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Schadstoffe dünsten aus
Dicke Luft in Outdoor-Läden

Wer vor die Tür geht - ob zum Wandern, Radfahren oder für einen Kanutrip - macht das oft mit spezieller Outdoor-Bekleidung. Deren besondere Verarbeitung sorgt etwa dafür, dass man nicht bis auf die Haut durchnässt, sollte es plötzlich regnen. Möglich wird das auch durch chemische Substanzen, polyfluorierte Chemikalien, die aber nicht ganz unumstritten sind. Erste Hersteller haben reagiert.

Von Thomas Wagner | 14.07.2016
    Das Detail einer Outdoor-Jacke: Outdoor-Kleidung enthält nach einem Greenpeace-Report Schadstoffe, die der Umwelt schaden können.
    Das Detail einer Outdoor-Jacke: Outdoor-Kleidung enthält nach einem Greenpeace-Report Schadstoffe, die der Umwelt schaden können. (picture alliance / dpa / Sven Hoppe)
    "So we can support local initaitives to plant two million of trees." Zwei Millionen Bäume sollen gepflanzt werden, mit der Unterstützung seiner Branche: John Jansen, Präsident der "European Outdoor Group", redet gerne über Öko-Projekte, die von Unternehmen seines Verbandes finanziert werden. Schließlich, sagt er, habe "Oudoor" ja etwas mit der Nähe zur Natur und mit Umweltverträglichkeit zu tun.
    Doch das Störfeuer folgt auf dem Fuße: "Wir haben polyfluorierte Substanzen in der Raumluft getestet, weil wir wissen, dass solche Substanzen aus Outdoor-Kleidung kommen, aus Outdoor-Kleidung ausdünsten können." So Manfred Sanden, Chemieexperte bei Greenpeace Deutschland, am Rande der Europäischen Fachmesse 'Outdoor' in Friedrichshafen. Dort legte die Umweltorganisation eine Studie vor, die es in sich hat: Greenpeace-Aktivisten machten sich mit Messgeräten auf den Weg zu den Verkaufsgesellschaften der großen Outdoor-Hersteller. Sie begaben sich also genau dorthin, wo jene Produkte verkauft werden, die dieser Tage wieder auf der Outdoor-Fachmesse am Bodensee angepriesen werden: Ultraleichte Regenjacken aus atmungsaktiven Kunstfasern, die zu Hunderten in den Regalen der Geschäfte hängen.
    Gesundheitliche Folgen unklar
    Allerdings: Viele dieser Jacken sind mit polyfluorierten Chemikalien, eben mit den umstrittenen "PFC's", beschichtet - und das sorgt derzeit für dicke Luft in der Branche, vor allem aber für schlechte Luft in den untersuchten Geschäften. "Und wir haben 20 bis 60 Mal höhere Messwerte gefunden als in vergleichbaren Räumen und Messwerte, die liegen tausendfach oberhalb der Konzentration in der Außenluft. Was das für die Gesundheit bedeutet, kann man schlecht sagen. Das ist jetzt eigentlich Aufgabe der Toxikologen, das jetzt herauszufinden."
    Klar ist aber zumindest eines: In weiteren chemischen Reaktionsschritten können aus polyfluorierten Chemikalien Verbindungen entstehen, die nachweislich gesundheitsschädlich sind. "Und das gibt wirklich Anlass zur Sorge. Man kann also nicht ausschließen, wenn diese Substanzen eingeatmet werden, dass sie sich dann im Blut wiederfinden, eben dann in der gefährlicheren Variante. Wir wissen aus Tierversuchen, dass diese gefährlichere Substanzen Krebs erregen können, das Immunsystem angreifen können oder auch die Fortpflanzung schädigen können."
    Aus diesem Grund hat Greenpeace die Kampagne "Detox" gestartet, an der sich möglichst viele Hersteller beteiligen sollen. Das Ziel ist, bis zum Jahr 2020 auf die umstrittenen Polyfluorierten Chemikalien zu verzichten. Das allerdings ist leichter gesagt als getan. Denn in der Outdoor-Industrie kommt ausgerechnet den umstritten PFC's eine wichtige Funktion zu. "Ja, also PFC'S werden zur Ausrüstung unserer Produkte genutzt. Das heißt: Das ist wie eine Schutzschicht, die auf der äußersten Stoffschicht aufgetragen wird. Und diese PFC's haben die Eigenschaft, dass sie Wasser abweisend sind, sehr schmutz- und ölabweisend sind und eben auch sehr langlebig," so Peter Hollenstein vom Schweizer Outdoor-Hersteller Mammut, dessen Verkaufsläden von den gemessenen PFC-Werten her die Greenpeace-Liste ganz oben anführen.
    "Detox"-Kampagne von Greenpeace
    So ganz grundsätzlich in Abrede stellt das Unternehmen freilich die Messungen und die dahinter stehende Problematik nicht. "Grundsätzlich sind die Messresultate auch das, was unabhängige Wissenschaftler gemessen haben. Wir nehmen das Thema sehr ernst, wie es auch die ganze Branche ernst nimmt." Da helfe kein Wegdiskutieren, sondern nur eine veränderte Unternehmensstrategie: "Bei allen Produkten, wo wir meinen, dass wir keine Top-Performance brauchen, sind wir bereit, auf diese PFC's zu verzichten bis 2020. Bei einem kleinen Segment an Produkten sind wir noch auf der Suche nach einer Alternative."
    Ein Anfang zwar. Doch andere Unternehmen gehen bereits einen Schritt weiter. Rotauf in der Schweiz und Vaude in Baden-Württemberg sind die ersten Unternehmen, die bei der "Detox"-Kampagne von Greenpeace mitmachen und schon bald alle Produkte PFC-frei anbieten wollen. Das sei, sagt Hilke Patzwall von Vaude, besonders in der Outdoor-Branche wichtig. Denn genau dort legten die Kunden besonders viel Wert auf Nachhaltigkeit und ökologisch verträgliche Produkte. "Die Sensibilität für Gesundheitsthemen, die ist einfach extrem gestiegen. Das betrifft natürlich in erster Linie Outdoor-Produkte. Die Leute, die sich gerne in der Natur aufhalten, die sind ja per se schon mal sensibler für solche Themen."
    Doch selbst wenn die Outdoor-Shops irgendwann einmal frei sein werden von PFC-Ausdünstungen, ist das Problem an sich noch nicht gelöst: PFC's brauchen lange Zeit, um chemisch abgebaut zu werden, belasten immer mal wieder auch Kläranlagen, lagern sich im Erdreich ab. Damit werden die PFC's Umweltbehörden und Umweltorganisationen noch lange beschäftigen - und vielleicht irgendwann auch einmal den Gesetzgeber.