Freitag, 29. März 2024

Archiv

Saudischer König in Moskau
Grünen-Politiker Nouripour begrüßt Annäherung

Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour bewertet die Annäherung zwischen Saudi-Arabien und Russland positiv. Beide Länder seien im Syrien-Konflikt die äußeren Pole. Deshalb sei jedes Gespräch erst einmal gut, sagte er im Dlf. Eine Lösung sei aber angesichts der Vielzahl an Akteuren unwahrscheinlich.

Omid Nouripour im Gespräch mit Silvia Engels | 06.10.2017
    Der außenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Omid Nouripour.
    Der frühere außenpolitische Sprecher von Bündnis 90/ Die Grünen, Omid Nouripour, hält es grundsätzlich für positiv, wenn die Staatschefs von Saudi-Arabien und Russland miteinander reden. (picture alliance / dpa / Britta Pedersen)
    Silvia Engels: Eine Staatsvisite ließ gestern aufhorchen. Erstmals besuchte nämlich ein saudi-arabischer König einen russischen Präsidenten in Moskau. Die Gespräche zwischen König Salman ibn Abd al-Aziz Al Saud und Kreml-Chef Putin drehten sich um Wirtschaftsfragen und auch ein Rüstungsgeschäft. Und sie drehten sich um den Bürgerkrieg in Syrien, denn beide Länder sind wichtige Akteure in dem seit 2011 andauernden Konflikt, der sich zuletzt wieder zugespitzt hatte.
    Am Telefon ist nun Omid Nouripour. Im letzten Bundestag war er außenpolitischer Sprecher seiner Fraktion, also von Bündnis 90/Die Grünen. Guten Morgen, Herr Nouripour.
    Omid Nouripour: Schönen guten Morgen!
    Engels: Wie erklären Sie sich diese Annäherung zwischen Riad und Moskau gerade jetzt?
    Nouripour: Es hat viele Gründe. Ich glaube, einer der zentralen ist der Ölpreis. Die Länder haben sehr viele Interessenkonflikte, nicht nur in Syrien, aber der niedrige Ölpreis, wenn der so bleibt, ist für beide Länder ziemlich ruinös. Man darf nicht vergessen: Saudi-Arabien exportiert im dritten Jahr nun weniger Öl, als sie selbst verbrauchen. Heißt: sie sind immer mehr darauf angewiesen, dass der Ölpreis steigt, und er steigt einfach nicht. Ich glaube, dass das einer der wichtigsten Antriebe war für den saudischen König, nach Moskau zu reisen.
    "Es ist erstmal gut, wenn die miteinander sprechen"
    Engels: Ist es gut oder schlecht für die westlichen Staaten, wenn Russland und Saudi-Arabien wirtschaftlich und politisch aufeinander zugehen?
    Nouripour: Es ist erst mal gut, wenn die miteinander sprechen. Wenn man sich Syrien anschaut, sind das die beiden Pole im Konflikt. Weiter auseinanderliegen kann man nicht. Und wenn sie sich annähern, kann das erst mal nicht schlecht sein. Es kann sich kaum vorgestellt werden, dass die beiden Länder jetzt auf Kosten beispielsweise der USA einen Deal machen in Syrien. Aber es ist durchaus denkbar, dass sie sich zum Beispiel in der Assad-Frage jetzt annähern, und das wäre ein Schritt in eine Richtung, die wenigstens Gespräche wieder ermöglicht, auch wenn ein Festhalten an Assad langfristig diese nicht voranbringt.
    Engels: Bleiben wir bei dieser Frage. Moskau steht ja bekanntlich seit Jahren aufseiten von Machthaber Assad. Saudi-Arabien wird dagegen Unterstützung islamistischer Aufständischer nachgesagt. Wie kann denn da eine Lösung vorangehen?
    Nouripour: Es wird nicht wirklich eine Lösung geben, solange in der Allianz von Syrien und Russland auch noch Iran dabei ist und immer mehr die Türkei. Es gibt eine massive Auseinandersetzung zwischen Saudi-Arabien und Iran und gerade in der Katar-Krise sieht man das, in der Blockade des kleinen Landes am Golf, dass es auch eine zunehmende Blockade gibt zwischen Saudi-Arabien und Türkei. Und ziemlich zeitgleich war Erdogan jetzt auch im Gespräch mit den Iranern über die Frage der Kurden. Hoch kompliziert, aber ich glaube, dass es in erster Linie den Saudis darum geht, auch herauszufinden, ob die Russen bereit wären, die Allianz mit dem Iran zu verlassen. Aber dass die Saudis sich zusammentun mit den Russen und die Iraner sind im selben Boot, das ist derzeit leider nicht denkbar.
    Engels: Iran, Saudi-Arabien, Russland als Akteure – was wird denn, wenn hier möglicherweise irgendeine Art von Kooperation stattfindet aus den Kräften in Syrien, die im Bürgerkrieg bislang von Seiten der USA und dem Westen unterstützt werden, der sogenannten Freien Syrischen Armee?
    Nouripour: Das ist eine sehr, sehr spannende Frage. Das wird sich, ehrlich gesagt, noch weisen. Aber richtig ist, dass die dschihadistischen Teile der militärischen Opposition in Syrien sehr viel Geld bekommen haben aus den Golf-Staaten. Jetzt will ich nicht sagen aus Saudi-Arabiens Staatskasse, aber von sehr vielen Privatleuten auch aus Saudi-Arabien. Und richtig ist, dass so manches dieser Gelder auch bei den Nicht-Dschihadisten gelandet ist. Deshalb wäre das tatsächlich so was wie das Ende der Freien Syrischen Armee, wenn die Saudis und die Russen sich operativ einigen würden, was sie denn eigentlich in Syrien vorhaben.
    Aber noch mal: Ich kann mir das nicht vorstellen, dass das passiert, solange die Iraner Bodentruppen dort haben, Revolutionsgarden dort tatsächlich mitwirken lassen. Das werden die Saudis nicht tatsächlich schlucken können.
    "Ich glaube, dass hat sehr viel mit der Rolle der Türkei zu tun"
    Engels: Gerade in den letzten Tagen erreichen uns Meldungen, dass die Kämpfe in Syrien wieder heftiger toben. Ist da klar auszumachen, woran das liegt?
    Nouripour: Es ist nicht ganz deutlich, aber ich glaube, das hat auch sehr viel mit der Rolle der Türkei zu tun und das hat sehr viel damit zu tun, dass die Türkei nicht einfach zuschauen will, wie die kurdischen Streitkräfte immer stärker werden, die ja zurzeit so was sind wie die Bodentruppen der westlichen Allianz in Richtung Rakka, die Hauptstadt von ISIS. Wir sehen, die Zahl der Akteure ist unübersichtlich groß, auch der internationalen, und das macht die Situation umso dramatischer. Deshalb kann man gar nicht falsch finden, wenn zwei, die auf beiden Seiten stehen, miteinander mal reden. Aber mir fehlt, ehrlich gesagt, derzeit noch die Fantasie jenseits der Assad-Frage, wie sie sich denn auf eine Ordnung in Syrien einigen wollen, die mit den ganzen Kräften am Boden und wie gesagt vor allem mit der Bipolarität Iran/Saudi-Arabien zusammenkommt.
    Omid Nouripour: Saudis können sich nicht erlauben, Trump zu verprellen
    Engels: Gehen wir mal etwas weg von Syrien und schauen auf die generelle Rolle Saudi-Arabiens. Ist denn dieser Besuch des saudischen Königs in Russland – das ist ja ein Novum – eine ganz klare Distanzierung Riads von dem seit Jahrzehnten Hauptverbündeten USA?
    Nouripour: Ich glaube nicht. Dafür sind die Differenzen auch viel zu groß und die Saudis können es sich nicht leisten, einen Mann wie Trump, der ihnen sehr, sehr stark entgegengekommen ist, der ihnen unglaubliche Waffendeals angeboten hat und der kein kritisches Wort verloren hat über die Menschenrechtssituation und auch nicht über die Finanzierung von extremistischen Gruppierungen durch Saudi-Arabien, dass die den einfach verprellen. Aber gerade der letzte Punkt ist ja eines, was in Moskau ja auch gesehen wird. Saudi-Arabien hat wirklich jahrzehntelang dschihadistischen Gruppierungen auch auf dem Kaukasus mitfinanziert. Ohne saudisches Geld wäre so manche Bewegung militärischer Art zum Beispiel in Tschetschenien nicht denkbar gewesen.
    Auch das wissen die Russen und das war ja eines der Haupthindernisse in den letzten Jahrzehnten, dass die miteinander gesprochen haben. Wenn das tatsächlich Thema war, wenn die darüber geredet haben und wenn es so was wie eine Vereinbarung gibt, kann ich das erst mal nicht schlecht finden, weil die Dschihadisten, egal wo sie sind, eine Bedrohung für uns alle sind.
    "Muss endlich aufgehört werden, Waffen nach Saudi-Arabien zu verkaufen"
    Engels: Saudi-Arabien war ja in den letzten Jahren – Sie haben es angesprochen – ein zunehmend schwieriger Partner des Westens. Die Menschenrechtsverletzungen haben Sie angesprochen, der Verdacht der islamistischen Terrorunterstützung steht im Raum. Die Grünen, Ihre Fraktion, haben regelmäßig die Bundesregierung dafür attackiert, Waffenverkäufe in Richtung Riad zu erlauben. Ist es Zeit, hier auch für Deutschland auf Distanz zu Riad zu gehen?
    Nouripour: Es gibt einige, die der Meinung waren, nach dem Atomdeal mit dem Iran, dass man doch jetzt den strategischen Partner Saudi-Arabien mit dem Iran ersetzen soll. Das ist nicht das, was wir meinen. Der Iran ist ein ähnlich schwieriger Partner oder Akteur im Nahen Osten. Es geht nicht darum, dass wir eine strategische Partnerschaft zu einem der beiden Länder suchen. Beide sind hoch kompliziert, beide fahren eine hoch aggressive Regionalpolitik, der Iran mehr in Syrien, Saudi-Arabien mehr im Jemen. Aber reden müssen wir mit beiden.
    Aber es ist umso wichtiger, dass wir eine Äquidistanz suchen zu beiden Ländern. Keiner käme zurzeit auf die Idee, Waffen an den Iran zu verkaufen, zurecht nicht, und deshalb sollten wir auch aufhören, Waffen nach Saudi-Arabien zu verkaufen, die mit dazu beitragen, dass wir derzeit zum Beispiel im Jemen die größte humanitäre Katastrophe unserer Zeit haben mit über 700.000 Cholera-Fällen. Deshalb muss endlich aufgehört werden, Waffen nach Saudi-Arabien zu verkaufen. Im Gegenteil: Wir müssen mit denen mal darüber reden, wo die ganzen Salafisten in unseren Fußgängerzonen, die unsere Kinder in den Irrsinn des Dschihadismus verführen, ihre Gelder herbekommen, dass die unter der Woche dort wirklich sieben Tage die Woche auch nachmittags stehen können.
    Engels: Omid Nouripour war das von Bündnis 90/Die Grünen. Im letzten Bundestag war er der außenpolitische Sprecher seiner Fraktion. Wir ordneten mit ihm ein die mögliche Annäherung zwischen Riad und Moskau durch den Staatsbesuch gestern. Vielen Dank!
    Nouripour: Danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.