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Sarajevo
Hochschule will Pausen für religiöse Riten einführen

An der Hochschule in Sarajevo, der Hauptstadt Bosniens, sollen die Vorlesungen für religiöse Riten unterbrochen werden. Das Studentenparlament hatte sich für diese Pause eingesetzt, damit die Muslime an der Uni am Freitagsgebet teilnehmen können. Doch in einer zu starken Verbindung von Religion und Bildung sehen viele auch eine Gefahr.

Von Stephan Oszváth | 20.01.2017
    Am Eingang des Rektorats der Hochschule von Sarajevo sitzen Studierende auf den Treppen oder verlassen das Gebäude.
    Für die Studierenden an der Hochschule von Sarajevo sollen für die Ausübung religiöser Riten Vorlesungen unterbrochen werden. (imago / Invision )
    Der Muezzin ruft zum Freitagsgebet in Sarajevo, der Hauptstadt Bosniens. Die muslimischen Gläubigen strömen zu den Moscheen. Nur: Das Gebet beißt sich mit dem akademischen Lehrplan. Deshalb – so argumentierte das Studentenparlament der Universität Sarajevo, sollte es in dieser Zeit anderthalb Stunden Unterrichtspause geben. Die Uni-Leitung schloss sich dem an, und gab eine Empfehlung an die Dekane der Fachbereiche heraus. Unirektor Rifat Skrijelj erzählt:
    "Die Initiative der Studenten, die an die Universität weitergeleitet wurde, hat uns verpflichtet, dazu Stellung zu nehmen. Daraus resultiert diese Empfehlung. Sie ist kein Gesetz, aber wir erwarten, dass sie beachtet wird. Wir haben auch angeboten zu vermitteln, falls trotz Empfehlung die Menschenrechte nicht respektiert werden, wie offenbar geschehen."
    Hat Religion etwas in der Universität zu suchen?
    Begründet wurde der Vorstoß nämlich mit den Menschenrechten und der freien Religionsausübung. Zu einem Interview waren die Studentenvertreter nicht bereit. Es sei alles gesagt, hieß es auf ARD-Anfrage. An der Universität gehen die Meinungen auseinander. Politik-Professor Nerzuk Curak schimpft:
    "Die Folgen können sein, dass in vier Jahren die Dogmatiker, die die Studentenorganisationen führen, einen Anspruch auf Gebetsräume in staatlichen Bildungsorganisationen stellen. Sie könnten in der öffentlichen Wahrnehmung erreichen, dass das normal ist, ein Menschenrecht. Es kann auch sein, dass sie in ein paar Jahren fordern, Darwin aus den Lehrsälen zu verbannen."
    Im Kern geht es um die Frage: Hat Religion etwas in der Universität zu suchen? Linke und liberale Parteien in Bosnien kritisierten den Vorstoß. Der Präsident der serbischen Teilrepublik, Dodik, meinte, Bosnien ähnele mehr und mehr einem islamischen Staat. Genau das hält Literaturprofessor Enver Kazaz für gefährlich. Alte Wunden könnten in dem Land aufbrechen, in dem in den 1990er-Jahren ein blutiger Bürgerkrieg ausgefochten wurde:
    "Es gibt kein besseres Argument für den serbischen und kroatischen Klero-Nationalismus, als diese Entscheidung der Universitätsleitung, dass während des Freitagsgebets die Vorlesungen ausfallen. Da sagen alle Feinde der Bosniaken gleich: An der Uni Sarajevo sind schon Ayatollah Khomeini und Erdogan."
    "Wir sollten Religion und Bildung trennen"
    Etwa 28.000 Studenten machen an der Universität Sarajevo ihre Ausbildung. Keineswegs nur Muslime, sondern auch katholische Kroaten und orthodoxe Serben. Die Universität ist multiethnisch ausgelegt. Und die Empfehlung der Uni-Leitung schloss ausdrücklich auch orthodoxe und katholische Gottesdienste mit ein. Und die Studenten? Was sagen sie?
    "Wenn Katholiken sonntags die Messe besuchen können, warum sollen Muslime nicht 20 Minuten Pause während des Freitagsgebets haben", fragt diese Studentin. Anders sehen das diese beiden Studenten:
    "Kein gutes Beispiel für eine säkulare Gesellschaft, das Argument des einen."
    "Wir sollten Religion und Staat, bzw. Bildung trennen."
    Der Islam wird in Bosnien nicht besonders streng ausgelegt. Allerdings gibt es einige Salafistendörfer in den Bergen, aus Bosnien zogen auch etwa 200 Dschihadisten in den Kampf nach Syrien und den Irak. Eine kleine Minderheit radikalisiert sich. In Zwei Einkaufszentren in Sarajevo, die von arabischen Investoren gebaut wurden, gilt ein Alkoholverbot. Ein solches hatten die Behörden auch kürzlich anlässlich eines Konzerts verhängt.