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Salzburg ohne Mozart

Was ist eigentlich, wenn Mozart nicht in Salzburg ist, verreist ist, sich keiner um ihn kümmert. Ist dann Salzburg leer? Nein, die andern die kleinen Nachtmusiker von heute, underdog-Don Giovannis, magielose Zauberflötenspieler Maler und Kunst-Jongleure kriegen ihre Bühne.

Von Susanne Lettenbauer | 31.01.2006
    Markus Lüpertz ist nicht der erste, aber derzeit der meistgehasste Künstler in Salzburg. Seit der 64jährige Deutsche im vergangenen Jahr seine vollbusige Mozartskulptur auf den Ursulinenplatz stellte, die vierte von zehn geplanten Kunstwerken im öffentlichen Raum, stehen die konservativen Salzburger unversöhnlich auf Kriegsfuss mit moderner Kunst. Das hat sich auch in 250 Jahren nicht geändert, soll es aber. Das vom Land Salzburg beauftragte Generalsekretariat Mozart 2006 geht in diesem Jahr auf Konfrontationskurs zu seiner Bevölkerung. Und da das Geld 2006 für die Mozartstadt besonders locker sitzt bei Bundes- wie Landesschatzmeistern, werden vom Generalsekretariat gleich zwei Festivals jenseits klassischer Musik initiiert. Als hochrangiger Kurator von kontra.com, dem neuen Festival für zeitgenössische Kunst im Mai, wurde Max Hollein, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt gewonnen. Nicht Mozart, sondern Salzburg als Lebensraum wird bei ihm Dreh- und Angelpunkt sein. Das Schlagwort heißt Provokation, sonst droht ja die Gefahr, gleichgültig belächelt zu werden. Dazu hat er ab dem 12. Mai Knud Asdam eingeladen, eine Videoinstallation für die Franziskanergasse zu kreieren. Dessen skandinavische Landsleute Michael Elmgreen und Ingar Dragset - erst kürzlich Wettberwerbssieger des Mahnmals für die zur NS-Zeit verfolgten Homosexuellen in Berlin - postieren die Raumskulptur "Kiosk" am Hanuschplatz. Was die italienische Künstlerin Paola Pivi mit einem Helikopter auf dem Mozartplatz veranstaltet, das möchte man im Generalsekretariat lieber erst kurz vorher bekannt geben, bedauert Susanne Tiefenbacher, die Sprecherin von kontra.com. Die genauen Details der Performances könnten so massive Proteste von Seiten der Bevölkerung hervorrufen, dass einige der Festivalprojekte abgesagt werden müssten. Da klingt die Ankündigung, dass Jonathan Meese den Tunnel in die Altstadt, das Siegmundstor innen verkleiden wird mit seiner Art von künstlerischer Auseinandersetzung, nahezu provokant harmlos.

    Max Holleins Partner, Tomas Zierhofer-Kin, Intendant des Donaufestivals Krems, hat indes die musikalischen Kontrapunkte zum Jahresregenten Mozart zu setzen. Einen Umzug der besonderen Art: eine invertierte Parade, die nur für die Teilnehmer hörbar ist plant zum Beispiel der Wiener Oliver Hangl gemeinsam mit der bayerischen Gruppe "Funkstörung": funkkopfhörerbestückte Menschen ziehen quasi lautlos tanzend durch die Salzburger Innenstadt und liefern den Passanten ein vom Ton getrenntes, stummes Bild. Eine nicht eindeutig zuzuordnende Prozession, an der man hoffentlich nicht vorbeilaufen wird. Oder Mike Ladd, außerhalb Salzburgs bekannt als Spoken Word Künstler, HipHop-Star und Rap-Intellektueller hat sich mit dem indischen Komponisten Vijay Iyer und dem Konzept- und Performance-Künstler Ibrahim Quraishi zusammen getan, um über Salzburg eine transmediale Musiktheater-Performance mit "äußerst dunklem Humor" zu schreiben. Susanne Tiefenbacher:

    " Die musikalischen Beiträge im öffentlichen Raum da wird es ein Projekt geben von Franz Pomasel, die eine akustische Herausforderung an die Zuhörer sein wird, indem er eine sehr ungewöhnliche, sehr laute Beschallung in einem Frequenzbereich durchführt, die für die Leute kaum hörbar gewesen ist bis jetzt. Diese Installationen werden von den Kirchtürmen herunter passieren. "

    Den täglichen Überlebenskampf mit Mozart. Gewöhnt, werden die Salzburger Künstler dem üblichen komfortablen Behübschungsmix aus mozartesken Klangpunkten, Kühen und Opernlautsprecher im Off Mozart-Festival ihre Perspektiven entgegensetzen. Im Festspielmonat August wird der Projekt-Koordinator Charly Zechentner das Salzburg-Publikum ausschließlich mit Ur- und Erstaufführungen zeitgenössischer Kunst irritieren: Das "ensemble 3 musik & theater salzburg" z.B. überzeugte für sein Projekt "(tabu)zones" die Komponistin Olga Neuwirth und den Schriftsteller Franzobel, zwei sehr experimentierfreudige Künstler der jungen Generation.

    Ein Experiment mit Sprache und Musik, verspricht das Programm - "ein Spiel mit und um Tabugrenzen, sehr unterhaltsam, sehr doppelbödig":

    " Ich denke, wir nehmen einfach den widerständigen Geist Mozarts auf und werfen ihn heute zurück in die Stadt und das Land Salzburg. Das ist so der Anspruch von OFF Mozart. Es werden 16 Erst- und Uraufführungen sein. Insofern auch eine Chance für die Salzburger Künstler und Künstlerinnen mit jeweils auch internationalen Partnern zusammenzuarbeiten, weil das Geld zum ersten Mal da ist, das sonst nie da wäre. Das ist es was wohl am ehesten im Geiste Mozarts auch passiert, dass Künstler und Künstlerinnen jetzt gefördert werden. Viel mehr als er damals im erzbischöflichen Salzburg. "