Dienstag, 23. April 2024

Archiv

Schach
Machtkampf am Rande der Schacholympiade

Bei der Schacholympiade in Tromsö geht es nicht nur um den Sport, sondern auch darum, wer künftig den Weltverband führt: der amtierende Kirsan Iljumschinow oder sein Herausforderer Garri Kasparow.

Von Stefan Löffler | 06.08.2014
    Der ehemalige Schachspieler Garri Kasparow ist heute russischer Oppositionspolitiker und kandidiert im August 2014 als Präsident für den Weltschachverband.
    Der ehemalige Schachweltmeister Garri Kasparow will Präsident des Weltverbands werden. Am 11. August wird gewählt. (dpa / picture alliance / Sharifulin Valery)
    3000 Spieler, Trainer und Offizielle sind angereist. 175 Nationen sind vertreten. Das ist Rekord für eine Schacholympiade, der laut Weltschachbundes viertgrößten Sportveranstaltung der Welt. In der ehemaligen Mack-Brauerei von Tromsö sind fünf Runden gespielt, sechs Spieltage stehen noch aus. Bei den Herren gibt es kein Team mehr, das nicht mindestens schon ein 2:2 und damit einen Mannschaftspunkt abgegeben hat. Überraschend sind im Moment die Außenseiter vorn: Kuba, Bulgarien, Serbien, Georgien, Usbekistan, Kasachstan und - als einziges Spitzenteam - Aserbaidschan, der Europameister. Die Favoriten Russland, Armenien, China und Frankreich liegen aber nur einen Mannschaftspunkt zurück.
    Alles ist offen. Außer vielleicht für die ukrainischen Herren, die heute gegen Usbekistan unterlegen sind. Für die Ukraine war es ein richtig schwarzer Tag, denn auch die mit-favorisierten Frauen haben verloren. Im Frauenturnier zeichnet sich damit ein Zweikampf ab zwischen den Chinesinnen und den Russinnen.
    Streit um Personalie
    Für Russland am Spitzenbrett spielt Kateryna Lagno, die erst wenige Wochen vor der Schacholympiade vom ukrainischen Verband gewechselt ist. Das hatte keine politischen sondern rein finanzielle Motive. Der russische Verband ist reich, der ukrainische arm. Trotzdem hat die Personalie eine Krise ausgelöst: Russland hat wegen des Transfers den Meldetermin verpasst, und die norwegischen Veranstalter wollten das Damenteam nicht mehr zulassen - zumal auch noch der ukrainische Verband gegen Lagnos Transfer Protest einlegte.
    Der Weltschachbund drohte mit einer Klage, sogar eine kurzfristige Verlegung nach Sotschi war kurzzeitig im Gespräch. Schließlich kam Wladimir Putin ins Spiel und verlieh Lagno die russische Staatsbürgerschaft.
    Machtkampf im Weltverband
    Dahinter steckt der Kampf um die Macht im Weltverband - zwischen Kirsan Iljumschinow, seit 19 Jahren Präsident, und seinem Herausforderer, dem früheren Weltmeister Garri Kasparow. Russen sind beide, doch während Iljumschinow ein treuer Gefolgsmann von Präsident Putin ist, zählt Kasparow zu Putins lautstärksten Kritikern und lebt inzwischen in New York.
    Sowohl Veranstalter Norwegen als auch die Ukraine unterstützen bei der am 11. August erwarteten Wahl Kasparow. Der russische Verband steht heute hinter Iljumschinow. Das war vor sieben Monaten noch anders, dann wurden die Funktionäre ausgetauscht.
    Einer der Leistungsträger im russischen Team ist Sergei Karjakin. Er stammt von der Krim und wechselte schon 2010 von der Ukraine zu Russland. Mit seinen Pro-Putin-Statements ist Karjakin allerdings die Ausnahme. Die meisten Aktiven wünschen sich nichts mehr, als dass zwischen den beiden führenden Schachnationen wieder Frieden einkehrt.