150. Geburtstag von Theodor Wolff

Leuchtendes Beispiel für kritischen Journalismus

Eine Porträtaufnahme von dem Berliner Publizisten, Schrifsteller und Kritiker Theodor Wolff
Seine Kollegen nannten Theodor Wolff, den Chefredakteur des "Berliner Tageblatt", den "letzten Gentleman" . © picture-alliance / akg-images
Von Wolfgang Stenke · 02.08.2018
Linksliberaler Demokrat, Kosmopolit, Freund der modernen Künste und Jude: Der Publizist Theodor Wolff verkörperte alles, was die Nazis hassten. Der Chefredakteur des "Berliner Tageblatt" kritisierte die NS-Bewegung - und bezahlte das mit seinem Leben.
"Gegen volksfremden Journalismus demokratisch-jüdischer Prägung, für verantwortungsbewusste Mitarbeit am Werk des nationalen Aufbaus: Ich übergebe dem Feuer die Schriften des Theodor Wolff und des Georg Bernhard!"
Als nationalsozialistische Studenten und SA-Leute 1933 auf dem Berliner Opernplatz die Bücher ihnen verhasster Autoren in die Flammen warfen, bedachten sie auch den Journalisten Theodor Wolff mit einem ihrer "Feuersprüche". Der liberale Chefredakteur des "Berliner Tageblattes" sollte für seine Kritik an der NS-Bewegung büßen.
Schon 1930 hatte Theodor Wolff über den Nationalsozialismus geschrieben:
"Keine geschliffene Phrase, keine dunstige Ideologie kann darüber hinwegtäuschen, dass er mit seinem Geschrei nach umstürzender Gewalt und mit einer Rassenverhetzung die Rohheit, die Verblödung und die gemeinsten Pöbeltriebe anreizt und zu verbrecherischen Ausbrüchen treibt."
Theodor Wolff, geboren am 2. August 1868 in Berlin, verkörperte alles, was die Nazis hassten: Er war ein liberaler Demokrat und Kosmopolit, dazu ein Freund der modernen Künste. Und Theodor Wolff war Jude.

Ohne Abitur zur Zeitung

Wolffs Vater war als Tuchhändler in Berlin zu Wohlstand gekommen. Sohn Theodor besuchte das Königliche Wilhelms-Gymnasium, ging aber schon vor dem Abitur ab. Sein wesentlich älterer Vetter Rudolf Mosse, der eine Annoncen-Agentur zum Pressekonzern ausgebaut hatte, holte den 19-Jährigen zur Zeitung. Wolff verfasste nebenbei Bühnenstücke und schrieb für das "Berliner Tageblatt" Theaterkritiken und Reiseberichte.
1894 schickte die Zeitung den jungen Mann als Korrespondenten nach Paris. Dort kämpfte Émile Zola um die Rehabilitierung des jüdischen Hauptmanns Alfred Dreyfus, der rechtswidrig als deutscher Spion verurteilt und in eine Strafkolonie deportiert worden war. Theodor Wolff berichtete über das Verfahren:
"Das blinde Vorurteil hat gesiegt. Der Märtyrer von der Teufelsinsel ist ein zweites Mal verurtheilt worden, und ein zweites Mal steht ihm die Schmach der Degradation bevor."

Kritiker des preußisch-deutschen Militarismus

Die Pariser Jahre, in denen Theodor Wolff mit Rodin, Renoir und anderen Künstlern verkehrte, waren die schönste Zeit im Leben dieses Journalisten. 1906 holte Mosse ihn zurück nach Berlin. Wolff wurde Chefredakteur des "Berliner Tageblatt" - und blieb es bis 1933. Den "letzten Gentleman" nannten ihn die Kollegen. Unter seiner Ägide stieg die Auflage auf eine Viertelmillion. Politisch war Theodor Wolff ein entschiedener Kritiker des preußisch-deutschen Militarismus. Über den Kaiser schrieb er bei dessen Abdankung 1918:
"Wilhelm II. war nicht der alleinige Urheber, aber der Repräsentant einer aberwitzig kurzsichtigen, alle Kräfte und Ideen des Auslandes falsch einschätzenden Politik, und er war das Symbol einer Zeit und eines Geistes, der, in Machtbegehren und Selbstüberhebung, die Katastrophe herbeigeführt hat."

Vor den Nationalsozialisten floh er nach Frankreich

Im November 1918 gehörte Theodor Wolff zu den Gründern der linksliberalen Deutschen Demokatischen Partei. Die Redaktion seines "Berliner Tageblattes" nannten die Zeitgenossen die "Kerntruppe der Republik". Doch mit den Krisen der bedrohten Weimarer Demokratie geriet auch die Zeitung in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Es gab Streitigkeiten mit dem Verleger, der die kämpferische Haltung seiner Leute immer weniger billigte.
1933 musste Theodor Wolff vor den Nationalsozialisten fliehen und ging nach Frankreich ins Exil. Obwohl er sich politisch zurückhielt, bürgerten die Nazis ihn aus. Pläne für eine Emigration in die USA scheiterten nach der Niederlage Frankreichs 1940.

Verhaftung und Deportation ins KZ Sachsenhausen

1943 - Hitlers Verbündeter Mussolini hatte Teile Südfrankreichs besetzt - wurde Theodor Wolff in Nizza von italienischen Zivilpolizisten verhaftet. Helna Wolff, die Schwiegertochter des Journalisten, war Zeugin:
"Dann musste er weg mit diesen Italienern. Aber die waren so nett und haben gesagt: 'Machen Sie sich keine Sorgen, das ist nur für ganz wenig Zeit.' Die haben natürlich ganz genau gewusst, dass das nicht so war."

Die Italiener überstellten Theodor Wolff an die Deutschen, die ihn ins KZ Sachsenhausen deportierten. Dort erkrankte der 75-Jährige schwer. Er starb am 23. September 1943 im Jüdischen Krankenhaus in Berlin.
Stolperstein von Theodor Wolff in der Hiroshimastrasse in Berlin
Stolperstein von Theodor Wolff in der Hiroshimastrasse in Berlin © dpa / picture alliance / Arco Images
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