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Sauer auf Sauerland

Seit der Loveparade-Katastrophe von Duisburg hat es der Oberbürgermeister der Stadt, Adolf Sauerland, mehr als schwer. Viele Duisburger werfen ihm vor, er wolle keine Verantwortung für das Unglück übernehmen. Mit Unterschriftenlisten soll nun sein Rücktritt erzwungen werden. Mehr als 60.000 haben bereits unterschrieben.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 22.09.2011
    So manche öffentliche Sitzung des Stadtrates muss dem Oberbürgermeister von Duisburg vorkommen wie ein Spießrutenlauf. Seit der Katastrophe auf der Loveparade stehen die Gegner von Adolf Sauerland immer wieder vor dem Rathaus und fordern seinen Rückzug:

    Aufgebracht ist die die Stimmung auch an den zahllosen Unterschriftenständen, die in vielen Stadtteilen in diesem Sommer wie Pilze aus dem Boden geschossen sind. Jeder wahlberechtigte Duisburger kann hier unterschreiben, um das Verfahren auf den Weg zu bringen. Die Listen werden immer länger. Klaus Roth, der am Stand in der Einkaufszone stehen geblieben ist, redet sich in Rage:

    "Wenn einer so tut, als hätte er damit nix zu tun, dann darf er sich nicht wundern, dass die Leute sauer werden. Ich bin froh, wenn er weg ist."

    Ein Wunsch, der auch das Bündnis "Neuanfang für Duisburg" antreibt, dahinter verbergen sich die Initiatoren der Unterschriftensammlung. Es sind durchaus wütende Bürger, die um den Ruf ihrer Stadt fürchten – wie Theo Steegmann erklärt, einer der Sprecher des Bündnisses:

    "Die Alten, die diskutieren gerne, die unterschreiben auch alle. Aus so einer Ethik heraus, so sind sie erzogen worden, für das, was Du machst, musst Du Verantwortung übernehmen, und das stört die massiv, dass der Sauerland keine Verantwortung übernimmt."

    Also wollen sie ihn zwingen. Rund 60.000 Unterschriften sind bereits eingesammelt, so haben Steegmann und seine Mitstreiter diese Woche bekannt gegeben – das sind sogar 5000 Unterschriften mehr, als nötig wären, aber Theo Steegmann will lieber auf Nummer sicher gehen und weitersammeln:

    "Uns beunruhigt natürlich so ein bisschen, dass wir aus dem Wahlamt hören, dass all die Unterschriften, bei denen die Hausnummern fehlen, nicht anerkannt werden sollen."

    Ein Vorwurf, den die Stadt zurückweist. Man habe die Unterschrifteninitiatoren rechtzeitig auf die nötige Angabe der Hausnummer hingewiesen. Theo Steegmann ist trotzdem empört:

    "Das halten wir für unsäglich, weil wir der Meinung sind, der Rat ist der Herr des Verfahrens – da ist überhaupt kein Misstrauen gegenüber den Mitarbeitern des Wahlamtes, aber die politische Entscheidung, ob der Wählerwille erkennbar ist oder nicht, trifft der Rat."

    Nach einem ersten gescheiterten Abwahlverfahren kurz nach der Loveparade soll dieses Mal nichts schiefgehen. Hilfreich für die Motivation der Sauerland-Gegner ist die Reform der Gemeindeordnung, die der nordrhein-westfälische Landtag im Frühjahr beschlossen hat. Bürgermeister können nun direkt abgewählt werden. Davon beflügelt, rattert Theo Steegmann die nächsten Etappenziele herunter: Übergabe der Unterschriften am 17. Oktober an den Stadtrat, und hoffentlich Beschluss des Abwahlverfahren am 12. Dezember. Allerdings haben Sauerlands Parteifreunde von der CDU im Stadtrat die Abwahl des OB schon einmal verhindert, vor gut einem Jahr. Deswegen bleibt Steegmann misstrauisch:

    "Wir wollen nicht am Karnevalssonntag wählen, zum Beispiel. Wir wollen, dass es eine Briefwahl gibt, gerade, weil ganz viele ältere Bürger hier gewählt haben. Und wir wollen, dass alle Wahllokale geöffnet werden. Wir wollen, dass das ist wie eine Kommunalwahl."

    Adolf Sauerland hat sich bei den Hinterbliebenen und bei den Opfern der Loveparade entschuldigt, doch zurücktreten will er erst, wenn man ihm oder der Stadtverwaltung konkrete Fehler nachweist. Bislang stützt sich Sauerland auf ein von ihm selbst in Auftrag gegebenes Gutachten, das die Stadt von allen Fehlern freispricht. Erst neulich gab es Zoff wegen dieses Gutachtens, denn die Kosten von 420.000 Euro hätte der Stadtrat eigentlich bewilligen müssen. Stattdessen wurde er damals offenbar übergangen – darüber will die SPD-Fraktion mit dem OB jetzt nachträglich abrechnen. Sauerland selbst sagt zu allen Vorwürfen, er wolle sich nicht einfach vom Acker machen. Stattdessen wird er nun vielleicht vom Hof gejagt – falls das Abwahlverfahren im nächsten Frühjahr zustande kommt. Mindestens ein Viertel der Wahlberechtigen in Duisburg müsste dann gegen Sauerland stimmen – gut 92.000 Bürger, das ist viel. Doch Unterschriftensammler Theo Steegmann ist voller Kampfeslust:

    "Ich weiß nicht, ob man eine Stadt regieren kann gegen fast 70.000 Bürgerinnen und Bürger, die seine Abwahl wollen. Meine These ist: Er ist so machtversessen, dass er auch das Abwahlverfahren durchziehen will. Das soll er tun. Wir freuen uns drauf."

    Adolf Sauerland eher nicht. Er wolle sich dem Abwahlverfahren aber stellen, sagt sein Sprecher, was bleibe ihm schon anderes übrig.