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Schauspiel
Bunte Shakespeare-Hommage mit kreuzblöden Fragen

Die "Bremer Shakespeare Company" ist ein Ensemble, das sich fast ausschließlich dem Werk von William Shakespeare verschrieben hat. Von Schauspielerinnen und Schauspielern, die die Nase voll hatten von der Routine der Stadt- und Staatstheater. Entsprechend wurde auch nicht mit einer Shakespeare-Inszenierung gefeiert, sondern mit dem Stück "Wie es Will gefällt" von Jessica Whale.

Michael Laages | 24.04.2014
    Die Schauspieler Tobias Dürr als Bruno und Ulrike Knospe als Bertha spielen bei der Hauptrobe zur Premiere der Shakespeare Company Bremen "Wie es Will gefällt" in Bremen.
    Schauspieler bei der Hauptrobe zur Premiere der Shakespeare Company Bremen "Wie es Will gefällt". (dpa / picture alliance / Carmen Jaspersen)
    Die Gäste werden nicht kommen. Die Royal Shakespeare Company (die angeblich in Bremen hätte gastieren sollen zum 450. Shakespeare-Geburtstag) ist entführt worden - von böswilligen Franzosen, die endlich den eigenen Hausgott Molière über Shakespeare gestellt sehen wollen. Das ist Teil 1 vom Plot in Jessica Whales Jubiläumsstück. Teil 2 geht so: Ein englischer Shakespearologe macht gerade Urlaub in Bremen und springt ein; der Vortrag "Über Shakespeare. Leben und Werk" wird aber von Beginn an kreativ unterbrochen von Shakespeares Figuren.
    Jenseits dieser schon stark hanebüchenen Eröffnung erinnert die Methode von Jessica Whale dezent an einen der Boulevard-Hits früherer Jahre: "Shakespeares gesammelte Werke, leicht gekürzt" - das ist ein dramaturgischer Ulk, der in unter zwei Stunden möglichst viele Motive aus möglichst vielen Shakespeare-Stücken aneinander pappt. Bei Whale (und in der Inszenierung von Raz Shaw) tritt nach einem grob albernen Clowns-und-Rüpel-Spiel zweier Requisiteure, die den Vortrag des Fachmanns stören, quasi "Hamlet" gegen den "Sommernachtstraum" an: im Streit um den Ruhm des "besten Shakespeare-Stückes". Was ja an sich schon eine ziemlich dämliche Frage ist.
    Keine produktive Debatte über Mister Shakespeare
    Dann wird der populärste aller Nebenkriegsschauplätze eröffnet: der feministische ... eine Armada weiblicher Figuren tritt an zum Kampf um bessere, gewichtigere Rollen. Sie wollen nicht immer nur 21 Zeilen sprechen dürfen (wie Hamlets Ophelia) oder Opfer sein (wie Othellos Desdemona). Stimmt - wer nur die Statistik bemüht und sich auch sonst eher wenig um die politisch-historischen Umstände schert, unter denen der Dramatiker schrieb (und nicht umsonst so viele Frauen in Männer-, also Hosenrollen versteckte), der mag für einen miesen Macho halten; nennenswert produktiv ist die Debatte nicht.
    Im zweiten Teil dann liefern immerhin die Inkarnationen von Shakespeares Vorläufern ein bisschen Geschichte nach, jedenfalls mehr und Wesentlicheres als zuvor der demonstrativ versponnene Wissenschaftler. Der allerdings verwandelt sich im Finale in den "echten" Shakespeare - als ihn ein lautstarker Konkurrent herausfordert:
    "Er ist ein Nichts. Ein Imitator. Eine Laus im elisabethanischen Pelz ..." "Marlowe! Christopher Marlowe!" "Wer sonst?"
    Genau. Der junge Chris hatte dem jungen Will einst mit 15 die Freundin ausgespannt. Dafür wurde er vergessen - und dem damals abgemeldeten William rechnen jetzt die Anwälte vor, dass er dank der Tantiemen aus 450 Jahren heute eine Art Dagobert Duck wäre:
    "Ich bin ein Millionär..." "Sie sind der reichst Mann, der je gelebt hat!" "Reicher als Bill Gates?"
    Kreuzblöde Fragen
    Allemal. Und Will kriegt auch noch eine Torte aus der Requisite, samt Geburtstagsständchen...
    ... und die Mitgliederinnen und Mitglieder der Bremer Company beschreiben auch noch ganz privat, was dieser Shakespeare für jeden und jede ganz speziell bedeutet - eigentlich ist das der überzeugendste Moment in dem ansonsten sehr angestrengten und anstrengenden Spektakel.
    Irgendwie nämlich sind alle zugleich über- und unterfordert. Whales Text mischt mäßig animiert Heutiges und Gestriges, Shaws Inszenierung setzt auf einen Schelm gern anderthalbe. Der Plot zu Beginn ist auch darum gar nicht komisch, weil der Herr Professor (der sich im Finale als überzeitliches Geburtstagskind entpuppt) vor lauter fingiertem Lampenfieber sämtliche Pointen versiebt. Das Publikum (wie immer bei den Bremern irgendwann und irgendwie mit im Einsatz!) muss kreuzblöde Fragen beantworten - und das Ensemble überschätzt wie immer die eigenen Kräfte. Denn leider herrscht bei der Company die Ansicht vor, Shakespeare zu "können" sei genug. Das stimmt nun definitiv nicht; wenn's etwa um Komik geht, könnte ein bisschen Molière gar nicht schaden.
    Ob's wohl Will gefallen hätte? Schwer zu sagen. Shakespeare ist ja seit gestern nicht nur 450 Jahre alt, sondern zum Glück auch schon recht lange tot.