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Saudi-Arabien unterstützt Jemen
"Völkerrechtsgemäß nicht machbar"

Um zu verhindern, dass die Dschihadisten vollständig die Macht übernehmen, hilft Saudi-Arabien dem Jemen im Kampf gegen die Huthi-Rebellen. Damit wachse die "Gefahr des Flächenbrandes" ganz beträchtlich, kritisierte der Friedens- und Konfliktforscher Jochen Hippler im Deutschlandfunk.

Jochen Hippler im Gespräch mit Jasper Barenberg | 27.03.2015
    Der Friedensforscher Jochen Hippler vom Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg
    Jochen Hippler: "In gewissem Sinne werden jetzt die saudischen und die anderen Truppen nur eine zusätzliche Miliz in einer Situation, die eh schon sehr unübersichtlich ist." (dpa / Alina Novopashina)
    Jasper Barenberg: 100 Flugzeuge und 150.000 Soldaten hat Saudi-Arabien für den Kampf gegen die Huthi-Rebellen im Jemen abgestellt. Das Land steht an der Spitze einer Allianz aus mehr als zehn, überwiegend arabischen Staaten. Dazu gehören die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait, Katar, aber auch Jordanien, Marokko und Ägypten. Das Ziel, zu verhindern, dass die Dschihadisten vollständig die Macht übernehmen. Die Hauptstadt und weite Teile des Landes kontrollieren sie ja bereits. Präsident Hadi ist aus der Hafenstadt Aden im Süden nach Riad geflohen, während den zweiten Tag in Folge saudische Kampfjets Stellungen der Huthi-Milizen angreifen. Am Telefon ist der Friedens- und Konfliktforscher Jochen Hippler von der Universität Duisburg. Schönen guten Tag, Herr Hippler.
    Jochen Hippler: Schönen guten Tag, Herr Barenberg.
    Barenberg: Bisher haben wir ja, wenn es um den Jemen geht, über einen sehr brutalen, sehr schlimmen internen Konflikt gesprochen. Wie groß ist die Gefahr, dass daraus jetzt ein Flächenbrand wird?
    Hippler: Nun, wir sind einen ganz wichtigen Schritt weiter in diese Richtung hin. Wir haben jetzt nicht nur die ganzen inneren Konflikte des Jemen; da sind ja mindestens vier oder fünf, die da so ein Konfliktkneuel, so ein Konfliktbündel ergeben. Wir haben jetzt auch tatsächlich diesen Stellvertreterkonflikt zwischen Iran und vor allen Dingen Saudi-Arabien, der sich jetzt im Jemen stärker ausbreitet. Wir haben ähnliche Situationen in Libyen, wo bereits äußere Kräfte auch dabei sind, an lokalen Kämpfen teilzunehmen. Diese Gefahr des Flächenbrandes wächst ganz beträchtlich.
    Barenberg: Da besteht für Sie überhaupt gar kein Zweifel, dass Saudi-Arabien mit seiner Intervention so etwas wie ein Störfeuer in die Welt setzt?
    Hippler: Na ja, wir haben zwei Hauptprobleme. Erstens einmal ist es völkerrechtsgemäß nicht machbar. Man kann nicht einfach in anderen Ländern, wenn man besorgt ist oder eine Partei gegen andere unterstützen möchte, intervenieren. Die Frage, ob die jemenitische Regierung noch existiert, die um Hilfe gebeten hatte, muss man natürlich noch ernsthaft diskutieren. Das ist das eine Problem.
    Das zweite ist das Problem: Was soll diese Intervention, was sollen die Luftangriffe und möglicherweise sogar Bodentruppen - es werden ja sehr viele zusammengezogen an der Grenze -, was soll das eigentlich zu diesem Konflikt im Jemen positiv beitragen? Wenn es zwei Konfliktparteien gäbe und man eine gegen die andere unterstützen könnte, dann würden zumindest militärisch solche Maßnahmen Sinn machen. Aber wir haben im Moment eine ganz verwickelte Situation und in gewissem Sinne werden jetzt die saudischen und die anderen Truppen nur eine zusätzliche Miliz in einer Situation, die eh schon sehr unübersichtlich ist.
    Barenberg: Sie haben völkerrechtliche Fragen angesprochen. Dazu von mir noch die Nachfrage: Intervenieren darf man nicht, sagen Sie. Auch nicht, wenn es auf Bitten der regulären, der gewählten Regierung geschieht?
    Hippler: Doch, das natürlich. Aber denken Sie an andere Fälle, dass die afghanische Regierung angeblich um die sowjetische Intervention 1979 gebeten hatte, dass die tschechoslowakische Regierung um die Besetzung durch sowjetische Truppen gebeten hat. Manchmal ist es relativ schwierig festzustellen, was da wirklich hinter steckt. Wenn eine Person, die jetzt im Exil ist und nicht mehr als Regierung funktioniert, das tut, wirft das zumindest ein paar völkerrechtliche Fragen auf.
    Barenberg: Schauen wir auf die UNO. Auch die hat der Präsident des Jemen angerufen. Wie interpretieren Sie das Verhalten der UNO bisher, Aufforderung zu Mäßigung, zu politischen Verhandlungen?
    Der Versuch militärischer Stabilisierung führe häufig zum Gegenteil
    Hippler: Ja es zeigt, dass die UNO zwar besorgt ist, aber auch nicht so richtig weiß, was man tun kann von außen. Wir hatten ja nicht zum ersten Mal eine Situation, in der äußere Kräfte nur begrenzte Möglichkeiten haben - denken Sie an den Afghanistan-Krieg, wo auch großes, großes Engagement nicht zu Frieden und Stabilität geführt hat, denken Sie an die USA im Irak, denken Sie jetzt an die Situation in Libyen und in Syrien. Inzwischen haben äußere Akteure, jetzt vielleicht man von Saudi-Arabien etc. abgesehen, schon gelernt, dass der Wunsch, irgendwo was beizutragen, der Wunsch, irgendwo militärisch zu stabilisieren, nicht unbedingt bedeutet, dass es auch funktionieren wird. Häufig führt das ja zum Gegenteil, wenn Sie an die libysche Situation jetzt mal denken.
    Barenberg: Ich habe vorhin angedeutet, wer alles in dieser Allianz dabei ist unter der Führung von Saudi-Arabien: Kuwait, die Arabischen Emirate, Jordanien, Marokko, Ägypten. In der Türkei werden Gespräche geführt. Welches Bild ergibt sich für Sie daraus, dass sich diese Staaten zusammenschließen und an der Seite Saudi-Arabiens jetzt gegen die Rebellen vorgehen?
    Hippler: Nun, es sieht tatsächlich primär wie eine antiiranische Aktion aus. Es sind ja auch noch interessanterweise in gewisser Weise - wie stark wissen wir noch nicht - Staaten wie Pakistan dabei, kein arabisches Land, was in Pakistan zu stärkeren sunnitisch-schiitischen Konflikten führen kann, auch nicht das, was wir gerade brauchen. Oder Bahrein ist dabei, ein Land, was eine schiitische Mehrheit und eine sunnitische, saudi-gestützte monarchistische Diktatur hat. Im Prinzip sind es besorgte Regierungen, die den Iran in der Schlussphase der Verhandlungen um den Atomkonflikt zurückdrängen wollen, und diese Vereinfachung, die dann passiert, zwischen jetzt schiitischen Huthis und Sunniten, wird natürlich der Lage im Jemen überhaupt nicht gerecht. Wir haben ja noch die sunnitischen Al-Kaida-Kämpfer, die dort sind, relativ viele sunnitische Stammesoberhäupter und der Ex-Präsident, der sunnitische Salih, hat sich auch den Huthis angeschlossen. Dieser Konflikt, als wäre es jetzt ein sunnitisch-schiitischer Konflikt, ist vor Ort im Jemen ja nur ein kleiner Teil des Problems, und jetzt den ganzen Konflikt in diese Zwangsjacke zu stellen, macht die Lösung für den Jemen selbst natürlich nicht leichter, sondern schwerer.
    Barenberg: Und hat auch Folgen möglicherweise für die Atomgespräche mit dem Iran. Inwieweit werden jetzt die vorsichtigen Hoffnungen, dass es da zu einem Übereinkommen, zu einem Abkommen kommt, zunichte gemacht?
    Hippler: Ich glaube, dass jetzt viel darauf ankommt, wie auch der Iran reagieren wird. Vor wenigen Tagen gab es ja schon vom amerikanischen Außenminister Kerry, aber auch aus Teheran Signale, dass es tatsächlich gelingen würde, gelingen könnte, das Abkommen in den nächsten Tagen tatsächlich zustande zu bringen. Jetzt, in diesem saudi-arabisch-iranischen Kampf, haben sich die USA und Großbritannien politisch hinter Saudi-Arabien gestellt, was sicher keine vertrauensbildende Maßnahme ist. Und wenn jetzt der Iran überreagieren würde und in Trotzhaltung verfallen würde, wäre das sicher noch mal gerade auf der Schlussgeraden des Verhandlungsprozesses ein ziemlicher Rückschlag, der Vertrauen zerstört, was man jetzt mühsam über Monate aufgebaut hat.
    Barenberg: ...sagt der Friedens- und Konfliktforscher Jochen Hippler von der Universität Duisburg. Vielen Dank für das Gespräch.
    Hippler: Sehr gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.