Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Schauspielerin Greta Garbo
Einsam und unnahbar

Sie war nie verheiratet, und ihr Privatleben schirmte sie so hermetisch ab wie heutige Hollywood-Größen: die schwedische Schauspielerin Greta Garbo. All das fügte sich mit ihrer unvergleichlichen, leuchtenden Schönheit zum "Mythos Garbo" zusammen. Vor 25 Jahren starb sie in New York.

Von Katja Nicodemus | 15.04.2015
    Die schwedisch-amerikanische Schauspielerin Greta Garbo trifft am 17.07.1946 in ihrem Heimatland Schweden ein.
    Die schwedisch-amerikanische Schauspielerin Greta Garbo 1946 in ihrem Heimatland Schweden (picture alliance / dpa / UPI)
    "I want to be alone!"
    "Where have you been. I suppose I cancel the other contract."
    "I just want to be alone!"
    Allein sein, nur allein sein will sie als Primaballerina in dem Film "Grand Hotel". In der Rolle der Künstlerin, die des Rampenlichts müde ist, sagt Greta Garbo diese Worte, die zum Motto ihres Lebens werden sollten.
    Zehn Jahre später wird einer der größten Stars, die das Kino je hervorgebracht hat, sich für immer vom Filmemachen zurückziehen. Da ist Greta Garbo gerade mal 36 Jahre alt und wird noch fast ein halbes Jahrhundert leben. Sie wollte endlich Mensch sein, endlich allein sein, sagte sie engen Freunden, und ihrer größten, unerbittlichsten Rivalin entfliehen: der Garbo, dem Mythos, der Unerreichbaren, der Göttlichen.
    Vielleicht waren ihr der eigene Mythos und der Rummel der großen Hollywoodstudios auch deshalb so suspekt, weil die Welt, aus der Greta Lovisa Gustafsson kam, eine ganz andere war. Am 18. September 1905 wurde sie in Stockholm geboren und wuchs in ärmlichsten Verhältnissen auf. Früh verlor sie ihren Vater, musste mit 14 Jahren die Schule verlassen, um als Friseurgehilfin die Familie mit zu ernähren. Zeitlebens empfand sie ihre mangelnde Bildung als Makel. Aber Schauspielerin – das wollte sie schon immer werden.
    Noch während ihrer hart erkämpften Ausbildung an der Akademie des Königlichen Dramatischen Theaters in Stockholm wird die siebzehnjährige Greta von ihrem Entdecker und Mentor, dem schwedischen Regisseur Mauritz Stiller, als Hauptdarstellerin eines Spielfilms engagiert: "Gösta Berlings Saga" nach Selma Lagerlöf. Ihre natürlich leuchtende Schönheit erregt die Aufmerksamkeit des amerikanischen Studiobosses Louis B. Mayer. Es ist der Beginn ihrer sagenhaften Filmkarriere. Und die Entstehung eines eigenen Stils: Mit dem Minimalismus ihres Spiels ist Garbo der oftmals übertriebenen Expressivität des Stummfilms weit voraus.
    Sie spielte Damen von Welt
    Sie spielt Femmes Fatales, Damen von Welt, elegante Liebende - doch ist sie mit diesen Figuren letztlich unglücklich. In "Anna Christie", ihrem ersten Tonfilm, merkt man ihr an, wie sehr sie es genießt, endlich eine bodenständige Frau zu darzustellen: eine ehemalige Prostituierte, die sich bei ihrem ersten Auftritt in einer Kneipe erst einmal mit schwerem schwedischen Akzent einen Whisky bestellt.
    "Gimme a whiskey, ginger ale on the side, and don't be stingy, baby."
    "Anna Christie" ist der erfolgreichste Film des Jahres 1930 und Greta Garbos triumphaler Übergang in die Ära des Tonfilms. Doch Produzenten und Publikum sehen sie weiterhin lieber in mondänen, exotischen, abgehobenen Rollen. Sie spielt Operndiven, unglückliche Adelige und die Spion Mata Hari. Sie ist "Königin Christine" und die schwindsüchtige Marguerite Gaultier in "Die Kameliendame".
    Der Garbo-Film wird zu einem eigenen Genre, in dem das Publikum nichts weiter erwartet als die Präsenz seines Stars. Diese geheimnisvoll übersteigerte Anwesenheit der Garbo brachte der Regisseur Clarence Brown, mit dem sie sieben Filme drehte, einmal wunderbar auf den Punkt:
    "Da war etwas in Garbos Augen, das man nicht sehen konnte, außer man drehte sie in Großaufnahme. Man konnte die Gedanken sehen. Wenn sie die eine Person eifersüchtig anschauen sollte und eine andere verliebt, brauchte sie ihren Ausdruck nicht zu verändern. Man konnte es in ihren Augen sehen, während sie vom einen zum anderen blickte. Für mich beginnt Garbo dort, wo alle anderen enden."
    Es gehört zu Greta Garbos Tragik, dass sie fast ausschließlich in mittelmäßigen bis schlechten Filmen spielte – was ihre Aura der Einsamkeit, ihre mythische Erscheinung auf der Leinwand aber wiederum verstärkte.
    Erst in ihrem vorletzten Film, Ernst Lubitschs "Ninotschka", konnte sie - unterstützt von Drehbuchautoren wie Billy Wilder und Charles Brackett - zeigen, dass sie sogar das schwierigste Fach, die Komödie, beherrschte. In der Rolle der linientreuen Kommunistin Ninotschka Yakushova zeigte sie den Kameraden schon bei ihrer Ankunft am Bahnhof, wo es lang geht.
    "What a charming Idea from Moscow to surprise us with a lady comrade!"
    "We would have surprised you with flowers."
    "Don't make an issue of my womanhood!"
    Nach "Ninotschka" drehte Greta Garbo 1942 noch "Die Frau mit den zwei Gesichtern" -eine misslungene Komödie mit George Cukor. Es war ihr letzter Film. Bis zu ihrem Tod am 15. April 1990 wird sie nie wieder in der Öffentlichkeit erscheinen.
    Späte Paparazzi-Fotos zeigen eine etwa siebzigjährige Frau mit großer dunkler Sonnenbrille. Energischen Schrittes läuft sie durch New York. Und während das Kameraobjektiv immer noch den Mythos Garbo sucht, kann man ganz genau sehen, dass zumindest Greta Gustaffson ihn hinter sich gelassen hat.