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Schatzsuche in Brandenburg

Für ihren aktuellen Roman ließ sich Beate Dölling vom Landleben in ihrer neuen Heimat Brandenburg inspirieren. Es geht um die nicht immer einfache Beziehung zwischen Oma, Mutter und Tochter und um einen Schatz, den die Großmutter zu Beginn des Krieges in ihrem Garten verbuddelt hat. Lebenskrisen und Probleme handelt die Autorin nicht sauertöpfisch ab, sondern schildert sie auf humorvolle Weise.

Von Martina Wehlte-Höschele | 20.08.2005
    Weiße Dauerwellen, eine Kittelschürze und karierte Hauslatschen: So eine Oma hatte ich auch! Sie war nicht ganz so schrullig, aber vom selben Kaliber wie Karlas Oma Hedwig. Ein warmherziges Lächeln im Gesicht, war sie doch eine eigenwillige Person, die wie Hedwig am ehesten ihrer Enkelin nachgab und sich am wenigsten von ihrer Tochter dreinreden ließ. Und auch sie war mit ihren fast achtzig Jahren ein wenig wackelig auf den Beinen geworden und recht hutzelig, mit Pelikanfalten am Hals, wie es Beate Dölling mit einem Augenzwinkern an der Hedwig in ihrem neuesten Jugendroman beschreibt.

    Beate Dölling lebt seit acht Jahren im Brandenburgischen und ließ sich für ihre beiden letzten Bücher "Zwei sind eine Bande" und das aktuelle "Kaninchen bringen Glück" vom Landleben in ihrer neuen Heimat inspirieren. Die Geschichte um die zehnjährige Karla und deren Oma Hedwig spielt in Peine bei Hildesheim, wo Karla, deren Eltern sich im Streit getrennt haben, die restlichen Sommerferien verbringt. Oma lebt in ihrer eigenen Welt zwischen Küche und Fernsehsessel, Kaninchenstall und verwildertem Erdbeerbeet. Das einzige, was sie in ihrer dörflichen Idylle von Zeit zu Zeit umtreibt, ist die Suche nach einem Schatz, den sie zu Beginn des Krieges vergraben hatte und nach dem sie seither unzählige Male vergeblich gebuddelt hat. Alle belächeln die Oma, nur Karla glaubt an den Schatz und will ihn endlich finden. Sie ist die ideale Verbündete für Hedwig, deren Generation nichts mit den wohlsituierten weltgereisten Rentnern späterer Jahrgänge gemein hat. Als junges Mädel hatten diese Frauen nicht geahnt, dass sie von ihren Jugendträumen und -hoffnungen ein Leben lang zehren müssten, weil der Krieg alles zunichte machen würde. Sie trugen ihr Geheimnis mit sich, ihre große Liebe -, die von der Front nicht mehr zurückkam oder nach Jahren als ein ganz anderer aus Gefangenschaft heimkehrte. Karl-Heinz Rübenstrunk war Oma Hedwigs große Liebe gewesen, der Mann vor Opa. Mit Opa arrangierte sich Hedwig dann nach dem Krieg, er wurde der Vater ihrer beiden Töchter: Franziska, der ordentlichen Schülerin, später eleganten Chefsekretärin, und Ines, die ihren Schreibtisch vermalte, zweimal sitzen blieb und für Jimi Hendrix schwärmte. Sie ist Karlas Mutter, kurz über vierzig, Musikerin in Berlin, und sie versucht mit einer Tournee gerade ein Comeback. Deshalb bringt sie Karla für vier Wochen zu ihrer Mutter. Das delikate Verhältnis zwischen Mutter und Tochter wird bei der Ankunft in Peine auf köstliche Weise deutlich:

    "Die Mama gibt ihr ein Begrüßungsküsschen auf die Wange. Sie gehen ins Haus. "So, so", sagt die Oma zur Mutter. "Und ab morgen klambüserst du wieder durch die Gegend?" "Ich klambüser nicht", sagt Mama, jede Silbe betonend, "ich bin auf Tournee." "Mein ich ja", sagt die Oma. "Na, hoffentlich wird das was." "Warum soll das nichts werden?", sagt Mama und bekommt Stirnrunzeln. Sie nimmt eins von den selbst gebackenen Plätzchen, beißt einmal rein, verzieht den Mund und legt es auf die Untertasse. "Na, ich mein ja nur", sagt die Oma."

    Zugegeben, das ist ein kleines bisschen dick aufgetragen, fast parodistisch, aber das insgesamt angespannte Verhältnis zwischen den beiden Frauen ist hier so zugespitzt, dass die Leserin befreit auflachen kann. Hierzu die Autorin:

    "Die Mutter, die ihr Leben als Musikerin und auch als Frau frei leben kann und frei selbst bestimmen kann, steht natürlich in einem großen Konflikt zu der Oma, die ihr Leben nie frei selbst bestimmen konnte; durch den Krieg nicht und durch die moralischen Zwänge nicht, die ja sehr weit nachgewirkt haben in dieser Generation. Und das knallt natürlich."

    Von Hedwigs Liebe zu Karl-Heinz wusste niemand, bis sie es Karla anvertraut, dass sie mit ihm verlobt war und den Schatz mit ihm verbuddelt hatte, bevor er eingezogen wurde und dann nicht mehr zurückkam. Mit dem Schatz verbinden sich verdrängte Erinnerungen, deshalb ist er so wichtig für die alte Frau, die von den Kriegserlebnissen traumatisiert ist und den Verlust ihres Jugendfreundes nie verwunden hat. Ein ernstes Thema, ebenso ernst wie die gescheiterte Beziehung von Karlas Eltern, mit der eine Familie auseinanderbricht. Trotzdem ist "Kaninchen bringen Glück" ein heiteres Sommerbuch, denn Beate Dölling handelt diese Lebenskrisen und Probleme nicht sauertöpfisch ab, sondern schildert sie auf sehr humorvolle Weise, ohne Scheu vor Situationskomik und liebevoll überzeichneten Typen.

    "Die Personen werden selbständig, und dann muss ich schon ein bisschen aufpassen, dass sie nicht zu selbständig werden, weil das müssen wir sonst hinterher alles wieder rausstreichen, also manchmal gehen sie mir ein bisschen durch."

    Das war sicher bei Hedwig der Fall, die der Hauptfigur Karla manchmal geradezu die Schau stiehlt. Karla aber treibt das Geschehen voran, sie ist die Aktive, "ein tolles Mädchen", wie der alte Bernhard einmal sagt. Bernhard ist einsam, seine Frau ist schon lange tot und er möchte jemanden, der ihn ein bisschen umsorgt und vor allem, den er umsorgen kann. Das soll die etwas kratzbürstige Hedwig sein, zu der Karla die Fäden spinnt. Dass uns das Ineinander von Vergangenheit und Gegenwart, die Gewissenskonflikte und familiären Verstrickungen beim Lesen zum lebendigen Erlebnis werden, macht nicht zuletzt Beate Döllings souveräner Wechsel von sagte zu sagt und hat gesagt in der erzählten Zeit aus.

    "Mir ist es immer wichtig, dass etwas das ganz wichtig und nah ist im Text, auch durch das Präsens einfach noch näher kommt, das könnt ich also überhaupt nicht in der Vergangenheit schreiben. Die erzählerische Ebene kann ich sehr gut in die Vergangenheit setzen, um die wichtigen Ereignisse näher ranzuholen, brauch ich unbedingt das Präsens. Bei diesem Buch habe ich das durchgehend so gemacht."

    Ja, und den Schluss hat sie sich in Art von Rosamunde Pilcher ausgedacht. Oma Hedwig will alle zu einem Flug nach Jamaica einladen - Friede, Freude, Eierkuchen! Die Idee und die Entwicklung, die dahinter steht, ist, dass jeder seinen Partner findet, seine Liebschaft, und damit eigentlich rundum glücklich und zufrieden ist und sich dann auch den anderen Personen um sich herum wieder öffnen kann. So ist das bei allen: bei Karlas Vater mit seiner Marita, aber auch bei der Mutter, die eine Beziehung mit dem jüngeren Calypso aus ihrer Band eingegangen und nun gegenüber ihrem Exmann wie gegenüber ihrer Mutter wesentlich versöhnlicher ist; schließlich bei Oma Hedwig im Auffinden des Schatzes, also in der Wiederbegegnung mit ihrer verflossenen Liebe.

    "Plus Bernhard, der ja sehr praktisch ist, wenn er in der Nähe ist und ihr nicht zu nahe kommt. Ja, also dieses Ende, es war für mich nichts anderes möglich. Die Vorstellung, dieses ganze Personal auf Jamaica zu etablieren, das ist ja unglaublich, wer möchte da schon freiwillig mit, außer Oma vielleicht und Karla. Für die Mutter ist das eher ein Alptraum. Das Ende bleibt ja offen, ob die nun fahren oder nicht, das ist ja auch ein bisschen ein Gag, man nimmt’s vielleicht nicht so ernst."

    Was in der Schatzkiste ist, wird natürlich nicht verraten, auch nicht, was es mit dem Kaninchen auf sich hat, nur eins: es stimmt wohl tatsächlich, Kaninchen bringen Glück.

    Beate Dölling: Kaninchen bringen Glück.
    Roman ab 10 Jahren.
    Mit Vignetten von Claudia Weikert.
    Geb. 191 S. Weinheim/Basel (Beltz und Gelberg) 2005.
    Preis: 12,90 €.