Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Sanktionen
Russen stehen hinter Gegensanktionen des Kreml

Die EU will weitere Sanktionen beschließen. Viele Russen scheinen diese gelassen hinzunehmen und nehmen die Strafmaßnahmen eher dem Westen übel. Der Kreml reagiert mit Gegensanktionen - aber nicht mit einer Änderung der Ukraine-Politik.

Von Mareike Aden | 05.09.2014
    Mitten im Moskauer Zentrum, in der Bronnaja Straße, umgeben von angesagten Restaurants und Schönheitssalons hat ein neuer Supermarkt eröffnet. Ballons hängen noch am Eingang. SNG-Market heißt er. SNG - das ist die russische Abkürzung für GUS – die Gemeinschaft unabhängiger Staaten. Und nur aus diesen Ländern kommen die Lebensmittel: Wurst und Milch aus Weißrussland liegt in den dröhnenden Kühlregalen, es gibt Früchte aus den russischen Regionen und Armenien, georgische Limonade oder Backwaren aus Usbekistan. Direktor Dmitrij Putschkin hatte die Geschäftsidee vor Monaten und wollte eigentlich nur mit Sowjetnostalgie spielen, sagt er.
    "Als Russland die Sanktionen gegen EU-Lebensmittel verhängt hat, war uns klar, dass sich unsere Ware angesichts dieser politischen Entwicklung noch besser verkaufen würde. Denn die Menschen in unserem Land, die schauen viel Fernsehen. Und dort wird dauernd über Sanktionen geredet und das Importverbot als positiv dargestellt. Die meisten unterstützten deshalb die Kreml-Politik und wollen von sich aus keine West-Produkte mehr. Das spielt uns in die Hände."
    Ein paar hundert Meter weiter am Puschkin-Platz zeigt sich eine weitere russische Antwort auf die Sanktionen des Westens: Noch zu Sowjetzeiten wurde hier die erste MacDonalds-Filiale Russlands eröffnet. Jetzt ist sie wie Dutzende andere Filialen im Land erst einmal geschlossen, offiziell wegen sanitärer Mängel. Auf der großen Mac-Donalds Terrasse essen Menschen nun Hotdogs von einem kleinen Imbiss nebenan.
    "Natürlich hat das politische Gründe", sagt Grigori, ein Filmemacher. "Aber das ist richtig so. Russland kann all diese Angriffe nicht einfach so schlucken."
    "Jeder soll die Wahl haben, ob er zu MacDonalds will oder nicht", sagt seine Arbeitskollegin Lisa. "Und wegen des Importverbots werden nun unsere Lebensmittel teurer, obwohl sie schlechter sind als die aus dem Westen."
    Repräsentative Umfragen zeigen: Die meisten Russen unterstützen die Maßnahmen ihrer Führung - und befürworten weitere Importeinschränkungen. Etwa für den Import von Alkohol, Tabak, Medikamenten oder das Verbot von Überflugrechten. All das wird in Russland schon diskutiert als mögliche Antwort auf neue Sanktionen. Die Versuche des Kreml, eine Art Festungsmentalität aufzubauen sind bisher erfolgreich und fallen auf fruchtbaren Boden, sagt der Moskauer Außenpolitikexperte Fjodor Lukjanow, der die russische Regierung berät:
    "Russland ist ein großes Land mit großer Geschichte und es herrscht immer noch eine Art Großmachtpsychologie. Die Bevölkerung steht deshalb jeder Art von Druck von außen skeptisch gegenüber, egal, was der Grund dafür ist. Sogar ohne die Kreml-Medien würde die Mehrheit der Menschen sagen: Ihr könnt uns nicht zwingen und nicht bestrafen, wir werden nichts verändern. Die Russen sind nun mal eine stolze Nation."
    Die russische Politik, sagt Lukjanow, sei längst eingestellt auf neue Sanktionen und denke - abgesehen von einigen taktischen Veränderungen - gar nicht daran, die Ukraine-Politik zu ändern. Er vermutet, dass es vor allem den USA darum geht, mit den Sanktionen das System Putin langfristig zu schwächen.
    "In Bezug auf die Ukraine helfen die Sanktionen überhaupt nicht – im Gegenteil. Umso größer der Druck, desto härter wird die Kreml-Linie. Aber wenn man die allgemeine russische Wirtschaftslage schwächen will, dann sind Sanktionen erklärbar und der richtige Weg. Wenn die Sanktionen aber wirklich Russlands Ukraine-Politik verändern sollen, sind sie ein Fehler."
    Im Supermarkt mit den Produkten aus Russlands Nachbarländern hat der Direktor Beschwerden bekommen, weil er Pralinen vom Konzern Roshen verkauft, der noch dem ukrainischen Präsidenten Poroschenko gehört. Aber Direktor Dmitrij Putschin will sie unbedingt im Sortiment haben, denn seine Frau stammt aus Kiew. Vor allem deshalb hofft er darauf, dass Krieg und Sanktionsspirale irgendwann bald ein Ende haben. Aber so wirklich daran glauben, das kann auch er nicht.