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Sammler amouröser Liebschaften und Verfechter des Konservatismus

Friedrich Gentz galt nach der Französischen Revolution und dem Aufstieg und Niedergang Napoleons als reaktionärer Büttel Metternichs. Der Publizist Harro Zimmermann beschreibt ihn hingegen als einen vielschichtigen Charakter, der schon damals mit einer komplexen politischen Praxis umgehen musste.

Von Wilfried F. Schoeller | 17.02.2013
    Von allen seinen Schriften hat der Historiker Golo Mann seine 1947 erschienene Monografie über den politischen Publizisten und Diplomaten Friedrich Gentz am meisten gemocht – vielleicht weil sie, sein Erstling, seinen Ruhm begründete. Vielleicht auch konnte und wollte sich der Emigrant mit seinen intellektuellen Prüfungen und Zweifeln, das Geflecht der Politik anhand einer durch und durch fremd wirkenden Figur sondieren. Es gehört zu den großen geistigen Herausforderungen, sich mit einem ausführlichen, vor Materialfülle strotzenden Buch über Friedrich Gentz in die Nachbarschaft Golo Manns zu begeben. Manche, wie der Historiker Helmut Diwald, haben das in Bezug auf Wallenstein versucht – und das ist ihnen nicht gut bekommen.

    Der Bremer Germanist und Rundfunkredakteur Harro Zimmermann, der zuletzt eine Monografie über den Frühromantiker Friedrich Schlegel veröffentlicht und zahlreiche Aufsätze zur deutschen Geistesgeschichte seit der Aufklärung vorgelegt hat, kann diese Nähe eines Vergleichs gut bestehen. Er hat Material zur Verfügung, das Golo Mann noch nicht kennen konnte und das erlaubt ihm einen ungemein genauen Blick auf die strahlende Selbstinszenierung wie auf die Dialektiken eines Mannes, über den das negative Urteil festzustehen scheint.

    Friedrich Gentz gilt als skrupelloser Fürstenknecht im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts, als Verräter an Geist und Moral der Aufklärung, als unerbittlicher Scharfmacher gegen die Demokraten.

    Harro Zimmermann rückt ihn schon auf der ersten Seite ein wenig in ein anderes Licht: als brillanten Kopf, als einen der berühmtesten Gegner der Französischen Revolution und Napoleons, als europäischen Kabinettssekretär, als den Denker, der dem Spätabsolutismus einen öffentlich präsentable Moralkodex eingeschrieben hat. Das ist das Leitmotiv des Buches:

    "Gegen den Anspruch der bürgerlichen Gesellschaft, der Staat sei ein Erziehungsinstitut, setzt Gentz die Emanzipation des Rechtsinstituts Staat vom Gemeinwesen aller Privatleute. Mag die Vernunftkultur an ihre Idee der Progression des Menschengeschlechts glauben, im Vertrauen auf fürstliche Sanftmut und Weisheit, Gentz konfrontiert sie mit dem Projekt einer normgeleiteten Machtpolitik."

    Anstelle der Selbstentfaltung des Individuums setzt Gentz die Prinzipien von Rechtssicherheit und politischer Stabilität. Zimmermann entdeckt ihn als Wegbereiter der Realpolitik, womit er ihn in gegenwärtige Bezüge holt.

    Aber es geht dem Bremer Forscher nicht um die Aktualisierung einer weitab liegenden historischen Figur. Er beschreibt ein Multitalent, vor allem anderen einen glänzenden Stilisten und eine gewinnende öffentliche Figur. Friedrich Gentz, 1754 in Breslau geboren, stammte aus einer wohlrenommierten preußischen Beamtenfamilie, hatte eine bildungsbürgerliche Karriere in der preußischen Verwaltung sicher. Angesehene Gymnasien in Breslau und Berlin, ein nicht abgeschlossenes Jurastudium in Königsberg, dort unter dem Einfluss' Kants, brachte er es in preußischen Diensten bis 1793 zum "Kriegsrat". Aber damit war er keineswegs ausgefüllt. Früh spitzte er seine glänzende Feder gegen den allgemeinen Gültigkeitsanspruch der Aufklärung, betrieb eine Karriere als philosophisch-politischer Schriftsteller, weckte die Bewunderung Wilhelm von Humboldts wegen seiner zupackenden Formulierungen, erwies sich als ein intellektueller Star und als großes Unterhaltungstalent in den Magnetfeldern der Berliner Salons etwa von Henriette Herz und Rahel Varnhagen. Harro Zimmermann:

    "Geselligkeit ist ein soziales Kunstgebilde, das Lebendigkeit und Freude des Austausches, einen Konsens der Vielfältigkeit, vor allem Entlastung von der Enge und den Fährnissen des Alltags verspricht."

    Gentz betrieb seltsam weit entfernt von seinen eigenen bürgerlichen Ansprüchen ein Dasein als Bohemeien, sammelte Amouren wie andere Leute Taler, jonglierte elegant mit Schulden, Glücksspielen, Dotationen, Honoraren und Gläubigern. Eine Ehe scheiterte deswegen hochgradig, ohne dass ihn dieses selbstverschuldete Unglück merklich beeindruckt hätte.

    Man könnte es bei dem Ausmalen farbiger historischer Prospekte bewenden lassen und Friedrich Gentz, der Auftrittskünstler, Meisterformulierer und intellektuelle Provokateur, gäbe genügend Ansichten dafür her. Doch Harro Zimmermann, mit ebenso gründlichen wie grundsätzlichen Büchern über das Zeitalter der Aufklärung und der Romantik als Kenner der Epoche sehr ausgewiesen, will mehr als einen Figurenfächer ausbreiten. Er entwirft an Gentz ein Ideen- und Politikbild des machtpragmatischen Staates, der, statt Verbesserungs- und Erziehungsidealen für das Staatsvolk nachzugehen, sich als Garant des Rechts durchsetzt und dafür keine Volkssouveränität benötigt.
    Die Wirkung dieses Publizisten bestand darin, dass sich sein Scharfsinn von den Denkmustern der Aufklärung ableitete, die er jedoch inhaltlich verwarf. Wie wohl alle seiner Zeitgenossen war er von den Geschehnissen der Französischen Revolution beeindruckt. Als der anglophile Gentz 1791 die revolutionskritische Schrift des englischen Staatsphilosophen Edmund Burke zu lesen bekam, neu übersetzte und kommentierte, wandte er sich scharf gegen die utopischen Erwartungen, die in Frankreich gesetzt waren, auch gegen die allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1789. In Burkes Betrachtungen über die Französische Revolution erkannte er die Botenstoffe eines gemäßigten Ordodenkers.

    "Friedrich Gentz hat in dem Burkeschen Werk nicht die Signatur eines reaktionären Programmentwurfs wahrgenommen, sondern die subtile, oft auch furiose Zeitanalyse eines pragmatischen Denkers, dem eine wohlgeordnete rechtsstaatliche Bürgergesellschaft vor Augen steht. Zum eingefleischten Aristokraten will auch Gentz nicht werden."

    Zimmermann wirft genau prüfende Blicke auf die Schriften des rechtsintellektuellen Gentz. Er befreit sie vom Archivstaub der Geschichte. Und er entdeckt einen Publizisten, der für die gegenwärtigen Auf- und Umbrüche, Krisen und Politiken in Europa viel Anregendes vorzutragen hat. Es geht vor allem um die Zeit zwischen 1792 und 1815, zwischen der Französischen Revolution und dem Fall Napoleons, aber genauso um europäische Konstanten über die Zeitsprünge hinweg.

    Als preußischem Beamten wurde es Gentz zu eng, sein Amt versah er anscheinend nur mit mäßigem Einsatz, wurde deswegen ermahnt, verzichtete auf die erwartbare mittlere Karriere. Überdies war er in preußischen Diensten wegen seiner antifranzösischen Haltung bald auch nicht mehr recht tragbar, denn Preußen suchte zu diesem Zeitpunkt eine Koexistenz mit Frankreich.

    1802 verließ Gentz Berlin, hielt sich einige Zeit in Dresden auf, wo er erstmals dem österreichischen Gesandten Metternich begegnete. In Weimar hat er Goethe, Schiller und den Herzog kennengelernt, vertiefte sich in eine Amoure mit der Hofdame Amalie von Imhoff, um kurze Zeit später mit einer Berliner Schauspielerin ein leidenschaftliches Verhältnis einzugehen. Im Juni 1802 suchte er in Wien nach beruflichen Kontakten und machte sich beim österreichischen Außenminister bekannt. Er wurde engagiert: Der Intellektuelle konnte etwas zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung beitragen. Darin steckt ein modernistischer massenmedialer Zug. Der österreichische Kanzler schrieb an seinen Kabinettsminister:

    "Gentz ist ohne Widerrede die beste Feder Deutschlands. Wenn er inmitten von Berlin antirevolutionär und antipreußisch sein konnte, wie wird er nicht erst sein, wenn wir ihn besolden."

    Der politische Schriftsteller als Stichwortgeber und Animateur der öffentlichen Stimmung. So wurde er angestellt, wenn auch als Berliner Protestant vom Kaiser mit Misstrauen beäugt. Gentz reiste kurz danach zu einem längeren Aufenthalt nach England, wo er sogar vom König empfangen wurde. Der Napoleon-Gegner konnte seine Verbindungen dort vertiefen und sein diplomatisches Feld erweitern. Im Februar 1803 war er wieder in Wien, aber man hatte zunächst keine politische Verwendung für ihn. Der Stern Napoleons war aufgegangen. Und für einen erklärten Widersacher wie Gentz fand sich deshalb in Österreich keine offene politische Tätigkeit. Erst der Krieg mit Napoleon änderte einiges an diesem Sachverhalt. Gentz wurde als Meinungsführer gehört, als deutscher Patriot, als leidenschaftlicher Verfechter deutscher Einheit, vollends, als 1805 der Krieg zwischen Frankreich auf der einen Seite, England, Russland und Österreich auf der anderen begann. Die vernichtende Niederlage, die Napoleon den verbündeten Truppen von Österreich und Russland in der Schlacht von Austerlitz Ende 1805 bescherte, und der Einmarsch französischer Truppen zwangen Gentz zu überstürzter Abreise aus Wien.

    Doch lieferte er weiterhin publizistische Orientierung, vor allem mit seinem Buch "Fragmente aus der neuesten Geschichte des politischen Gleichgewichts in Europa" im Sommer 1906, einer kritischen Strategie, die sich der 'Balance of Power' im europäischen Großraum widmet.

    Er wusste, dass die Auseinandersetzung mit Napoleon auch auf publizistischem Feld zu führen war, dass es sich auch um einen Zeitungskrieg mit der neuartigen französischen Propaganda handelte. Gentz gewann sogar Ansehen beim preußischen Hof zurück. Aber Napoleon war nicht aufzuhalten, überrannte Preußen, zog Oktober 1806 in Berlin ein. Gentz, der dem Usurpator als verwerfliches Subjekt galt, musste nun bis nach Prag ausweichen, um vor Häschern sicher zu sein. Harro Zimmermann schreibt zu dieser mehrjährigen Episode:

    "Er ist auf der Flucht, unvermittelt hat das Schicksal den kaiserlichen Rat in einen Emigrierten verwandelt, zum ersten Mal in seinem Leben unterliegt er einer Art Vogelfreiheit. Kein Vorgesetzter hat ihm eigentlich erlaubt, die österreichischen Grenzen zu verlassen, diesem Leidenden an Europas und des Kaisers Misere, dem sein persönliches Dilemma zum Sinnzeichen wird für den objektiven Umbruch der Verhältnisse."

    Gentz notiert zu dieser Zeit:

    "Die Welt ist verloren: Europa brennt nun ab. Und aus der Asche erst wird eine neue Ordnung der Dinge entstehen. Oder vielmehr wird die alte Ordnung neue Reiche beglücken. Eine Veränderung in der Form aller europäischen Staaten ist unvermeidlich; sie wird, sie muss eintreten; und diesen totalen Umsturz werden wir erleben."

    1809 übernahm Metternich das österreichische Außenministerium. Er machte von seiner preußischen Edelfeder nur zögernd Gebrauch: Gentz passte damals nicht ganz in das diplomatische Ränkespiel Metternichs, sich mit Frankreich durch Anpassung gut zu stellen, doch auch Vorbereitungen für einen neuen Krieg zu treffen. Gentz wurde als Experte in fiskalischen Staatsnöten herangezogen, sein Rat war gefragt und wurde wiederum auch übergangen. Er nutzte die Zeit, um sich noch besser mit berühmten Kollegen intellektuell zu vernetzen.

    "mit Friedrich Schlegel ohnehin, bald auch wieder mit Adam Müller, mit den Humboldts, innerhalb kurzer Zeit lassen sich Franz von Baader, Madame de Stael, August Wilhelm Schlegel, Alexander von Humboldt und der junge Eichendorff in Wien sehen. Obwohl unter fremder Botmäßigkeit wird die kaiserliche Metropole, schillernd zwischen Aristokratenpracht und Modernitätseinbruch, immer mehr zur kulturellen Attraktion. Gentz legt es darauf an, gerade hier die Häupter der avanciertesten Intellektualität in Erscheinung treten zu lassen."

    Alles ändert sich mit der Erhebung gegen Napoleon. 1813, in der Völkerschlacht von Leipzig, der bis dato größten Schlacht der Geschichte, werden Napoleons Truppen vernichtend geschlagen. Aber mit dem Friedensschluss sah Gentz ein neues Gespenst heraufziehen: Eine Wiedererstarkung der alten Kräfte allein im nationalen Rahmen konnte ein Europa des Interessenausgleichs und des Gleichgewichts der Kräfte erneut verhindern. Harro Zimmermann:

    "Dass es eine Zukunftschance für ein geordnetes und friedliches Europa geben muss, ist die feste Überzeugung des Hofrats Friedrich Gentz, er wird dies manchmal vergessen, aber nie ganz aus den Augen verlieren."

    Auf dem Wiener Kongress 1814/15 schlägt an der Seite Metternichs seine große Stunde. Er avanciert bald zum "Sekretär Europas", er wird oberster Protokollführer der Verhandlungen. Er erweist sich in dieser Zeit als doppelter Spieler.

    Er will die europäische Einigung und Neuordnung, kritisiert aber die Ergebnisse, die er mit herbeigeführt hat, als unzureichend und nur rhetorisch. Er neigt zur Rolle des Erzösterreichers und enttäuscht dadurch seine preußischen Freunde. Zugleich wird er, der auch als Zensor tätig ist, von der Wiener Polizei überwacht. Zimmermann sieht in seinem Schwanken eine Absicht, die diversen Entwicklungen auszubalancieren.

    "Friedrich Gentz, der später so oft als Verräter an der preußisch-deutsch-nationalen Sache erscheinen wird, ist nach dem Wiener Kongress keineswegs ein willenloses Werkzeug der Metternichschen Restauration, sondern ein selbstbewusster politischer Denker, der die Revolution ebenso scharfsinnig verwirft wie jede Konterrevolution. Die sozialen und politischen Fortschritte im konstitutionellen Frankreich hat er sehr wohl bemerkt, die Verkrustungen und die bornierte Schwerfälligkeit des habsburgischen Kaisertums jedoch nicht weniger, er hätte in seinem Vaterland am liebsten eine moderne, aus Frankreichs jüngsten Erfahrungen entwickelte und den österreichischen Verhältnissen angepasste Staats- und Verwaltungsreform verwirklicht gesehen."

    Doch die Verhältnisse kamen ihm in dieser Hinsicht nicht entgegen. Nach außen hin galt er als Büttel Metternichs, als, wie Zimmermann schreibt, "Funktionär der kaiserlichen Realpolitik", doch wurde er von den feudalen österreichischen Kreisen mit Argwohn bedacht. Gefahr drohte vor allem von den Studenten mit ihren Forderungen nach deutscher Einheit und bürgerlichen Freiheitsrechten. Die Befreiungskriege gegen Napoleon hatten diesen revolutionären Schwung mit erzeugt. Es erschien als eine natürliche Folge des Kampfes gegen den Okkupanten Napoleon. Bei den Karlsbader Beschlüssen von 1819 siegte noch einmal die Reaktion: die Universitäten unter Kuratel, die Presse geknebelt, die Zensur in Omnipotenz, unbotmäßige Journalisten verfolgt, viele Existenzen deswegen zerstört. Die Angst der spätfeudalen Klasse erzeugte drakonische Maßnahmen gegen Demokraten und andere sogenannte "Demagogen".

    Die wichtigsten Formulierungen dieser Beschlüsse, durch die das Rad der Geschichte noch einmal zurückgedreht wurde, stammten wiederum von Friedrich Gentz. Er hat triumphiert und wird in der politischen wie in der diplomatischen Welt gefeiert. Aber auch bei diesem scheinbaren Höhepunkt seines strategischen Erfolgs zeigt Zimmermann einen Skeptiker. Die Karlsbader Konferenz habe Gentz schwer auf der Seele gelegen -

    "nur äußerst beschränkte Resultate erwartet er zunächst und will froh sein, wenn nicht ganz verkehrte Beschlüsse erfolgen. Illusionen über die Heilkraft, die angesichts schwerer sozialen Krankheiten von hier ausgehen könnten, dürfe man sich keinesfalls machen."

    Das besondere Verdienst dieser Darstellung Harro Zimmermanns besteht in der genauen Lektüre, die er betreibt: Auf diese Weise werden Ambivalenzen und Widersprüche dieser Gestalt besonders sichtbar, wo das Urteil über sie als ausschließlichen Reaktionär doch längst gesprochen scheint.

    Es gelingt Gentz allerdings kaum, größere Teile der deutschsprachigen Intelligenz auf seine Seite zu ziehen. Er konnte die Welt in ihrer Dynamik und in ihrer Sehnsucht nach demokratischer Reform, nach den Prinzipien der Aufklärung und der bürgerlichen Revolution nicht aufhalten. Von überall her brandete der Aufruhr an dieses österreichische Bollwerk des Feudalstaates heran. Und Gentz wusste darum, dass nur hinhaltender Widerstand, keinesfalls dauerhafte Verteidigung des Bestehenden, möglich war, zumal er immer wieder darüber spekuliert hatte, dass Wandel und Reform zum Erhalt nötig waren.

    Im Alter entfremdete er sich dem zunehmend starrsinnigen Metternich, blickte voller Skepsis auf die ideologischen Grundlagen seines politischen Handelns. Ein spätes Glück erlebte noch der Liebhaber Gentz. Es war quasi dessen Operettenfassung: der 65-Jährige verband sich mit der 19-jährigen Schauspielerin Fanny Elßler. Drei Jahre später, 1832, wenige Wochen nach Goethe, ist er gestorben.

    Harro Zimmermann ist ein Meisterstück der politischen Ideengeschichte und politischen Typologie gelungen. Er verzichtete auf die Verführung, sich vor allem den Intimitäten und Skandalen dieses Mannes zu widmen und entwirft stattdessen mit großer Umsicht, Zeichnungsschärfe und Akribie das Dilemma eines Konservativen, der von der Rationalität und den Strategien der von ihm bekämpften bürgerlichen Aufklärung infiziert war, der gegen den Wandel der Werte und gegen den Fluss der Zeit doch am Monarchismus festhielt, obwohl keine Kräfte ausgereicht hätten, ihn zu retten. Er geht den vielen Winkelzügen seiner rhetorischen Diplomatie nach und zeigt, wie komplex schon damals die politische Praxis ausgestattet sein musste, um ein europäisches Format ausfüllen zu können.

    Buchinfos:
    Harro Zimmermann: "Friedrich Gentz: Die Erfindung der Realpolitik", Paderborn: Ferdinand Schöningh , 2012, ISBN: 978-3-506-77132-2, Preis: 39,90 Euro
    Cover: "Friedrich Gentz. Die Erfindung der Realpolitik" von Harro Zimmermann
    Cover: "Friedrich Gentz. Die Erfindung der Realpolitik" von Harro Zimmermann (Ferdinand Schöningh Verlag)