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Schick: Nur ein drastischer Sparkurs hat keinen Erfolg

Bevor die Grünen dem Fiskalpakt zustimmen, fordern sie einen Schuldentilgungsfonds. Für das Gelingen des Schuldenabbaus in der EU sei dieser Fonds eine Voraussetzung, sagt Grünen-Politiker Gerhard. Außerdem sei es wichtig, gezielt mit Investitionen die wirtschaftliche Abwärtsbewegung in Europa zu stoppen.

Gerhard Schick im Gespräch mit Christiane Kaess | 14.06.2012
    Christiane Kaess: Seit drei Wochen verhandelt die schwarz-gelbe Koalition mit SPD und Grünen über die Bedingungen, unter denen die Opposition dem Europäischen Fiskalpakt zustimmen will. Gestern haben sich beide Seiten weiter angenähert, wichtige Streitfragen sind aber noch ungelöst. Mein Kollege Gerd Breker hat gestern Abend mit Gerhard Schick gesprochen, der ist der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, die Grünen haben in den Verhandlungen zum Fiskalpakt noch eine Forderung gestellt. Sie wollen neben der Finanzmarktsteuer einen Altschuldenfonds einführen, der dann von den Euro-Staaten gemeinsam abgetragen werden soll. Gerd Breker hat Gerhard Schick zuerst gefragt, wie hart diese Bedingung der Grünen ist. Reicht es, wenn ein Prüfauftrag ergeht?

    Gerhard Schick: Na erst mal, da haben wir nichts draufgepackt, sondern es ist ja klar: Wenn man Regeln für den Schuldenabbau verabschiedet, dann muss auch sichergestellt werden, dass diese Regeln eingehalten werden können und dass dieser Schuldenabbaupfad auch wirklich gelingt, und dafür ist dieser Schuldentilgungsfonds eine wichtige Voraussetzung, denn wir sehen ja gerade in Spanien und in Italien, dass der Druck der Finanzmärkte zu immer höheren Zinsen die Staaten dazu bringen kann, dass sie ihre Schulden eben nicht mehr tragen können und der Schuldenabbau dann nicht gelingt. Deswegen ist das von Anfang an eine wichtige Forderung von uns Grünen gewesen.

    Gerd Breker: Und der muss realisiert sein, bevor Sie dem Fiskalpakt zustimmen können?

    Schick: Wir werden letztlich eine Gesamtbewertung haben. Es gibt ja verschiedene Fragen. Es muss eine sinnvolle Lösung für die Länder geben, wir müssen die Einnahmeseite stärken, auch das eine Voraussetzung dafür, dass der Schuldenabbau wirklich gelingen kann, und es muss gelingen, die Rezession zumindest abzumildern, wenn nicht zu stoppen, denn wir können nicht zuschauen, wie ein Teil Europas in der Rezession versinkt, die Arbeitslosigkeit steigt und dabei auch die Schulden ansteigen. Und in der Gesamtbewertung ist es wichtig, dass der Schuldenabbau, den die Regeln des Fiskalpaktes vorsehen, auch wirklich gelingen kann, und der Schuldenpakt ist dafür eine Voraussetzung.

    Breker: Offenbar hat ja die Bundeskanzlerin eingesehen, dass Sparen alleine keine konjunkturfördernde Maßnahme ist. Nun sollen wachstumsfördernde Maßnahmen eingeführt werden. Woher soll denn das Geld dafür kommen?

    Schick: Na entscheidend ist ja, zurzeit sehen wir, dass ein zu drastischer Sparkurs, der nicht auf die wirtschaftlichen Bedingungen achtet, gar keinen Erfolg hat, sondern die Schulden steigen weiter an, und deswegen ist es jetzt richtig, gezielt mit Investitionen zu versuchen, diese wirtschaftliche Abwärtsbewegung zu stoppen. Ein Teil davon kann durch die Umwidmung von Geldern in den europäischen Haushalt bei den Strukturfonds gelingen. Ein anderer Teil kann dadurch gelingen, dass wir das Kapital der Europäischen Investitionsbank aufstocken, und natürlich ist es auch so, dass wir eine Einnahmenerhöhung über die Finanztransaktionssteuer deswegen vorschlagen, weil wir ja gerade sicherstellen wollen, dass die Staaten handlungsfähig bleiben.

    Breker: Nur eins ist sicher: Diese von Ihnen gerade genannte Finanztransaktionssteuer, die wird so schnell nicht umzusetzen sein.

    Schick: Deswegen gibt es kurzfristige Maßnahmen auch in unserem Vorschlag, zum Beispiel eben die Umwidmung der Mittel im europäischen Haushalt, die man kurzfristiger realisieren kann.

    Breker: Der Fiskalpakt soll noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. Herr Schick, das ist eigentlich zu wenig Zeit, um konkrete Wachstumsmaßnahmen wirken zu lassen. Also wird es erst mal bei Absichtserklärungen bleiben müssen!

    Schick: Wir haben ja bei der Finanztransaktionssteuer sehr deutlich gemacht, dass es zwischen einer unverbindlichen Absichtserklärung und konkreten Zeitplänen und Zusagen einen großen Unterschied gibt. In der ersten Runde gab es unverbindliche Zusagen, wo dann nachher die Koalition gesagt hat, war gar nicht so gemeint. Inzwischen ist klar: Es soll einen klaren Zeitplan geben und die inhaltlichen Eckpunkte werden auch im Kabinett beschlossen. Und genauso kann man das auch bei anderen Punkten sehr konkret machen, damit es eben nicht nur unverbindlich bleibt, denn wir wollen ja wirklich sicherstellen, dass der Schuldenabbau in Europa gelingen kann und Europa nicht in einer Wirtschaftskrise versinkt.

    Breker: Nach den Gesprächen, ist da Ihre Zuversicht, dass es den Fiskalpakt noch vor der Sommerpause gibt, gewachsen, oder wie ist das eigentlich? Sie hatten auch mal den Sonderparteitag gefordert. Müssen die Grünen den noch haben?

    Schick: Wir werden einen kleinen Parteitag – der heißt bei uns Länderrat – durchführen. Das ist auch richtig so, denn es sind verschiedene staatliche Ebenen betroffen: Es betrifft die europäischen Parlamentarier, es betrifft die Bundesebene und es betrifft die Landesebene und über den Fiskalpakt auch die kommunale Ebene. Und deswegen ist es richtig, dass wir die Verhandlungsergebnisse am Schluss gemeinsam bewerten und außerdem auch neue Perspektiven für Europa schaffen, denn zurzeit hat diese Krise eine unwahrscheinliche Dynamik gewonnen und es braucht neue Antworten für Europa.

    Breker: Sie haben von der ungeheueren Dynamik dieser Krise gesprochen. Wo stehen wir denn eigentlich? Kaum hat Spanien 100 Milliarden Euro für seine Banken aus dem Rettungsschirm erhalten, oder kann sie erhalten, da wächst der Druck der Märkte auf Italien. Wo sind wir in der Krise? Haben wir den Höhepunkt noch vor uns?

    Schick: Vor einigen Wochen hat EZB-Chef Draghi gesagt, das Schlimmste ist vorbei. Er hat sich deutlich getäuscht. Es gab nach keinem Rettungsprogramm eine so kurze Frist der Beruhigung wie diesmal nach der Ankündigung, dass für Spanien 100 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden sollen, konkret für die spanischen Banken. Weniger als einen Tag hat die Beruhigung an den Märkten gedauert und jetzt steigen die Zinssätze schon wieder weiter an, und zwar eben nicht nur in Spanien und in Italien eben auch, und das zeigt: Der Dominoeffekt, dass ein Staat nach dem anderen Hilfe braucht, konnte durch das falsche Krisenmanagement, an dem gerade auch diese Bundesregierung große Verantwortung hat, nicht gestoppt werden. Die bisherigen Maßnahmen sind falsch gewesen, und das ist mit eine Begründung, warum wir als Opposition, wenn wir jetzt Verantwortung übernehmen, dafür sorgen wollen, dass es eine wirkliche Kurskorrektur gibt, denn so wird Europa aus dieser Krise nicht herauskommen.

    Kaess: Mein Kollege Gerd Breker hat mit Gerhard Schick gesprochen, er ist der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag.


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