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Satire und die Folgen
Maas treibt Aus für "Majestätsbeleidigung" voran

Und wieder muss sich die Staatsanwaltschaft in Mainz mit Anzeigen wegen einer ZDF-Satire auseinandersetzen: Diesmal gegen die "heute show", diesmal aus Österreich. Im Fall Böhmermann und Paragraf 103 indes macht der Bundesjustizminister Druck.

28.04.2016
    Das Reiterstandbild von Kaiser Franz I. in Franzensbad in Tschechien
    Vor dem Aus: Paragraf 103 des Strafgesetzbuches, der sogenannte Majestätsbeleidigungs-Paragraf (picture alliance/dpa/Beate Schleep)
    Dass Heiko Maas und seine SPD nicht einverstanden mit der Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Affäre um die sogenannte Schmähkritik von Böhmermann waren - daran ließen alle Beteiligten keine Zweifel: Die Genossen waren dagegen, die Klage der Türkei auf Grundlage des "Majestätsbeleidigungs-Paragrafen" gegen den ZDF-Moderator zuzulassen. Merkel war dafür - und setzte sich am Ende durch. Kündigte aber gleichzeitig an, den umstrittenen Paragrafen des Strafgesetzbuches abzuschaffen. Allerdings erst 2018. Zu spät - findet die SPD, und kündigte an, das Verfahren zu beschleunigen.
    Knapp zwei Wochen nach der Erklärung Merkels hat Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) also nun einen Entwurf vorgelegt. In dem heißt es, ein über die normalen Beleidigungs-Tatbestände hinausgehender Ehrenschutz für Repräsentanten ausländischer Staaten erscheine "nicht mehr zeitgemäß". Wenn ausländische Staatsoberhäupter eine Strafverfolgung wegen Beleidigung wollen, soll dafür außerdem keine gesonderte Ermächtigung der Bundesregierung mehr nötig sein.
    Und wann tritt das Gesetz in Kraft?
    In dem Entwurf ist ausdrücklich offen gelassen, wann das geplante Gesetz in Kraft treten soll. Aus der Union waren Mahnungen laut geworden, dies nicht zu überstürzen. Bundespräsident Joachim Gauck hatte im Deutschlandfunk die Pläne der Bundesregierung als ein "bisschen kurzatmig" bezeichnet. Aus Respekt vor Gauck sollte man dessen Einwände ernst nehmen, hatte auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann daraufhin erklärt.
    Böhmermann hatte Ende März in der satirischen ZDF-Show "Neo Magazin Royale" ein Gedicht vorgetragen, in dem er Erdogan mit drastischen Worten angriff. Unabhängig von Ermittlungen nach Paragraf 103 bearbeitet die zuständige Staatsanwaltschaft Mainz einen Strafantrag Erdogans wegen Beleidigung, den er als Privatmann einreichte - und nun auch zwei Anzeigen gegen die "heute show", ebenfalls ZDF.
    Aufregung um Schnitzel in Hakenkreuzform
    Auslöser der Anzeigen sei ein Facebook-Post zur Wahl des Bundespräsidenten in Österreich, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Gezeigt wurde ein Bild mit einem Schnitzel in Hakenkreuzform und dazu der Text: "Österreicher wählen eben so, wie sie es vom Schnitzel kennen, möglichst flach und braun."
    Die Anzeigenerstatter kämen eigenen Angaben zufolge von Privatpersonen aus Österreich und Deutschland, erklärte die Staatsanwaltschaft weiter. Der "Tiroler Tageszeitung" zufolge erwog auch die rechtspopulistische FPÖ eine Klage; davon habe die Partei allerdings abgesehen, weil der Bundespräsidentschaftskandidat der FPÖ, Norbert Hofer, nicht persönlich beleidigt worden sei. Hofer hatte am vergangenen Sonntag die erste Runde der österreichischen Bundespräsidentenwahl gewonnen.
    Was in Sachen Satire an Strafverfolgung in Europa möglich ist, zeigte derweil dieses Urteil in der Türkei: Zwei Journalisten der Zeitung "Cumhuriyet" wurden dort zu zweijährigen Haftstrafen wegen Gotteslästerung verurteilt. Sie hatten eine Karikatur des französischen Satiremagazins "Charlie Hebdo" nachgedruckt.
    (bor/tzi)