Dienstag, 16. April 2024

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Satirezeitschrift "Titanic"
Das Humor-Kalifat verteilt weiter seine Fatwas

Die erste Ausgabe des Satiremagazins "Titanic" nach den Attentaten auf die Redaktion der französischen Zeitschrift "Charlie Hebdo" zeigt: Die Macher bleiben sich treu. Es herrscht weiter aufmüpfige Albernheit. Nichts wird verschont: Weder der Islam noch diejenigen, die jetzt plötzlich Satire ganz toll finden.

Von Arno Orzessek | 30.01.2015
    Logo der Satirezeitschrift Titanic
    Die Radaktion der Satirezeitschrift "Titanic" hat die "Bild"-Zeitung in die Irre geführt. (picture alliance / dpa / Robert Fishman)
    Auf den ersten Blick - Ernüchterung.
    Das Titelbild wirkt schlappschwänzig: Ein Pariser Gewimmel mit berühmten Comic- und Folklore-Figuren, dazwischen Angie, Sarko, Hollande, die Mona Lisa, solche Leute - alle als winzige Strichzeichnungen.
    "Wo ist Mohammed?" fragt die "Titanic" darunter in roter Schrift (...) Und wo ist Euer ruchloser Witz, Ihr Titaniker? lautet unsere Gegenfrage.
    Nun, ab Seite drei sind die bösen Jungs in Form. Da strebt ein Mann in Djellaba und Turban zur Synagoge. "Aus Scham über Attentate: Mohammed konvertiert zum Judentum!" titelt "Titanic" und lässt den gefakten Propheten denken: "Die [Juden] haben wenigstens Humor."
    Das ist salzsaure Satire, geistvoll dahingejuxt. Mag die biedere Titelseite den Provokationsgrad an den Kiosken senken - im Inneren des Heftes, fast einer Islamismus-Sondernummer, herrscht aufmüpfige Albernheit.
    Allein die große "Titanic-Terroristen-Umschulung" nach dem Motto: "Nun lacht doch mal, ihr Stimmungskiller!" Lektionen werden unter anderem in Loriot, Häschenwitz, Schadenfreude und Selbstironie erteilt.
    Eine Seite weiter schon eine erste Erfolgsmeldung: "So geht es doch auch. Islamisten zeichnen zurück!" Das Magazin "Der Dschihadist" in den Händen eines Bärtigen zeigt Christus in Rainer-Calmund-Proportionen. Überschrift: "Jesus war adipös."
    Und passend zum Karneval: Jecken rufen "Kölle", Salafistenführer Pierre Vogel ruft: "Allah."
    Kölle Allah (...) Das ist die Tonart dieses Heftes, der sich auch die hochseriöse Studie über die "sexuellen Phantasien der Islamisten" anpasst: "Unterm Tschador wird gejodelt".
    So etwas befriedigt beide: Die "Titanic"-Fans, die sich über Dschihadisten lustig machen wollen, und die Dschihadisten, die sich in Märtyrer-Laune bringen wollen - oder wenigstens auf 180.
    Gar nicht lustig findet die "Titanic" indessen, dass nach dem Attentat auf "Charlie Hebdo" plötzlich die halbe Welt Satire ganz toll fand. Solchen Trittbrett-Fahrern werfen die Titaniker in bierernsten Bleiwüsten "homologe Arschlochgesinnung" vor und "Bild"-Chef Kai Diekmann sehr präzise "Schleimkotau". Von wegen "Je suis Charlie".
    Die Titaniker haben natürlich ihren Herbert Marcuse intus. "Repressive Toleranz" gilt ihnen als das Schlimmste, getoppt allein vom Allerschlimmsten, dem verhassten Wohlfühl-Linksliberalismus à la "Süddeutsche Zeitung".
    Auch im neuen Magazin zeigt das autoritäre Humor-Kalifat sein altes Gesicht: Nur die "Titanic" weiß, was wirklich witzig ist, und sei's verschwitztester Pennäler-Humor... Und nur die "Titanic" weiß, was politisch endgültig korrekt ist. Nämlich eine ältlich-orthodoxe linksradikalistische Haltung.
    Wie immer, verteilt das Humor-Kalifat in den "Briefen an die Leser" seine Fatwas - im Zweifel gegen alle. Denn "Titanic" verachtet Beifall von der falschen Seite - und steht auf der richtigen im Zweifel gern allein.
    Aber klar: Nur so kann Satire in jeder Wunde Salz sein.
    Soll man das Heft kaufen? Absolut! Sonst würde die "Titanic" ja gar nicht vom "Charlie Hebdo"-Attentat profitieren, was sie natürlich verdient.
    Außerdem, liebe Hörer: Jedes Heft, das Sie erwerben, ist für ausgetickte Dschihadisten als Motivationshandbuch verloren.