Mittwoch, 17. April 2024

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Schabbat
"Die geistigen Batterien aufladen"

Der Schabbat ist zentral im Judentum. Schon in der Schöpfungsgeschichte heißt es, dass Gott am siebten Tag ruhte. Genau diese Ruhe wurde auch beim jüdischen Lernfestival Limmud an der Nordsee zelebriert: mit gemeinsamem Essen, Meditieren, Gottesdiensten - und vor allem: ohne Technik.

Von Gerald Beyrodt | 08.05.2015
    Ein Davidstern über einer Synagoge
    Der Schabbat beim Lernfestival an der Nordsee bringt lange Gottesdienste, lange Gespräche und lange Spaziergänge ans Wattenmeer. (Picture Alliance / dpa / Jan Woitas)
    Der Schabbat wirft seine Schatten voraus. Schon beim Frühstück am Freitagmorgen besprechen Rabbinerin und Kantoren, mit welchen Melodien sie den Abendgottesdienst gestalten wollen. Die "Ankunft des Schabbat", wie es heißt.
    Mit der Hymne "Lecha dodi" wird der Schabbat am Abend, liturgisch ausgedrückt, empfangen. Jegliche Arbeit soll dann unterbleiben. Dazu zählt das Feueranzünden und Feuerlöschen, auch das Strom-ein- und -ausschalten. Juden, die sich nicht an die strikten Regeln halten, können im Umgang mit Orthodoxen schon mal in peinliche Situationen kommen. Rabbiner Daniel Goldfarb hat bei seinem Workshop zum Thema Schabbat den ultimativen Tipp parat:
    "Sind Sie schon mal in am Schabbat in einer wirklich frommen Synagoge gewesen? Sie gehen zur Toilette und fragen sich: Kann ich überhaupt die Spülung benutzen? Darf ich Klopapier abreißen? Sie fragen sich: Wie machen die überhaupt Tee? Schabbat kann einschüchtern. Und was haben Sie vergessen? Ihr Handy auszuschalten. Ihr Telefon klingelt. Alle gucken. Und Sie müssen jetzt aufstehen und ganz laut sagen: 'Ich wusste, ich hätte nicht Neurochirurg werden sollen.'"
    Daniel Goldfarb selbst schaltet am Schabbat keine elektrischen Geräte ein und hat eine eigene Tasche, in der er das Handy schlafen legt, wie er sagt.
    "Schabbat ist heute sogar wichtiger als früher, weil das Leben heute so viel Druck mit sich bringt. Wir haben kaum die Möglichkeit, mal abzuschalten von der Arbeitswelt, mal nachzudenken und unsere geistigen Batterien aufzuladen. Das ist ein Ziel von Schabbat."
    Bei Limmud kann jeder, der möchte, im Zimmer telefonieren oder den Föhn einschalten. Doch in öffentlichen Bereichen gilt am Schabbat Handyverbot. Fast alle finden diese Schabbatruhe gut.
    "Schabbat-Ruhe find ich hervorragend. Ich finde gerade in der heutigen Zeit ist es ein absoluter Schatz, dass man sagt, wenn die Sonne untergeht am Freitagabend, dann beginnt eine heilige Zeit, in der man das Menschliche in den Vordergrund stellt, gemeinsam isst, gemeinsam meditiert und eben nicht Sklave ist der Technik."
    "Ich find das schon richtig und halte mich da auch dran."
    "Ob hier deswegen Ruhe herrscht, ist eine andere Frage. Ich glaube, dass hier einige umso lauter brüllen werden in der Zeit. Die Kinder sind ja losgelassen, eine Geräuschkulisse wird da sein."
    Die jüdische Liturgie spricht von der "Königin Schabbat"
    Als Anja Uebel vor einigen Jahren zum Judentum konvertierte, war ihr die Frage sehr wichtig: Wie wirken sich die Schabbat-Gebote auf mein Leben aus?
    "Da habe ich sehr viel mehr auf den Zweck geguckt: Was macht es mit mir? Das ist doch jetzt eigentlich schön, und vielleicht hebt es mich auch von den anderen ab. Aha, ich kann es mir jetzt einfach mal erlauben, mein Handy auszulassen. Das hatte so was Interessantes einfach auch."
    Inzwischen steht für Anja Uebel eher im Vordergrund, dass das jüdische Gesetz die Schabbatruhe vorschreibt.
    "Aus meiner Sicht besteht Judentum vor allem darin, dass man es tut. Damit meine ich, dass man sich an diese Gebote hält. Es ist weniger eine Glaubensreligion. Ob es nun meine Seele streichelt, ist für mich einfach ein anderer Punkt, das ist für mich einfach nicht mehr relevant. Gleichzeitig, obwohl ich so denke, ist meine Observanz nicht immer so strikt. Das heißt, es gibt Schabbatot, an denen ich das Handy anlasse oder Auto fahre und so weiter und so fort."
    Und dann kommt er, der Schabbat. Oder sie? Die jüdische Liturgie spricht von der "Königin Schabbat" und von der "Braut Schabbat". Bei der Hymne "lecha dodi" drehen sich alle zur Tür und stellen sich vor, dass sie hereinkommt. Ein bewegender Moment.
    Der Schabbat bringt lange Gottesdienste, lange Gespräche und lange Spaziergänge ans Wattenmeer. Am Samstagabend folgt der Abschied.
    Kurze Segenssprüche loben Gott dafür, dass er das Heilige vom Profanen getrennt hat. Hawdala nennt sich die Zeremonie - Trennung. Die Teilnehmer fallen sich um den Hals und wünschen sich eine gute Woche, schawua tow. Jetzt ist Arbeit wieder erlaubt. Neben vielem anderen ist Religion sicherlich: geordnete Zeit.