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Schicksalsstunde für Dänemark

Dänemark gehört zu den ökonomisch starken Staaten der EU. Andererseits haben die Dänen den Euro im Jahr 2000 abgelehnt. Viele Politiker fürchten nun, Dänemark könnte sich angesichts der künftig noch engeren Koordinierung der Eurozone weiter isolieren.

Von Marc-Christoph Wagner | 12.12.2011
    "Wir sind sehr froh, dass nicht nur die Euro-Staaten, sondern auch eine ganze Reihe von anderen Staaten sich dieser starken Fiskaldisziplin angeschlossen haben – die baltischen Länder, Polen ganz wichtig, Dänemark zum Beispiel, Bulgarien, Rumänien."

    Die Kopenhagener Innenstadt gestern Nachmittag. Beschaulich geht es zu, trotz weihnachtlicher Einkäufe. Der süßliche Duft von gebrannten Mandeln liegt in der Luft. Viele Passanten haben sich noch gar nicht so recht vertraut gemacht mit dem, was Ende der Woche auf dem Brüsseler EU-Gipfel beschlossen worden ist.

    "Ich habe gehört, wir Dänen sind der EU und dem Euro etwas näher gerückt, aber das kann ich mir nicht vorstellen. Die Haltung der Dänen zum Euro hat sich seit Freitag ja nicht geändert."

    Und doch könnte die engere Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik, auf die sich die 17 Euro-Staaten sowie eine Reihe von nicht Euro-Ländern am Freitag geeinigt haben, auch die dänische Euro-Debatte erneut beleben. Die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt, die noch unmittelbar vor Beginn des Gipfels vor einem Auseinanderbrechen der 27 EU-Mitglieder gewarnt hatte, zeigte sich am Ende mit den Ergebnissen durchaus zufrieden.

    "Es ist gut, dass nun Ruhe hineinkommt in den Euro – und das ist auch gut für Dänemark. Wir müssen jetzt schauen: Ist das, was hier beschlossen wurde, im dänischen Interesse? – und deswegen werden wir sämtliche Details jetzt genau studieren und mit dem Parlament daheim besprechen."

    Dänemarks Dilemma: Das Land gehört einerseits zu den ökonomisch starken Staaten der EU und erfüllt seit Jahren die Stabilitätskriterien der Eurozone. Andererseits haben die Dänen die Einführung des Euro im Jahr 2000 in einer Volksabstimmung abgelehnt – eine Tatsache, die kein dänischer Politiker ignorieren kann. Abgeordnete fürchten nun, Dänemark könnte angesichts der künftig noch engeren Koordinierung der Eurozone außen vorbleiben und weiter an Einfluss auf die europäische Politik verlieren. Marlene Wind, Leiterin des Zentrums für Europäische Politik an der Kopenhagener Universität.

    "Das ist eine dramatische Entwicklung für Dänemark. Die Zusammenarbeit der Eurostaaten führt dazu, dass wir unsere Beziehung zur EU auf den Prüfstand stellen müssen. Wollen wir im Klub der Eurostaaten dabei sein, oder machen wir es wie Großbritannien und bleiben außen vor? Es ist eine Schicksalsstunde für Dänemark und unsere Position in Europa."

    Und entsprechend heftig wurde diese Frage bereits am Wochenende zumindest unter dänischen Politikern diskutiert. Bereits morgen muss sich Ministerpräsidentin Thorning-Schmidt vor dem Europaausschuss des dänischen Folketings erklären. Deren Vorsitzende Eva Kjær Hansen von den oppositionellen Rechtsliberalen allerdings signalisierte bereits ihre Unterstützung für eine engere Anbindung Dänemarks an die Politik der Eurozone:

    "Wir Dänen müssen so weit wie möglich dabei sein. Natürlich müssen wir die Vorbehalte gegen den Euro erst einmal akzeptieren, und dennoch müssen wir sehen, wo können wir trotzdem dabei sein. Haushaltsdisziplin – und das auf europäischer Ebene – das liegt natürlich in unserem eigenen Interesse, unsere Wirtschaft ist ja in sehr hohem Maße von Exporten abhängig."

    Deutlichen Widerstand aber kündigten bereits die dänische Linke wie auch die rechtspopulistische Dänische Volkspartei an. Deren Vorsitzende Pia Kjærsgaard forderte, nicht die dänischen Politiker, sondern die Dänen selbst müssten gegebenenfalls über eine engere Anbindung an die Eurozone entscheiden:

    "Ich glaube, unsere neue Ministerpräsidentin ist auf dem Brüsseler Parkett ganz schön ausgerutscht und hat sich von den anderen Eurostaaten locken lassen. Sie selbst gibt sich als Supereuropäerin, aber das kann sie sich abschminken. Zuvor müssen die Dänen in einer Volksabstimmung befragt werden."

    Und auch in ihrer Regierungskoalition selbst trifft die Ministerpräsidentin auf Widerstände. Der sozialistische Außenminister Villy Søvndal lehnte Teile der Brüsseler Beschlüsse bereits rundweg ab. Die linksliberale Wirtschaftsministerin Margrethe Vestager findet Haushaltsdisziplin und automatische Sanktionen zwar gut, vermisst jedoch Initiativen, die das Wachstum in Europa ankurbeln können. Und auch unter den Dänen selbst müsste vor einer neuen Volksabstimmung über den Euro beziehungsweise die engere Verzahnung mit der Eurozone wohl noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden:

    "Ich finde es gut, dass wir beim Euro nicht dabei sind. Unsere Währung ist stark, wir stehen auf eigenen Füßen. Und auch diese Angst, unsere Wirtschaft könnte leiden, wenn wir den Euro nicht einführen, ist doch übertrieben. Das ist eine Frage von Wettbewerbsfähigkeit – und auch hier stehen wir ja schon heute so schlecht nicht da."