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Schiffsverkehr und Sonargeräusche
Meereslärm beeinflusst Verhalten der Wale

Regelmäßig stranden Wale und verenden, nachdem in ihrer Nähe militärische Manöver mit Sonargeräten stattgefunden haben. Das Geräusch, das benutzt wird, um U-Boote zu entdecken, irritiert die Wale, die mittels Echoortung Beutetiere oder einen Feind wahrnehmen können. Forscher untersuchen nun, wie der menschengemachte Lärm im Meer die Wale beeinflusst.

Von Karl Urban | 14.10.2016
    Ein Killerwal, der Orca, springt aus dem Wasser.
    Bei der Frage, wie sich die zunehmenden Lärmquellen in den Meeren auf das Leben der Wale auswirkt, steht die Forschung noch am Anfang (imago / Anka Agency International)
    Eine Gruppe von 15 Orcas taucht durch den Nordatlantik, mehrere Männchen, Weibchen und Kälber. Sie sind auf Nahrungssuche - doch dann dröhnt ein Sonar durchs Wasser. Filipa Samarra: "You see there is a lot more overlap, a lot of whales calling at the same time." Und die Walgesänge überlappen sich ganz plötzlich.
    "Now they come to the surface." Die Orcas tauchen auf. Und sie tun das nach jedem Sonarton aufs Neue und geben einen speziellen Ruf von sich, der für ihr Repertoire untypisch ist. Das erläutert Filipa Samarra. Sie leitet das isländische Orca-Projekt am Marinen Forschungsinstitut in Reykjavik.
    Gemeinsam mit ihrem Kollegen Paul Wensveen versucht sie zu verstehen, was menschengemachter Lärm für die Meeressäuger bedeutet. Dazu gehört das monotone Motorengeräusch von immer mehr Frachtschiffen, vor allem aber das Sonar, sagt Paul Wensveen:
    "Es ist eine der lautesten Geräuschquellen im hörbaren Frequenzband der Wale, weil es genutzt wird, um U-Boote zu entdecken."
    Manche Wale fliehen vor Lärm - andere schwimmen zur Lärmquelle
    Dieses Sonargeräusch erzeugen die Forscher allerdings selbst - es ist nicht ganz so stark wie ein militärisches Sonar - und die Forscher haben mehrere Wale mit Funksendern bestückt, um deren Reaktion zu beobachten, berichtet Filipa Samarra:
    "Direkt nachdem sie mit ihrem Walgesang reagiert haben, ändern sie auch ihre Bewegung. Gerade haben sie noch Nahrung gesucht und nun tun sie etwas Anderes. Sie versuchen, dem Sonar aus dem Weg zu gehen."
    Paul Wensveen: "Sie gingen direkt in den Reisemodus über: Sie wurden schneller, je näher das Sonargeräusch kam. Und sie schwammen für mehrere Stunden in völliger Stille."
    Gestrandete Grindwale an der tasmanischen Küste
    Gestrandete Grindwale an der tasmanischen Küste (AAP/epa/Robyn Grace/dpa picture alliance)
    Es ist nur eine von mehreren Reaktionen, die Wissenschaftler nach den Sonargeräuschen bei verschiedenen Walarten registriert haben, sagt Paul Wensveen:
    "Wir haben auch gesehen, dass besonders Grindwale von vielen Geräuschen extrem angezogen werden. Die schwimmen alle zusammen zu ziemlich jedem Geräusch hin."
    Ganze Walherden stranden nach militärischen Manövern mit Sonareinsatz
    Letztlich können die Biologen also noch keine Regel ableiten, wie sich die Wale bei heftigem Unterwasserlärm verhalten: ob sie wie die Orcas eher das Weite suchen oder sogar näher kommen - und dadurch ihre Gesundheit gefährden. Immerhin kann die Lautstärke eines militärischen Sonars den empfindlichen Gehörgang eines in der Nähe schwimmenden Wals schwer verletzen.
    Um das zu verhindern, werden Sonarsignale bei der U-Boot-Ortung zwar zunehmend langsamer auf volle Lautstärke gebracht, damit Wale in der Nähe gewarnt sind und noch wegschwimmen können. Aber ob diese Strategie überhaupt hilft, lässt sich aus den Daten von Paul Wensveen nicht erkennen:
    "Die Schiffe bewegen sich ja gewöhnlich viel schneller als die Tiere. Das heißt, selbst wenn sie es kommen hören, könnten einige noch warten bis es wirklich nah dran ist. Und dann bekommen sie trotzdem den vollen Geräuschpegel ab."
    Die Folge: Immer noch stranden ganze Walherden und verenden, nachdem in ihrer Nähe militärische Manöver mit Sonargeräten stattfanden. Wie sich diese Strandungen verhindern lassen - und ob die zunehmend lauteren Meere sogar die globale Walpopulation gefährden -, können die Biologen mit ihren bis heute bruchstückhaften Daten noch nicht sagen.