Dienstag, 19. März 2024

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Salzburger Festspiele
"Don Juan kommt aus dem Krieg"

Von Hartmut Krug | 18.08.2014
    Neun Frauen ganz in Schwarz stehen in langer Reihe an der Rampe und nehmen den weißen Vorhang vor der riesigen Bühne auf der Perner-Insel in Hallein in ihre Hände. Während sie singen, arrangieren sie sich mit ihm im Trommelrhythmus eines Soldaten mit Gasmaske zu immer neuen Bewegungsarrangements:
    "Aus der Welt die Freiheit verschwunden ist,
    die Falschheit herrscht bei dem feigen Menschengeschlecht.
    Wer dem Tod in das Angesicht schauen kann,
    Der Soldat allein ist der freie Mann."
    Dann verteilen sie sich auf der Bühne, klettern auf viele Holzleitern und bedienen sich aus einem Himmel voller Zettel. Was sie von diesen Soldatenbriefen vorlesen, vereint sich zu einem unverständlichen Chor der Wörter. Dabei rennt der Soldat, jetzt mit Gewehr und hinter sich eine kleine Gaswolke herziehend, um die Spielfläche. Bei Kriegslärm wirft er sich zu Boden, bis er, seines Kriegsgeräts entledigt, zwischen einige der neun weißgeschminkten Darstellerinnen tritt, die alle 35 Frauen des Stücks als reine Kunstfiguren spielen.
    Nun erst beginnt die erste Szene von Horváth, in der er Soubretten eines Fronttheaters trifft. Max Simonischeck als ein müder und eher antriebsloser Don Juan, über offenem Hemd die Hosenträger zu Uniformhose und Stiefeln, bewegt sich, oder besser, steht sich als Don Juan durch die 110 bunten Minuten von Andreas Kriegenburgs Inszenierung, die bestimmt ist von effektvollen Beeindruckungsbildern, unter denen nicht nur die Sprache und Stille von Horvaths Stück, sondern auch deren Hauptfigur völlig begraben werden.
    Selten gespieltes Stück
    Dabei hat Simonischecks Don Juan gegen Kriegenburgs weißgeschminkte Frauenschar von Kunstfiguren keine Chance. Auch nicht gegen den kunsthandwerklichen Einfallsreichtum seines Regisseurs, der seinen entwicklungslosen Don Juan wie einen Traumwandler vor den Frauen stehen lässt, die sich ihm unter musikalischer Grundierung mit vollem gestisch-mimischen Körpereinsatz an den Hals werfen. Wenn er endlich einmal reagiert, weil ihn eine Frau mit ihrer Liebe allzu sehr bedrängt, dann fängt Simonischeck gleich so heftig wie hilflos an zu brüllen.
    "Kann ich dafür, dass sie mir nicht gefällt, soll ich mich zwingen?
    Jetzt hab´ich Angst."
    Horvaths 1936 entstandenes Stück wird selten gespielt. Zuletzt bekam es im vergangenen Winter auch Luc Bondy mit Samuel Finzi in der Titelrolle am Berliner Ensemble nicht recht in den Griff. Doch wo Bondy versuchte, Menschen in Entwicklung zu entdecken unter Horváths in dessen Vorspruch zum Stück umfänglich erklärten Theaterfiguren, da macht Kriegenburg nur Theater. Da wird getanzt, gezappelt und überdreht kabarettistisch ausgestellt. Bei Horváth stehen "Weiber... Schlange vor einem leeren Lebensmittelgeschäft", bei Kriegenburg ist es eine bewegte Reihe schwarzer Hühner. Die junge Tochter seiner Vermieterin, die Tänzerin werden will, tanzt unentwegt mit gerafften Röcken und zeigt ihre Beine, und auch die ältere, politisch engagierte, ist ein Klischee. Sie trägt eine Brille, marschiert auf der Stelle und bekommt ein Arbeiterlied eingespielt und eine rote Fahne geschwenkt. Während die Szene in der Opernloge bei Mozarts Don Juan zu einer Playback-Parodie mit Witzfiguren überdreht wird.
    Was im Einzelfall unterhaltsam sein könnte, verdrängt leider insgesamt jeden deutlichen Versuch einer Antwort auf die Frage, was der Kriegsheimkehrer wirklich versucht, um wieder irgendwo anzukommen Die zappelnde Expressivität im Spiel der weißgeschminkten Frauen und die ausgestellte Fülle von oft inhaltlich überflüssigen kabarettistischen Effekten ermüden. Selbst wenn sich Don Juan am Grab der von ihm einst verlassenen und als Idealbild wieder gesuchten Frau im Schnee niederlässt, nutzt das der Regisseur zu einem großen Effekt: Die Darstellerinnen wuchten Eisblöcke auf die Bühne und zerhacken sie rund um den ausgezogen zusammengekrümmten Mann. Von dem wir nicht viel erfahren haben.