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Schädlingsbekämpfung
Mit CO2 gegen den Drahtwurm

Der sogenannte Drahtwurm macht Biobauern das Leben schwer. Zahlreiche Kartoffeln, die von ihm angefressen werden, sind unbrauchbar. Forscher aus Göttingen haben eine Methode entwickelt, um den Agrarschädlingen den Garaus zu machen: erst anlocken, dann töten.

Von Volker Mrasek | 11.08.2014
    Frisch geerntete Kartoffeln
    Von Drahtwürmern angefressene Kartoffeln können Landwirte nur noch wegschmeißen. (picture alliance / dpa - Philipp Schulze)
    Agrarschädlinge lauern über und unter der Erde. Auf Kartoffeläckern sind es vor allem Blattläuse und Kartoffelkäfer, die die Pflanzen oberirdisch attackieren. Diese Plagegeister hätten aber selbst Bio-Bauern ganz gut im Griff, sagt der Biologe Stefan Vidal – auch ohne Insektizide. Ganz anders sehe es unter der Erde aus.
    "Neuerdings haben sie zunehmende Probleme unterirdisch mit Drahtwürmern. Drahtwürmer sind die Larven von Schnellkäfern. Und die Drahtwurm-Problematik nimmt zu. Nicht nur in Deutschland, sondern europaweit. Ein Drahtwurm, der an einer Kartoffel frisst, macht diese Kartoffel unbrauchbar für den Frischmarkt."
    Die typische Befallssymptome kennen auch Verbraucher. Es sind schwarze Kanäle und Kavernen in den Knollen, in denen sich dann auch noch Pilze ansiedeln. Ein großes Problem für Bio-Landwirte.
    "Die ökonomischen Schäden an Kartoffeln allein in Niedersachsen haben sich über die Jahre jetzt kontinuierlich aufgebaut. Man sagt im Augenblick, dass etwa zwölf Prozent der Kartoffeln geschädigt sind. Das geht teilweise in die Hunderttausende, wenn die ganze Flächen verlieren. Viele Landwirte im organischen Bereich überlegen tatsächlich, ob sie noch weiter Kartoffeln anbauen können. Solche Verluste können die ein, zwei Jahre hinnehmen, und dann ist Schluss."
    Schädlinge gezielt in die Irre führen
    Doch jetzt scheint eine Lösung in Sicht. Und Stefan Vidal, Professor für Agrarentomologie an der Universität Göttingen, arbeitet mit daran. In einem EU-Projekt, bei dem der Insektenkundler wissenschaftlicher Koordinator ist.
    Die Forscher haben ein Mittel gefunden, mit der auch Bio-Bauern die missliebigen Drahtwürmer bekämpfen können. Ihre Methode nennen sie "attract and kill", also: anlocken und um die Ecke bringen. Stefan Vidal stellte das Ganze jetzt in Mainz vor, auf einer Fachkonferenz über wirbellose Schadorganismen.
    Wachsende Wurzeln geben Kohlendioxid ab. Daran orientieren sich die Larven. Sie können erhöhte CO2-Konzentrationen im Boden erkennen und so die Kartoffelpflanzen aufspüren. Doch Vidal und seine Kollegen führen die Schädlinge gezielt in die Irre:
    "Indem wir Kapseln entwickelt haben, die CO2 abgeben. Die werden in den Boden eingebracht. Und wenn wir diese Kapseln dann kombinieren mit einer Substanz, die die Drahtwürmer abtötet, dann haben wir eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Käfer oder die Larven in diese Kapseln reinbeißen, damit diese Kill-Komponente aufnehmen und dann abgetötet werden."
    Die Kapseln sind kleine Mikrokosmen. Sie beherbergen zwei verschiedene Pilz-Arten. Zum einen Bierhefen, deren Stoffwechsel das Kohlendioxid produziert, also den Lockstoff für die Kartoffelschädlinge. Und zum anderen sogenannte entomopathogene Pilze. Sie können Insekten befallen und abtöten – in diesem Fall die Larven der Drahtwürmer.
    "... und dann produzieren diese Kapseln CO2 über einen Zeitraum von vielleicht drei Monaten. Der CO2-Gehalt, der ist dann höher als in der Umgebung, das heißt, man hat also eine konstante attraktive Wirkung."
    Erste Feldversuche auf Kartoffeläckern in Niedersachsen verliefen vielversprechend. Durch die CO2-Kapseln gingen die Fraßschäden durch Drahtwürmer laut Vidal stark zurück – von zwölf auf nur noch zwei Prozent.
    "Die Landwirte, die in den Genuss unserer Versuche gekommen sind, haben sofort gesagt: Das ist ja super! Macht das bloß weiter!"
    Zulassung noch nicht erfolgt
    Weiter machen auch die Forscher. Im Moment tüfteln sie an Kapseln, die Bauern gemeinsam mit Saatgut oder Dünger ausbringen können, also mit denselben Maschinen. Auch die verlockende Wirkung der Kapseln für die Ackerschädlinge lässt sich offenbar noch steigern, etwa durch den Zusatz bestimmter Zuckerverbindungen, die jetzt erprobt werden.
    "Von dem Produkt sind wir vollkommen überzeugt. Und wir glauben auch, dass es eine Effektivität gegen andere Organismen erreicht. Auch gegen zum Beispiel Schnakenlarven im Boden. Es kann auch gegen die Larven des Westlichen Maiswurzelbohres eingesetzt werden. Also, die Möglichkeiten des Einsatzes von attract and kill gehen weit über das hinaus, was wir jetzt hier diskutiert haben."
    Bleibt die Frage, wann Bio-Landwirten die CO2-Kapseln denn zur Verfügung stehen.
    Es handelt sich um ein neuartiges Mittel zur Schädlingsbekämpfung, das lebende Pilze enthält und natürlich eine Zulassung braucht. Andererseits breiten sich die Drahtwurm-Larven weiter aus, und immer mehr Biokartoffel-Bauern kriegen große Probleme. Stefan Vidal kann sich deshalb vorstellen, dass die Kapseln mit den Schädlingskillern vielleicht schon in zwei Jahren vermarktet werden können.