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Schätze aus Mittelamerika in New York
Alles Gold, was glänzt

Neue Funde zeigen, was die frühen Hochkulturen Amerikas unter Luxus verstanden haben: Federn und Gold, Jade und Textilien, jede Preziose mit einem Funken der Götter. Im New Yorker Metropolitan Museum sind jetzt wertvolle Schätze der goldenen Königreiche zu sehen.

Von Sacha Verna | 06.03.2018
    Büste des Feuergottes Xiuhtecuhtli der Azteken
    Büste eines Feuergottes der Azteken (imago stock&people / Werner Forman )
    Glöckchen aus Gold in Form von Schildkröten, Affen und Eulen. Eine handgroße Figur aus 22 Gold- und Silberplättchen, die durch ein Schneckenhorn bläst und einst mit halluzinogenen Drogen zum Einatmen gefüllt wurde. Goldene Brustschilder mit Intarsien aus Perlmutt, goldene Helme, goldene Bestien mit Hinterteilen aus Smaragd: Es funkelt und glänzt in den Vitrinen dieser Ausstellung mit Kunst aus dem präkolumbianischen Amerika. Und das grenzt an ein Wunder.
    Denn als mit der Ankunft der Spanier im 16. Jahrhundert der Niedergang der indigenen Hochkulturen begann, galt das Hauptinteresse der Eroberer diesem gelben Metall. Sie plünderten Paläste und Grabstätten, schmolzen die Schätze ein und transportierten sie nach Europa. Es sind so wenige dieser Kostbarkeiten erhalten geblieben, dass man noch vor 30 Jahren annahm, die Kunst Mesoamerikas beschränke sich auf Stein und Keramik. Erst jüngere Ausgrabungen haben diese Auffassung korrigiert und Schlüsse über die Funktion von Edelmetallen und von Wertgegenständen in diesen frühen Zivilisationen erlaubt. Kuratorin Joanne Pillsbury:
    "Materialien dienten der Beschwörung des Göttlichen"
    "Diese Materialien dienten der Beschwörung des Göttlichen. Man hielt sie für lebendig. Sie spielten eine entscheidende Rolle, wenn es darum ging, Macht zu erhalten und Ideen durchzusetzen. Aber noch wichtiger war, dass sie den Menschen auf ganz existentieller Ebene ein Gefühl für ihren Platz im Universum vermittelten."
    Die Ausstellung im New Yorker Metropolitan Museum umfasst die Zeit von 1000 vor Christus bis ins 16. Jahrhundert und ein Gebiet, das vom heutigen Peru bis nach Mexiko reicht.
    Deutlich wird, dass jede Zivilisation über ein eigenes Wertsystem verfügte. Die Olmeken und die Mayas zum Beispiel schätzten Jade weit mehr als Gold. Eine zeremonielle Axt aus dem siebten Jahrhundert vor Christus hat die Gestalt eines übernatürlichen Wesens und macht in ihrem schimmernden Grün jedem goldenen Pendant Konkurrenz. Die Inkas wiederum liebten Federn und Textilien. So sind hunderttausende Ara-Federn zu einem blau-gelben Behang zusammengeknüpft, der ums siebte Jahrhundert die Wand im Saal einer Königstochter geziert haben könnte. Zur feingearbeiteten Figur eines daumengroßen Kindes gehören eine winzige bunte Tunika aus Naturfasern, ein Säcklein und eine Hülle. Weniger schön ist die Vorstellung, dass es sich dabei vermutlich um Grabbeigaben von Kindern handelt, die die Inkas rituell opferten, um ihr Reich zu vergrößern.
    "Luxusobjekte waren klein, leicht und wertvoll"
    Reisen waren wichtig, ob solche ins Jenseits oder zu benachbarten Völkern, mit denen es zu handeln oder die es zu beeindrucken galt. Stets wurden Preziosen mitgenommen. Joanne Pillsbury:
    "Luxusobjekte waren per Definition klein und leicht, aber wertvoll. Sie konnten sie über weite Strecken transportiert werden. Und so wurden mit ihrer Hilfe auch Ideen und Traditionen über Kilometer und Zeitalter hinweg ausgetauscht."
    Die Welten, in denen diese Ideen und Traditionen gediehen, haben nicht überlebt. Der Blick in die Schatzkammern, den wir dank dieser New Yorker Ausstellung erhaschen können, lässt erahnen, was mit diesen Welten unterging.