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Schifffahrt
Streit um neue Abgasfilter

Die Hafenstädte an Nord- und Ostsee klagen seit Jahren über schlechte Luft. Schuld sind die Schiffsabgase. Seit einem Jahr gibt es deshalb schärfere Vorschriften, um den Schwefelgehalt in den Abgasen zu reduzieren. Spezielle Filter waschen nun bei vielen Schiffen den Schwefel aus den Abgasen - statt in die Luft gelangt er seitdem jedoch oft ins Meer.

Von Balthasar Hümbs | 21.01.2016
    Das Fährschiff "Mecklenburg-Vorpommern" der Reederei Stena Line verlässt am 10.09.2015 den Fährhafen von Rostock (Mecklenburg-Vorpommern).
    Bisher fahren fast alle Schiffe auf den Weltmeeren mit Schweröl, doch beim Verbrennen davon entstehen besonders viele gefährliche Schwefelemissionen. (dpa / picture alliance / Jens Büttner)
    Das Fährschiff "Finnmaid" läuft in den Lübecker Hafen ein. Langsam schiebt sich der 220 Meter lange Koloss an die Kaimauer. Grauer Rauch quillt aus den Schornsteinen. Die "Finnmaid" fährt für die Reederei Finnlines zwischen Lübeck-Travemünde und der finnischen Hauptstadt Helsinki.
    Wie für alle anderen Schiffe auf Nord- und Ostsee gelten auch für die "Finnmaid" seit einem Jahr neue Abgas-Grenzwerte. Der Grund: Bisher fahren fast alle Schiffe auf den Weltmeeren mit Schweröl. Das ist eigentlich ein Abfallprodukt. Die Abgase beim Verbrennen sind extrem schädlich für die Luft. Besonders gefährlich: die Schwefel-Dämpfe.
    Um diese Schwefel-Emissionen auf der viel befahrenen Nord- und Ostsee zu reduzieren, gibt es seit einem Jahr neue Grenzwerte für die Schiffsabgase. Die dürfen nur noch 0,1 Prozent Schwefel enthalten, statt wie vorher 1 Prozent. Die Schiffe sollen deshalb jetzt eigentlich mit dem so genannten Marinediesel fahren. Der enthält unter anderem weniger Schwefel und Stickstoff, ist also deutlich sauberer. Aber er kostet das Doppelte.
    Doch vielen Reedern ist das zu teuer. Sie nutzen ein Schlupfloch im Gesetz. Sie haben in ihren Schiffen Abgaswäscher installiert. Die waschen den Schwefel aus den Abgasen. So umgerüstete Schiffe dürfen dann weiter das billige Schweröl tanken. Statt in der Luft landet der Schwefel dann häufig im Meer, erklärt Malte Siegert, Leiter Umweltpolitik beim NABU Hamburg:
    "Es gibt sogenannte offene und geschlossene Systeme. Bei den geschlossenen bleibt es praktisch im Kreislauf drin und dann wird an Land das, was aus dem Abgas rausgezogen wird an Schwefel und an anderen Komponenten entsorgt. Und es gibt das offene System, wo praktisch mit Meerwasser der Schwefel aus dem Abgas rausgewaschen wird. Und da sind die Umweltauswirkungen noch völlig unbekannt."
    EU-Fördergelder für Abgaswäscher
    Zwar muss das Abwasser auch bei den offenen Systemen gefiltert werden, aber trotzdem gelangen dabei zahlreiche Schadstoffe ins Meer. Zu dieser Erkenntnis kam vor einem Jahr eine Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes. So könnten bestimmte Salze dazu führen, dass im Meer der Sauerstoff knapp wird. Eine Gefahr für Pflanzen und Tiere.
    Installiert werden die Abgaswäscher trotzdem weiter – mit Fördergeldern von der EU. Vom EU-Geld profitiert auch die Reederei Finnlines. Sie hat die "Finnmaid" mit dem umstrittenen offenen Wäscher-System nachgerüstet. Über mögliche Umweltfolgen möchte die Reederei allerdings nicht sprechen. Man sei aber vorbildlich im Umweltschutz.
    Christof Schwaner vom Verband Deutscher Reeder verteidigt den Einsatz der Abgaswäscher, die auch "Scrubber" genannt werden:
    "Das Problem, wenn Sie mit Marinediesel fahren, ist, dass er trotzdem ungefähr das doppelte kostet, wie herkömmlicher Brennstoff, den Sie auch mit Scrubbern nutzen können. Und das heißt: Der Transport mit dem Schiff verteuert sich für die Kunden, die dann überlegen, ob sie nicht vielleicht lieber den LKW auf der Straße nutzen und dadurch die Schifffahrt benachteiligen und vor allem benachteiligen sie das Klima, denn wenn viele LKWs auf einem Schiff fahren, ist das wesentlich umweltfreundlicher, als wenn sie auf der Straße fahren."
    Etwa 150 Schiffe auf Nord- und Ostsee sind mittlerweile umgerüstet. 300 weitere Umbauten sind in Planung. Die Reedereien rüsten also kräftig auf. Dabei ist bis heute nicht wirklich klar, wie die Abwässer entsorgt werden dürfen. Denn in der EU gibt es dafür unterschiedliche Regeln.
    Offenbar hatte bisher fast niemand die Umweltauswirkungen der Abgaswäscher auf dem Schirm. Kontrollen seien bei so einem Vorschriften-Chaos gar nicht möglich, kritisiert NABU-Experte Malte Siegert:
    "Wir haben hier in Deutschland auch schon alleine zwischen den Bundesländern schon komplett unterschiedliche Zuständigkeiten. Das wird ein langer Weg, bis man da sich auf ein vernünftiges, einheitliches Modell geeinigt hat, was eigentlich auch überprüfbar und tauglich für alle Mitgliedsstaaten zumindest in Europa ist."
    Das Wirrwarr rund um die Umweltbelastung durch Abgaswäscher hat mittlerweile auch die EU-Kommission erkannt. Zusammen mit Umweltverbänden, Behörden und der Schifffahrtsbranche sucht man jetzt nach einer einheitlichen, umweltschonenderen Regelung. So lange fährt auch die "Finnmaid" noch mit ihrem Abgaswäscher über die Ostsee; mit unbekannten Folgen für das Meer.