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Schauspielhaus-Neubau bitte überdenken!

Die baulichen Zukunftspläne für das Opern- und Schauspielhaus in Köln noch mal überdenken, das fordert Jörg Jung, Mitglied der Initiative "Köln kann auch anders". Kölns Schauspielchefin Karin Beier habe recht, wenn sie Investitionen in einen Neubau angesichts eines dramatisch sinkenden Kulturetats infrage stelle.

Jörg Jung im Gespräch mit Beatrix Novy | 12.12.2009
    Beatrix Novy: In Köln, in Sichtweite des Theaters mit Opern- und Schauspielhaus, sieht man auf dem Flachdach eines schlichten Gebäudes einen überdimensionalen Schriftzug, der heißt: "Liebe deine Stadt". Das muss man ja eigentlich den Kölnern, die sich ja immerzu in den Armen liegen, nicht zwei Mal sagen, aber es gibt Unterschiede. Generell nicht so geliebt ist die Wiederaufbauarchitektur. Das erwähnte Theaterensemble von Wilhelm Riphahn zum Beispiel steht zwar unglücklich an der Stadtautobahn und zwischen verwahrlosten Straßen, aber dafür kann es nichts. Trotzdem soll es nicht erhalten bleiben, das Schauspielhaus. Bis dato steht die Planung so: Das Schauspielhaus von 1962 soll weg, ein großer Neubau soll es ersetzen, das etwas ältere Opernhaus soll bleiben und saniert werden. Jetzt hat aber vor Kurzem Kölns Schauspielchefin Karin Beier – die, nebenbei bemerkt, das Schauspiel nach Jahren der Tristesse wieder hochgebracht hat – den dringenden Vorschlag gemacht, das Haus zu erhalten, das Schauspielhaus. Mein Kollege Jörg Jung ist Mitglieder der Initiative "Köln kann auch anders", das ist eine Initiative gegen Klüngel, Korruption und Schlendrian. Herr Jung, bitte ganz kurz: Warum will Karin Baier das jetzt plötzlich?

    Jörg Jung: Sie will es nicht plötzlich, sie war eigentlich nie eine Freundin des Neubaus, nur: Als sie den Vertrag unterzeichnet hatte, war der Neubau schon beschlossene Sache und sie hatte da keine Chance, da noch etwas anderes zu machen. Dann hatte sich aber ergeben, dass der Neubau viel, viel teurer wurde, als er eigentlich geplant war. Er sollte nämlich 230 Millionen Euro kosten ursprünglich, jetzt hatte man errechnet, dass er 360 Millionen Euro kosten würde, und da hatte der damalige Oberbürgermeister Fritz Schramma dann einen Planungsstop verfügt. Und als dann die Diskussion um auch noch die Senkungen im Kulturetat kam und Karin Baier gewärtigen musste, dass die Bühnen 6,3 Millionen Euro weniger bekommen sollten in Zukunft, hat sie gesagt: Leute, das kann doch nun wirklich nicht sein, dass wir auf der einen Seite 300 Millionen Euro für einen Neubau bezahlen und auf der anderen Seite die künstlerische Arbeit nicht mehr unterstützen können.

    Novy: Es hat aber in der Diskussion ja immer geheißen, das alte Schauspielhaus war so heruntergekommen, dass es nicht mehr möglich ist, die für einen modernen Bühnenbetrieb notwendige Infrastruktur unterzubringen.

    Jung: Das ist das Problem der Stadt Köln, das wird es auch in Zukunft sein, weil die Stadt Köln immer, wenn sie etwas baut, groß ist und danach die Pflege dieser Bauten nicht betreibt. Sowohl Oper als auch Schauspiel haben einen Sanierungsstau seit Jahrzehnten. Da wurde nie etwas gemacht und so war dann die Situation, dass man dachte, okay, kommt, Leute, lasst uns jetzt wirklich einen Neubau bauen, weil wir ein Problem lösen können, das in Köln tatsächlich besteht: dass unterschiedliche Betriebseinrichtungen der Bühnen an unterschiedlichen Orten in der Stadt verteilt sind. Die wollte man in diesem Neubau zusammenfassen. Jetzt ist es aber so, dass der Neubau mit seinen 360 Millionen so nicht gebaut werden soll und eine Beschlussvorlage in der nächsten Woche im Rat verabschiedet werden soll, wonach ein Neubau, ein abgespeckter Neubau realisiert werden soll mit einem Kostendeckel von 295 Millionen, wobei dann aber eben nicht mehr alle Betriebseinrichtungen an einem Ort sind, sondern Produktionszentrum und Ähnliches an ihrem alten Ort verbleiben. Und dann fragt man sich natürlich: Was soll das alles noch?

    Novy: Also, die Prämisse fällt weg. Ist dann überhaupt noch dieser Unterschied – von wir sanieren ... wir reißen das eine ab und wir sanieren das andere – überhaupt noch sinnvoll?

    Jung: Der Unterschied ist sogar sehr sinnvoll. Die Verwaltung hat sich leider voreilig festgelegt und behauptet, dass die Sanierung relativ ähnlich viel kosten würde, nämlich 256 Millionen – immerhin noch 30 Millionen weniger, ich finde, das sind keine Peanuts – und darüber hinaus das alles auf einer sehr, sehr wirklich dubiosen Kostenschätzung, die also in keinem Wirtschaftsbetrieb standhalten würde. Darüber hinaus wird vergessen, dass vor fünf Jahren die Stadt eine sehr deutliche Kostenprüfung über die Sanierung durchgeführt hat. Da wurde ein Unternehmen beauftragt, hat richtig Geld dafür bekommen und hat sehr genau den Zustand von Schauspielhaus und Oper analysiert, und ist auf ein Kostenvolumen gekommen vor fünf Jahren von 142 Millionen Euro für die komplette Sanierung inklusive zusätzlicher Bühnenräume und anderer Gebäudeteile. Dieses Gutachten ist offensichtlich völlig vergessen worden und wird überhaupt nicht mehr diskutiert, es ist nicht zu verstehen, warum.

    Novy: Wäre nicht im Fall Köln auch die Gestaltung des Außenraums etwas sehr Wichtiges?

    Jung: Das ist sogar zentral wichtig. Es wird immer behauptet, mit diesem Neubau würde ein Stück Stadtreparatur erreicht werden können. Das ist natürlich Unsinn, weil Wilhelm Riphahn ja dieses Ensemble als Ensemble mit Oper und Schauspielhaus gemeinsam geplant hat, schon von Anfang an, auch, wenn das Schauspielhaus Jahre später, nach der Oper, überhaupt entstanden wurde. Architekten wie zum Beispiel Peter Zumthor haben eindeutig gesagt: Mein Gott, überall sonst in der Welt würde man uns um so ein Ensemble beneiden! Warum man so etwas jetzt zerstören soll, ist eigentlich wirklich uneinsichtig. Man sollte vielleicht wirklich der Stadt den Rat geben, die Frage der Sanierung der Oper von der Frage der Sanierung des Schauspielhauses zu entkoppeln, denn Herr Laufenberg, der Intendant der Oper, hat die Sorge, dass, wenn jetzt noch mal eine Diskussion kommt, ein Zeitverzug stattfindet. Saniert werden muss sowieso – mit der Oper beginnen, beim Schauspielhaus bitte noch mal nachdenken.

    Novy: Jörg Jung, vielen Dank für dieses Gespräch! Köln und sein Schauspiel und seine Oper.