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Schicksalswahl für die Liberalen

Bei der Landtagswahl in Niedersachsen am 20. Januar drohen die Liberalen unterzugehen. In den bisherigen Umfragen dümpelt die FDP unterhalb der Fünfprozentgrenze. Doch Landeschef Stefan Birkner zeigt sich zuversichtlich - und darf vermutlich auf Leihstimmen der CDU hoffen.

Von Susanne Schrammar | 03.01.2013
    DLRG-Vertreter: "Wir haben gesagt, damit Du Dich an uns erinnerst als DLRG-Jugend, möchten wir Dir diese Schwimmflügel mitgeben, mit unseren Unterschriften."

    Birkner: "Danke sehr! "

    DLRG-Vertreter: "Vielleicht kannst Du sie doch noch gebrauchen. Aber sie haben in jedem Fall keine politische Bedeutung! "

    Birkner: "Danke sehr, vielen Dank, hat wirklich Spaß gemacht! "

    Ein bisschen gequält wirkt das Lachen schon, mit dem Stefan Birkner in die allgemeine Heiterkeit nach einer Wahlveranstaltung mit dem Landesjugendring in Hannover einsteigt. Schließlich weiß der FDP-Landeschef und Umweltminister, dass die ihm überreichten Schwimmflügel sehr wohl politischen Symbolcharakter haben: Die Liberalen in Niedersachsen drohen bei der Landtagswahl in zweieinhalb Wochen unterzugehen – in den bisherigen Umfragen dümpelt die FDP unterhalb der geforderten Einzugsmarke: Nach einer heute veröffentlichten Befragung von Infratest Dimap wollen nur vier Prozent der Niedersachsen sie in den nächsten Landtag wählen. Das ist zwar eine winzige Steigerung, doch am 20. Januar hieße es: Bye bye, FDP! Stefan Birkner allerdings, ein ehemaliger Jugendrichter mit markant schwarzer Brille und besonnenem Gemüt, gibt sich kämpferisch. Zukunftsangst?

    "Nein, überhaupt nicht. Ich bin sicher, dass die Fünfprozenthürde für uns als FDP kein Thema ist. Es geht mehr um die Frage: Kriegen wir die sechs, sieben, acht Prozent, um gemeinsam mit der CDU dann die Landesregierung fortsetzen zu können. Darum wird es gehen und nicht, ob wir in den Landtag einziehen. Das ist aus meiner Sicht kein Problem."

    Versucht sich der FDP-Landeschef im Gesundbeten oder ist die Zuversicht gerechtfertigt? Nun, zum einen gibt es noch viele unentschiedene Wähler: 44 Prozent der Niedersachsen wissen noch nicht, wen sie oder ob sie überhaupt wählen wollen. Außerdem können sich die Freien Demokraten Hoffnung auf einige "Leihstimmen" aus dem CDU-Lager machen. Ohne die FDP könnte Ministerpräsident David McAllister das Weiterregieren in Niedersachsen nämlich vergessen. Rot-Grün liegt in den Umfragen vorn, in Sachen Koalition haben sich die beiden Parteien ausschließlich füreinander ausgesprochen. Für den Machterhalt braucht McAllister also die Liberalen im Landtag. Eine offizielle Zweistimmenkampagne lehnt die CDU zwar ab. Doch der Regierungschef nutzt jede Gelegenheit, den kleineren Koalitionspartner zu loben.

    "Die CDU kämpft um jede Erst- und Zweitstimme, wir wollen klar stärkste Kraft werden, und wir möchten am liebsten unsere gute und bewährte Arbeit in Niedersachsen fortsetzen."

    Dafür kämpft auch Christian Dürr und hat in seinem Wahlkreis Oldenburg-Land mehr als 1000 Plakate, viele davon mit seinem Konterfei, an Laternen und Bäumen aufgehängt. Der 35-Jährige will nach 2003 und 2008 erneut in den Landtag einziehen. Vor drei Jahren hat Dürr den Fraktionsvorsitz der FDP übernommen und sich im Parlament den Ruf eines fundierten Sachpolitikers erworben.

    "Also, klar hängt mein Herz nicht nur an der FDP, sondern vor allem an Niedersachsen. Es würde mich schon ärgern, wenn man zehn Jahre erfolgreich gearbeitet hat und wenn man das dann nicht fortsetzen kann. Klar, hat man auch Freude daran gefunden. Als Diplom-Ökonom gibt’s genug Betätigungsfelder, die man sich vorstellen kann, aber Politik macht mir derzeit noch sehr viel Spaß, deswegen würde ich es gerne fortsetzen."

    Hoch motiviert, erzählt Christian Dürr und zieht an einem Kabelbinder, seien die FDP-Mitglieder in diesen kurzen Wahlkampf gestartet. Jeder wisse, dass es jetzt um alles gehe. Doch die FDP muss fürchten, dass sie in Niedersachsen gar nicht richtig wahrgenommen wird. 58 Prozent der Bürger sind laut Umfragen zufrieden mit der aktuellen schwarz-gelben Landesregierung, doch nur die CDU profitiert von dieser Stimmung. Und das liegt ausgerechnet am schwarz-gelben Kuschelkurs. Anders als im Bund herrscht in Niedersachsen viel Harmonie zwischen den Koalitionspartnern. Mit dem Ergebnis, dass sich die FDP nicht profilieren konnte.

    "Das Wichtigste ist, den Leuten zu zeigen, was wir in den letzten zehn Jahren erreicht haben, da steht ganz oben der Schuldenabbau. Eine gute Schulpolitik mit einer vernünftigen Unterrichtsversorgung und eine gute Infrastrukturpolitik. Und dann wollen wir den Leuten natürlich deutlich machen, dass wir noch einiges vorhaben in den kommenden fünf Jahren und auch da ist das Thema "Gutes Haushalten", "Mit dem Geld auskommen als Staat, was man einnimmt" ganz oben auf der Agenda. Wir wollen eine Schuldenbremse in der Verfassung haben, und dafür kämpfen wir auch bei der Landtagswahl."

    Doch was nützt das Kämpfen, wenn die eigenen Leute gegen einen arbeiten? Mit seinem jüngsten Positionspapier, in dem er einen Mindestlohn deutlich ablehnt, hat ausgerechnet der FDP-Bundesvorsitzende Philipp Rösler den Parteifreunden zuhause in die Beine gegrätscht. Kurz vor der Wahl kommt er mit einer Lohndiskussion um die Ecke und verleiht der FDP pünktlich zur Weihnachtszeit den Ruch einer herzlosen Partei. Unabgesprochen mit den Niedersachsen. Da hilft es wenig, dass Landeschef Birkner sich von der Parteispitze öffentlich mehr Gelassenheit im Umgang mit dem Mindestlohn wünscht. Der Zeitpunkt - für Birkner denkbar ungünstig.

    "Bei uns steht im Mittelpunkt die Diskussion um den Schuldenabbau, eine solide Finanzpolitik, und das ist mir auch wichtig, dass das auch möglichst rüberkommt und nicht durch andere Diskussionen gestört wird."

    Mit derartigen Aktionen verspielt Rösler ausgerechnet bei denen Kredit, die dem angeschlagenen Parteichef immer den Rücken gestärkt haben: seinen Freunden aus Niedersachsen. Die Wahl in Röslers Heimat wird auch für ihn zur Schicksalswahl. Misslingt der FDP der Wiedereinzug in den hannoverschen Landtag, kann der Bundesvorsitzende seinen Hut nehmen. Das weiß auch Rösler, auch wenn er es – wie hier im ZDF Morgenmagazin - nicht ausspricht.

    "Wir konzentrieren uns jetzt erst mal auf die Wahl. Ich glaube, das ist eine wichtige Wahl für das Land und hat eine gewisse bundespolitische Bedeutung, und insofern, glaube ich, lohnt es sich dort, für Schwarz-Gelb zu kämpfen."

    Für viele in der FDP wird die Niedersachsenwahl also ein Überlebenskampf. Aber das sind die Liberalen ja inzwischen gewohnt.