Donnerstag, 25. April 2024

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Salzburger Festspiele
Anna Netrebko glänzte als Aida

Bei den Salzburger Festspielen hat die russische Sopranistin Anna Netrebko ihr Debüt als Aida gegeben. Sie verlieh der Titelpartie großen Glanz in einer szenisch eher schwachen Verdi-Deutung. Salzburg lässt zudem auch unbekannte aber lohnenswerte Klang-Kontinente aufscheinen.

Christoph Schmitz im Gespräch mit Jochen Hubmacher | 07.08.2017
    Anna Netrebko als Aida bei den Salzburger Festspielen 2017.
    Anna Netrebko als Aida bei den Salzburger Festspielen 2017. (Salzburger Festspiele / Monika Rittershaus)
    Bei den Salzburger Festspielen hatte es in diesem Jahr fulminant begonnen mit Mozarts "La Clemenza di Tito", einem Monteverdi-Opernzyklus und Schostakowtischs "Lady Macbeth von Mzensk". Ein weiterer Höhepunkt folgte mit Anna Netrebko als Titelheldin in Verdis "Aida", mit Ricardo Muti am Pult der Wiener Philharmoniker und mit der iranischen Künstlerin Shirin Neshat als Regisseurin.
    Anna Netrebko in Verdis "Aida"
    Muti ging es kultiviert und elegant zugleich an, dreht gegen Schluss auf, was einen etwas unausgewogenen Eindruck hinterließ. Von beängstigender Düsternis der Mezzo von Ekaterina Semenschuk als Aidas Rivalin Amneris. Und Global-Diva Netrebko – wieder ein Wunder! Ausgereift ist ihr Sopran, bronze-leuchtend, in vielen Frequenzen schimmernd. Jeder Ton sitzt, jede Melodielinie ist voller Spannung. Ordentlich bis gut ihre Solistenkollegen und ein souveräner Chor. Regisseurin Shirin Neshat dagegen ließ vieles vermissen. Von ihren reizvollen Ikonen zur Rolle der Frau im politischen Islam ging in ihre Inszenierung nicht viel ein. Keine der zahlreichen Themen in Verdis Werk griff sie auf, um sie weiterzudenken, nichts zu Orientalismus und Kolonialismus, kein Gegenwartsbezug. Auch die Dissonanzen beim Siegesmarsch vermochten die Künstlerin nicht zu eigenen Bildwelten inspirieren, als hätte sie die Musik gar nicht verstanden.
    Statische Bühne
    Auf der Bühne sieht man zwei Kuben mit jeweils einer offenen Seite aus weißgetünchten Ziegelsteinen. Die beweglichen Elemente verbinden sich mal zu einem stilisierten Palast, zum Tempel oder Kerker. So statisch die Bühne, so statisch die Bewegung der Priestergruppen, Soldaten und Solosänger in historisierendem Schöngewand. Die Videoprojektionen mit Menschengruppen führen nicht weiter, ein sinnloses Ochsenschädel-Ballett bleibt reine Dekoration. Langeweile breitet sich aus. Die Szene implodiert förmlich. Aus dem erwarteten Opern-Highlight wurde viel weniger, als man hätte erwarten können.
    Themenreihen "Zeit mit Schostakowitsch" und "Zeit mit Grisey"
    Zwei musikalische Schwerpunkte dagegen eröffneten in den ersten beiden Wochen der Festspiele hoch interessante musikalische Welten mit den Themenreihen "Zeit mit Schostakowitsch" und "Zeit mit Grisey". Nach Mariss Jansons hochenergetischer "Lady Macbeth von Mzensk" von Dmitri Schostakowitsch dirigierte Andris Nelsons dessen 7. Symphonie, die "Leningrader". Faszinierend wie unter ihm die Wiener Philharmoniker etwa im ersten Satz die Entwicklung eines heiter-harmlosen Trommelmarsches über Minuten hinweg zu Kriegsgedröhn entwickeln. Umwerfend der reiche Klang der Streicher bis ins feinste Pianissimo im 3. Satz, voller Schönheit und Weite. Den kargen Schostakowitsch ließen der Geiger Christian Tetzlaff und sein Pianist Leif Ove Andsnes mit Schostakowitschs Violinsonate von 1968 erklingen. "Zeit mit Schostakowitsch" zeigt das Werk eines hochmusikantischen, expressiven Musikers, der im Gulag aufspielen muss. Ein Tanz mit gefesselten Füßen.
    Überraschende Entdeckungsreise ins impressionistische Universum
    Lichter, heller, flirrender die Klänge des französischen Spektralisten Gérard Grisey. Der Reihe "Zeit mit Grisey" ist eine überraschende Entdeckungsreise ins impressionistische Universum eines viel zu wenig beachteten Komponisten, der bereits 1998 mit nur 52 Jahren verstorben ist. Von irisierender Schönheit, voller Fremdheit und Zauber ist diese Musik, die fast mystische Qualitäten aufschließt wie in den "Chants de l’Amour" für 12 gemischte Stimmen und Tonband, faszinierend gesungen von den Solist XXI unter Rachid Safir aus Paris, oder "Le Temps et l’écume" für vier Schlagzeuger und Kammerorchester, interpretiert vom fabelhaften Klangforum Wien unter Peter Rundel.
    Die Salzburger Festspiele versprechen unter dem neuen Intendanten Markus Hinterhäuser auch mit Konzerten von Ausnahmemusikern wie Daniil Trifonov und Evgeny Kissin eine hochinteressante Entwicklung zu nehmen.