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Schattenseiten des Goldabbaus

In der siebenbürgischen Region Rosia Montana werden die größten Gold- und Silbervorkommen Europas vermutet. Die Lizenz zum Abbau besitzt ein kanadisch-rumänischer Konzern, der mit vielen neuen Jobs lockt. Verschweigen will man allerdings die Risiken für Mensch und Umwelt.

Von Annett Müller | 31.10.2013
    Das Wochenende klingt bei Stefan Munteanu zurzeit so. Der 29-Jährige führt für gewöhnlich Touristen durch die Innenstadt von Bukarest. Jetzt aber kommt er Sonntags aus einem anderen Grund ins Stadtzentrum. Munteanu protestiert dort mit Tausenden anderen gegen den geplanten Goldabbau im siebenbürgischen Rosia Montana, der womöglich größten Gold- und Silberlagerstätte Europas:

    "Für uns ist Rosia Montana ein Symbol für vieles. Es steht für eine mögliche Umweltzerstörung, für Korruption und ganz besonders für Politiker, die lügen. Sie gehen ganz dreist vor: An einem Tag sagen sie das, am nächsten behaupten sie das Gegenteil."

    So auch Premier Victor Ponta. Als Oppositionsführer der Linken wetterte er im vorigen Jahr noch gegen die Goldgewinnung, auf die ein kanadisch-rumänischer Konzern drängt, der schon die Lizenz zum Abbau besitzt. Als Regierungschef eines krisengeschüttelten Landes sieht Ponta die Welt jetzt anders. Mit seinem Kabinett billigte er Ende August das Gold-Projekt, bei dem Rumänien aber nur sechs Prozent vom Gewinn einstreichen würde. Das letzte Wort hat das Parlament, in dem die Ponta-Regierung jedoch die absolute Mehrheit besitzt. Widerstand ausgeschlossen - doch kommt der jetzt von der Straße und jungen Leuten wie Stefan Munteanu.
    Munteanu befürchtet eine gewaltige Umweltzerstörung, denn nach dem Goldabbau würde ein riesiges Auffangbecken zurückbleiben, mit einer giftigen, zyanidhaltigen Lauge. Ein Passant, mit dem Munteanu unterhält, sieht das anders und kontert: Wichtiger seien die Jobs, die der Konzern verspreche. Die Rumänen sind beim Projekt tief gespalten:

    "Ich hoffe, wir werden noch einige Leute über die Nachteile des Projekts aufklären können. Aber es ist sehr schwer, Ansichten zu ändern, die die Menschen täglich im Fernsehen serviert bekommen und die sehr einseitig sind."

    Rund um die Uhr liefen zuletzt auf allen Fernsehkanälen Spots wie diese, wo der Investor Rosia Montana Gold Corporation rund Tausend Jobs verspricht. Berichte über die Schattenseiten des Goldabbaus gibt es nur selten, denn der Konzern hat sich mit millionenschwerer Werbung das Wohlwollen der etablierten Medien erkauft, meint Medienexperte Mircea Toma:

    "Der Hunger nach dieser Werbung ist riesig. Denn viele Medien stecken bei uns in einer Finanzkrise, für viel Geld tun sie alles. Ein Erfolg der Demonstranten ist jetzt, dass sie die jahrelange Informationsblockade aufbrechen konnten."
    Nicht in den etablierten, sondern in den virtuellen Medien herrscht dieser Tage eine wahre Informationsflut über Rosia Montana. In Blogs berichten Journalisten von Verstrickungen hochrangiger Politiker mit dem kanadisch-rumänischen Goldkonzern. So hat das Unternehmen beispielsweise seine Tagebau-Lizenz gratis und ohne Ausschreibung vom Staat bekommen. Im Gegenzug spendiert der Konzern Regierungsvertretern Konferenzreisen.

    "Es hat bei allen Investitionen in Rumänien Unrechtmäßigkeiten gegeben, nur blieb vieles im Dunkeln. Bei Rosia Montana ist das anders. Noch nie ist ein umstrittenes Projekt so offengelegt worden wie dieses. Und das alles Dank der Proteste auf der Straße,"

    sagt Radu Ciorniciuc. Der 26-jährige Journalist hat als einziger seiner Branche genau die 19 Parlamentarier angerufen, die derzeit in einer Sonderkommission über den geplanten Goldabbau beraten. Von ihrem Urteil hängt ab, wie es mit dem Gesetzesprojekt im November weitergeht. Ciorniciuc weiß, dass bisher eine Mehrheit in der Kommission für den Goldabbau ist. Waren damit all die Proteste vergeblich? Nein, meint der Blogger:

    "Das Gesetz ist für unsere Politiker ein Stück Knete, das sie sich zurechtbiegen, damit sie davon profitieren. Beim Rosia-Montana-Projekt fürchten sie sich jetzt, so nonchalant damit umzugehen. Es ist wunderbar: Unsere Politiker haben es erstmals mit einer echten Opposition zu tun, die auf der Straße ist und nicht im Parlament."