lehnigk | 02.08.2016
    Musiker und Zuhörer bei einem Konzert der Salzburger Festspiele 2016 im barocken Dom der Stadt
    Opulentes Konzerterlebnis: "Salzburg 20:16" im barocken Dom (Salzburger Festspiele / Andreas Kolarik)
    Unter diesem Titel standen vier Konzerte, die der Feier zur 200-jährigen Zugehörigkeit Salzburgs zu Österreich gewidmet waren und die Hochzeit der Salzburger Kirchenmusik aufzeigten.
    Zu Gast waren der Gambist Vittorio Ghielmi und Il Suonar Parlante Orchestra mit namhaften Solisten. Vittorio Ghielmi, der in allen Musikstilen zu Hause ist, lehrt am Institut für Alte Musik am Salzburger Mozarteum und baut mit der Leiterin, der Blockflötistin Dorothee Oberlinger das Institut immer mehr zu einer hochkarätigen innovativen Ausbildungsstätte aus. Auch bei den Salzburger Festspielen hat die Alte Musik inzwischen einen festen Platz bekommen, so Vittorio Ghielmi :
    "Natürlich widmet sich das Festival traditionsgemäß in erster Linie der klassischen und der modernen Musik, aber ich glaube, dass auch die Rolle der Alten Musik inzwischen absolut angenommen ist. Aber im Zusammenhang gesehen, entspricht es nicht meinem Verständnis, Musik in Schubkästen mit klassischer, moderner oder alter Musik ein zu teilen. Meiner Meinung nach muss Musik immer nach den Quellen beurteilt und verstanden werden, wenn man die Komponisten studiert, dann muss man die ihnen eigene Sprache erkunden, ob sie nun Strawinsky, Bach oder Perotin heißen, das sollte die intelligente Herangehensweise sein. Darüber hinaus ist es ein Disaster für Moderne wie für Alte Musik, wenn man keine guten Interpreten hat, das bleibt sich gleich. Es muss so oder so zusammen passen."
    Musik: Carl Heinrich Biber, Sonata da chiesa
    Preziosen aus den Archiven

    Vittorio Ghielmi und sein Ensemble Il Suonar Parlante haben bei ihrem Konzert Salzburger Kapellmeister vorgestellt, insbesondere den böhmischen Komponisten und Geiger Heinrich Ignaz Franz Biber, der 45 Jahre in Salzburg wirkte, aber auch Zeitgenossen und Nachfolger. Dafür hat Ghielmi die Archive durchstöbert und einige Preziosen gefunden: Johann Adam Karl Georg von Reutter ist zum Beispiel mit einem "Salve Regina" vertreten, es gibt eine Trio-Sonate von Matthias Siegmund Biechteler, eine Kirchesonate des Biber-Sohnes Carl Heinrich Biber und eine Messe von Giovanni Valentini.
    Musik: Giovanni Valentini, Missa pro sponso et sponsa
    "Natürlich ist Biber der beste Komponist, der bedeutendste, den wir im Programm haben, aber ich glaube, es ist in jedem Fall wichtig, in der Musik ein bisschen die Fährte nach so sogenannten 'Kleinmeistern' aufzunehmen. Danach versteht man besser, dass auch die großen und die sehr großen Komponisten, wie Mozart zum Beispiel, Teil einer Tradition waren und sich nicht auf einer Insel inmitten von Nichts befanden."
    Zu den Höhepunkten der kleinen Reihe Salzburg 20.16 im Rahmen der Festspiele gehörte auch die Wiederaufführung der Missa Salisburgensis von Heinrich Ignaz Franz Biber mit Chor und Orchester des Collegium 1704 unter der Leitung von Václav Luks im Salzburger Dom. Es war die erste Wiederaufführung des 53-stimmigen Werkes in seiner originalen Gestalt am Original-Schauplatz mit einer Aufteilung der zwei vokalen und vier instrumentalen Chöre sowie Solisten und Orgeln auf Podium und vier Emporen. Václav Luks:
    "Ich glaube, wir sind die ersten hier, die auch die Emporen mit den großen Orgeln genutzt haben. Dass wir das wirklich wie zu Zeiten von Biber gemacht haben auch mit den großen Orgeln, dass wir diese Pracht unterstützt haben mit diesen großen Instrumenten, da waren wir die ersten hier."
    Überwältigendes Klangereignis

    Bei der Uraufführung 1682 aus Anlass der opulenten Feiern zum 1100-jährigen Bestehen des Bischofssitzes Salzburg waren es wahrscheinlich so an die 100 Beteiligten, mit denen Biber die einzigartige Architektur des Salzburger Domes für mehrchöriges Musizieren effektvoll ausnutzte. Václav Luks hat nicht zuletzt aus Kostengründen auf die kleinstmögliche Besetzung zurückgegriffen und kam auch auf gut 80 Musiker. Das war schon rein logistisch kein leichtes Unterfangen und auch der große Nachhall stellte für alle Beteiligten eine Herausforderung dar, doch das Ergebnis war überwältigend.
    "Es existiert kein Ensemble, was genau diese Besetzung hat, das war auch damals nicht so, da hat man die Musiker extra engagiert für die Aufführung und dann haben wir auch unser Ensemble Collegium, 1704 einfach deutlich erweitert, weil wir im Prinzip ein Barockorchester sind mit Streicherkern, hier braucht man nicht so viele Bläser, hier sind vor allem Bläser gefragt, aber im Prinzip sind das alles auch Musiker, die ich kenne und mit denen ich gerne zusammen arbeite, das Gleiche gilt auch für die Sänger. Ja es ist eine sehr komplizierte Sache, aber eine sehr erfreuliche Sache auch, weil, fast alles Musikerfreunde, die man kennt, kommen auf einmal zusammen."
    Wenn auch die Musik dieser Salzburger Messe vielleicht nicht über die Maßen anspruchsvoll ist, so macht sie doch für uns heute diese barocke Mehrstimmigkeit, wie sie eine Generation vor Biber schon Monteverdi im Markusdom zu Gehör brachte, sinnlich erfahrbar. Für Václav Luks ist jedenfalls Bibers Messe so etwas wie Mahlers 8.Sinfonie für die Barockmusik:
    "Biber ist natürlich ein Komponist, dem diese Art diese Art der Musik sehr vertraut war, kam nach Salzburg aus Kremsier und in Kremsier bei dem Erzbischof hat er sehr viele Kollegen gehabt, also vor allem Trompeter, wie unser Pavel Josef Bewanowski, und in Kremsier wurde diese Musik sehr gepflegt, Trompeten, Trombonen, Zinken, das war sehr beliebt, und er hat das sehr gut gekannt und man kann sich vorstellen, dass er auch die Vorliebe für diese Musik nach Salzburg mitgenommen hat und natürlich kann man ohne weiteres sagen, dass Biber der wichtigste Komponist der Salzburger Musik ist vor Mozart."
    Musik: Heinrich Ignaz Franz Biber, Missa Salisburgensis