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Schadstoffe
Sauberer Dieselmotor - möglich, aber teuer

In Dieselautos verhindert Harnstoff den Ausstoß von gesundheitsschädlichen Stickoxiden. Doch die eingebauten Abgassysteme funktionieren allenfalls unzulänglich, sagen Wissenschaftler des staatlichen Schweizer Forschungsinstitutes EMPA. Sie arbeiten an Verfahren, damit Dieselautos wirklich sauber werden.

Von Thomas Wagner | 29.10.2015
    Der Auspuff eines VW Tiguan TDI
    Dieselmotoren geben einen deutlich höheren Anteil an Stickoxiden als beim Benzinmotor ab. (picture alliance / dpa / Karl-Josef Hildenbrand )
    Dass der gute alte Diesel nach dem VW-Abgasskandal in ganz generell in Verruf geraten ist, hält will Panayotis Dimopoulus Eggenschwiler für unangebracht. Denn:
    "Vom Prinzip her verbrennt der Diesel mit einem besseren Wirkungsgrad. Das heißt: Er liefert die Leistung, die man haben möchte, verbraucht dabei weniger Kraftstoff und emittiert auch weniger Kohlendioxid, also weniger Treibhausgas."
    Im Vergleich zum Benzinmotor, stellt der Experte für Abgasnachbehandlung am Schweizer EMPA-Forschungsinstitut in Dübendorf bei Zürich klar. Aber er weiß auch: Dieselmotoren haben einen kleinen Schönheitsfehler - nämlich einen deutlich höheren Anteil an Stickoxiden als beim Benzinmotor.
    "Deshalb hat man bis Euro 5 auch eigens höhere Grenzwerte gehabt für Stickoxide bei Dieselfahrzeugen als für Benziner."
    Seit September gilt neue Schadstoffnorm
    Doch seit Anfang September gilt die Euro 6 - Schadstoffnorm, die auch bei Pkw-Dieselmotoren eine Reduzierung der Stickoxid-Emissionen vorschreibt - und da ist guter Rat buchstäblich teuer. Die meisten Hersteller setzen auf das sogenannte AdBlue oder SEC-Verfahren, das steht für "Selective reduction catalyst": Dahinter steht ein chemisches Verfahren, bei dem das Abgas mit wässrigem Harnstoff, der in einem Extra-Tank mitgeführt wird, reagiert. Unter Hitze entsteht Ammoniak. Das aber spaltet die gesundheitsgefährdenden Stickoxide auf in die harmlosen Bestandteile Wasser und Stickstoff. Soweit die Theorie. Doch in der Praxis sieht es meistens anders aus - der Teufel steckt im Detail, so Panayotis Dimopoulus Eggenschwiler:
    "Spritzt man zu viel der Harnstoff-Lösung ein, führt das zu sehr viel Ammoniak. Und das kann unter Umständen in die Atmosphäre entweichen, was man aber auch nicht will. Weil: Ammoniak riecht nicht angenehm und ist auch giftig per se."
    Also bei der Einspritzung in die Abgas-Nachbehandlung eher sparsam mit dem Harnstoff umgehen? EMPA-Forscher Panayotis Eggenschwiler kann sich auch dafür nicht begeistern:
    "Mit zu wenig Harnstoff-Wasser-Einspritzung hat man zu viel Stickstoffemissionen. Die Einstellung und die Regelung des ganzen Systems ist ziemlich komplex."
    Und zwar so komplex, dass nach den Erfahrungen der EMPA-Forscher bei den meisten Abgasnachbehandlungssystemen auf Harnstoff-Basis entweder zu viel Stickoxid oder zu viel Ammoniak aus dem Auspuff kam, und zwar ganz ohne Software-Manipulation.
    "Hinzu kommt, dass, wenn man zu viel von dieser Harnstoff-Wasserlösung auf die Auspuffwände treffen, tendieren Sie dazu, feste Beiprodukte entstehen zu lassen. Die festen Beiprodukte sind zwar nicht giftig per se, aber verstopfen den Auspuff."
    "So groß, so schwer und so teuer wie der Motor selbst"
    Als Basis für die Entwicklung effektiverer Diesel-Abgasnachbehandlungssysteme für PKW untersuchen die Schweizer EMPA-Forscher im Detail alle Prozesse, die beim AdBlue-Verfahren auftreten. Sie haben festgestellt, dass die optimale Harnstoffbeigabe von vielen Parametern abhängt: Geschwindigkeit, Betriebstemperatur, Drehzahl, Fahrverhalten und vielem anderen mehr - Parametern, die sich im Gegensatz zu Testes auf einem Prüfstand in freier Fahrt auf der Straße in Sekundenbruchteilen ändern. Das trifft gerade auf Pkw zu, die im Vergleich zu Lastwagen und Bussen viel schneller unterwegs sind. Deshalb muss dort die AdBlue-Technologie auf komplexere Fahrmodi ausgelegt werden, im Gegensatz zu Lastwagen, bei denen solche Systeme schon seit zehn Jahren eingebaut werden. Allerdings funktioniert das dort auch wesentlich einfacher als bei Lkw. Panayotis Dimopoulos Eggenschweiler:
    "Grob gesagt, im Lastwagen ist die Stickoxid-Nachbehandlung plus die Partikel-Nachbehandlung so groß, so schwer und so teuer wie der Motor selbst."
    Keine Frage: Im Pkw wird man so viel Platz nicht freischlagen können.
    "Wir arbeiten an neuen Lösungen. Die machen das System robuster, besser, allerdings auch komplexer und teurer."
    Und zwar so viel teurer, dass, so glaubt es der Schweizer EMPA-Forscher, dieselbetriebene Kleinwagen zukünftig zu entsprechenden Autos mit Benzinmotor kaum mehr konkurrenzfähig sein werden. Anders dagegen sieht es bei gehobenen Mittelklasse- und Oberklasse-Pkw aus.
    "Ganz einfach, weil wir hier in Europa ganz anspruchsvolle CO2-Grenzwerte haben. Diese 95 Gramm für 2020/2021 sind kaum einhaltbar, wenn der Diesel an Marktpotenzial verliert", betont Christian Bach, bei der EMPA Leiter der Abteilung Fahrzeugantriebstechnologien.
    Er bezieht sich dabei auf den durchschnittlichen CO2-Ausstoß einer Fahrzeugflotte: Ohne Dieselautos in der Oberklasse, ist er sich sicher, wird eine Marke die EU-Grenzwerte nicht erreichen können. Umso wichtiger erscheint ihm und seinem Team die Optimierung der Abgasnachbehandlung auf Adblue-Basis, wie sie unter anderem die EMPA derzeit vorantreibt.
    "Dieser Prozess dauert noch eine gewisse Zeit. Aber die Potenziale sind vorhanden. Und deshalb sind wir eigentlich überzeugt, dass der Dieselmotor in Zukunft nahezu ohne Stickoxide auf der Straße herumfahren wird."