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Schatzkammer für Wissenschaftler

Biologie. - Reis gilt als das wichtigste Grundnahrungsmittel der Welt. Auf den Philippinen arbeiten Forscher aus aller Welt an der Weiterentwicklung von Reis und den Anbautechniken – beim Internationalen Reisforschungsinstitut – kurz IRRI. Hier steht auch die größte Sammlung von Reiskörnern, eine tiefgekühlte Datenbank von 50 Tonnen Reis, über 100 000 verschiedene Reistypen.

Von Ruth Reichstein | 07.05.2009
    Bevor Ruaraidh Sackville-Hamilton seine Schatzkammer betritt, zieht er sich eine dicke Daunenjacke über. Den Reißverschluss zieht er bis ganz nach oben bis kurz vor den Mund. Denn der Arbeitsplatz des britischen Biologen ist kalt, eiskalt: Minus 3 bis Minus 19 Grad sind es hinter der schweren Eisentür.

    "Der Raum ist erdbeben- und bombengesichert. Man sagt uns immer, dass wir hier drin sogar überleben würden, wenn ein amerikanisches Atom-U-Boot im Hafen von Manila einen Unfall hätte. Nur ein Ausbruch des zehn Kilometer entfernten Vulkans würde den Panzer vermutlich zerstören."

    Hamilton ist der Wächter über den Schatz des Internationalen Reisforschungsinstituts auf den Philippinen, die Gendatenbank, die nahezu alle Reissorten dieser Welt konserviert. Hamilton:

    "Das ist eine große Herausforderung. Früher gab es unglaublich viele verschiedene Sorten. Die Biologen haben dann ein, zwei Sorten entwickelt, die einen höheren Ertrag haben. Die Beste heißt IR 49. Und die sind dann überall auf der Welt angepflanzt worden. Es gibt dabei natürlich ein Risiko – wenn zum Beispiel eine neue Krankheit auftaucht, dann kann sie die ganze Ernte vernichten. Wir müssen den Reis also ständig weiter entwickeln. Und die Gene für die Züchtung, die bekommen wir von den traditionellen Sorten. Deshalb hat IRRI von Anfang an alle traditionellen Sorten gesammelt."

    Ruaraidh Sackville Hamilton öffnet die riesige Tür und sofort wabert kalte Luft aus dem Raum. Hier lagert Reis aus allen Teilen der Welt wie in einer riesigen Kühltruhe. Jeweils ein halbes Kilo Körner sind in die Aluminium-Tütchen verpackt und stehen in Eisenkästen in riesigen Regalen aufgereiht. In der UN-Konvention über Biodiversität, die 1993 verabschiedet worden ist, haben sich alle UN-Mitgliedsländer darauf verständigt, dass Nutzpflanzen Eigentum der Länder sind. Sprich: Möchte ein Bauer seine Sorte auf die Philippinen schicken, muss seine Regierung zustimmen. China, Indien und einige lateinamerikanische Länder verweigern diese Erlaubnis. Ihr Reis fehlt in den IRRI-Archiven. Aber oft sind es gerade diese Archiv-Bestände, die ganze Regionen vor Hunger bewahren. Hamilton mit einem Beispiel:

    "In Kambodscha gab es viele verschiedene Sorten Reis. Die Rebellen haben während des Bürgerkriegs nahezu alle Felder zerstört und am Ende des Krieges hatte das Land keinen Reis mehr. Aber weil wir hier alle Sorten eingelagert hatten, konnten wir ihre traditionelle Landwirtschaft wieder herstellen. Es gibt viele Fälle, in denen uns ein Land Reis geschickt hat und ihn dann aus was für Gründen auch immer verloren hat. Diese Länder haben ihn dann von uns zurückbekommen."

    Solche Anfragen bleiben aber die Ausnahme. Meistens sind es Forscher, die Reiskörner für ihre Züchtungen brauchen. Hamilton:

    "Eine einfache Anfrage ist: Jemand hat einen Artikel über eine bestimmte Sorte gelesen und er will diese Sorte haben. Aber im letzten Jahr hatten wir zum Beispiel eine Anfrage von einem Züchter, der Reis in den Hochlagen von Äthiopien züchten wolle. Was machen sie da? Wir haben da nie etwas getestet. Wir wissen nicht, welche Sorten da am besten passen würden. Wir schauen uns dann an, wie da die Wetterlage ist und so und dann wählen wir ein paar Sorten aus, die am ehesten in Frage kommen. Im schlimmsten Fall schicken wir einfach ein paar Tausend Sorten – möglichst verschiedene – in der Hoffnung, dass die Züchter etwas finden, was ihnen weiter hilft."

    Alle Sorten, die hier lagern, sind in einer riesigen Datenbank erfasst. Dort halten Hamilton und seine Kollegen die Eigenschaften der Reissorten fest, zum Beispiel wie lang die Blätter sind und wie die Körner aussehen und was für Wetter sie bevorzugen. Nach und nach sollen alle Gene der Reissorten analysiert und ausgewertet werden, um die Anfragen präziser beantworten zu können. Der Biologe ist vor einem Regal stehen geblieben und schaut sich um in seiner riesigen Tiefkühltruhe.

    "Was mir besonders gefällt ist: Mit Hilfe unserer Schatzkammer können Wissenschaftler in die Zukunft schauen und besser gegen Hunger kämpfen. Unsere Arbeit hier hat einen Sinn, es ist nicht einfach nur ein Museum."