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Schadenersatz für Völkermord
Herero und Nama verklagen Deutschland

Mehr als 100 Jahre nach dem Ende der deutschen Kolonialherrschaft im heutigen Namibia haben die Herero und Nama Klage gegen Deutschland eingereicht. Sie fordern finanzielle Entschädigung für die Massaker in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika. In dieser Woche hat ein Gericht in New York erstmals über die Klage beraten.

Von Christiane Habermalz | 18.03.2017
    In den USA lebende Angehörige des Volksstamms der Herero stehen am 16.03.2017 vor dem Gericht in New York, USA, das sich mit dem Völkermord an den Stämmen der Herero und Nama, im heutigen Namibia, zu Zeiten der deutschen Kolonialherrschaft befasst.
    In den USA lebende Angehörige des Volksstamms der Herero. Sie verklagen Deutschland auf Reparationszahlungen. (picture alliance / Johannes Schmitt-Tegge/dpa)
    Es ist ein Teilerfolg, immerhin. Schon zweimal haben Vertreter der Herero und Nama in den USA Sammelklagen gegen Deutschland auf Entschädigung für den Völkermord und die Enteignung ihres Landes durch die deutsche Kolonialregierung eingereicht. Ohne Erfolg. Dieses Mal wurde die Klage vom zuständigen Richter nicht sofort abgewiesen, sondern eine zweite Anhörung für den 21. Juli anberaumt. Solange hat die Bundesregierung Zeit, sich zu dem Verfahren zu äußern.
    Die Kläger um den Paramount-Chief der Herero, Vekuii Rukoro und Nama-Chief David Frederick, verklagen Deutschland auf Reparationszahlungen - und auf Beteiligung an den Verhandlungen, die zwischen der deutschen und der namibischen Regierung seit über einem Jahr geführt werden.
    Chancen für eine Beteiligung der Opfergruppen an Verhandlungen
    ES ist höchste Zeit, dass Deutschland für die Ereignisse seine moralische, politische, aber auch juristische Verantwortung übernimmt, so Rukoru am Donnerstag in New York. Zumindest, was die Beteiligung der Opfergruppen an den Verhandlungen betrifft, stehen die Chancen nicht so schlecht. Denn die Kläger berufen sich auf eine UN-Konvention für die Rechte indigener Völker von 2007, die vorsieht, dass diese an Verhandlungen, die sie direkt betreffen, beteiligt werden sollen. Sowohl Deutschland als auch Namibia haben diese Konvention unterschrieben.
    "It can’t not be about us without us. Anything about us without us is against us. The Hereros and Namas should be part of the negotiating process!”
    Man darf nicht ohne uns über uns reden, kritisiert Ester Utjiua Muinjangue, Vorsitzende der Ovaherero Genocide Foundation. Die deutsche Regierung hatte eine direkte Beteiligung der Opfergruppen an den Verhandlungen bislang stets ausgeschlossen. Am Freitag wurde diese Position von einem Sprecher des Auswärtigen Amtes noch einmal bestätigt. "Wir verhandeln zwischen Regierungen, ohne dass wir dabei zivilgesellschaftliche Organisationen ausschließen würden", sagte Außenamts-Sprecher Martin Schäfer in Berlin.
    Ruprecht Polenz, der deutsche Verhandlungsführer bei den Verhandlungen, betonte dagegen, die Zusammensetzung der namibischen Delegation sei Sache der namibischen Regierung, und sie müsse letztlich einen möglichen Gerichtsbeschluss zur Beteiligung der Opfergruppen umsetzen. Deutschland sei bereit, über Entschädigungszahlungen zu reden, aber diese könnten nur aus politisch-moralischen Beweggründen erfolgen.
    "Also wir werden der namibischen Seite vorschlagen dass wir die Verhandlungen unabhängig von dem Gerichtstermin und Erörterung in NY weiterführen. Und ich denke, dass wir uns in absehbarer Zeit in Berlin zur nächsten Verhandlungsrunde treffen."
    Windhuk hat bislang eine Klage gegen Deutschland ausgeschlossen
    Unterdessen berichtete die in Windhuk erscheinende Zeitung "The Namibian" am Freitag, dass die namibische Regierung sich der Sammelklage der Herero- und Nama-Vertreter in Ney York auf Reparationszahlungen anschließen wolle. Ein Team von Anwälten aus England und Namibia arbeite zudem im Auftrag der Regierung daran, Deutschland vor dem europäischen Gerichtshof in Den Haag zu verklagen. Zitiert wird der Generalstaatsanwalt des Landes, Sacky Shangala und angeblich von der Zeitung eingesehene Dokumente, wonach die namibische Regierung von Deutschland 30 Milliarden US-Dollar Entschädigung verlange. Aus Kreisen der namibischen Regierung wurde der Bericht jedoch am Abend dementiert. Und auch Polenz hält eine solche 180-Grad-Kehrtwende seines Verhandlungspartners für wenig glaubwürdig. Die Regierung in Windhuk hat bislang eine Klage gegen Deutschland immer ausgeschlossen. Allerdings, warnte Polenz, bestehe die Gefahr, dass mit der Dauer der Verhandlungen die Erwartungen an deutsche Entschädigungszahlungen in der namibischen Öffentlichkeit immer größer würden.
    "Da wird dann eine fiktive Schadensberechnung gemacht, für das was 1904 bis 1908 passiert ist, dann werden die Folgen über 100 Jahre kumulierend hochgerechnet, und dann kommt man auf exorbitante Summen. Aber das ist ein Weg der sehr irreal ist, und den wir von der deutschen Seite aus unter keinen Umständen mitgehen."
    Deutschland plant, zur Kompensation des Leids und des erlittenen Unrechts Geld in eine Zukunftsstiftung einzuzahlen, aus der Projekte finanziert werden sollen, die den Herero und Nama-Volksgruppen zugutekommen sollen. Bei dem Massaker durch die deutschen Kolonialtruppen sind zwischen 65.000 und 100.000 Herero und Nama ums Leben gekommen, ein Großteil ihres Landes wurde enteignet.