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Schimpansen
Genetisch bedingte Herzrhythmusstörungen

Tiermedizin. - Im Londoner Zoo sind zwei scheinbar gesunde Schimpansen plötzlich gestorben. Ihre Obduktion ergab eine genetisch bedingte Herzerkrankung. Daraufhin wurden alle verbliebenen Tiere auf Risikogene untersucht. Zwei ebenfalls gefährdeten Männchen wurden jetzt Detektoren implantiert, die Herzrhythmusstörungen frühzeitig anzeigen sollen.

Von Michael Stang | 28.08.2014
    Zwei Schimpansen
    Auch Menschenaffen wie diese beiden Schimpansen leiden an genetisch bedingten Herzrhythmusstörungen (picture alliance / dpa)
    "The animals were fine, healthy and in good condition and then suddenly they just died."
    Die Tiere waren gesund und in einer guten Verfassung und plötzlich sind sie gestorben, so Yedra Feltrer von der Zoologischen Gesellschaft London. Zunächst gingen die Tierärzte von einem plötzlichen Herztod der beiden Schimpansen im Londoner Zoo aus, doch weitere Untersuchungen zeigten, dass es sich hier um eine Form von ARVC handelt. Das ist die Abkürzung für Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie. Bei dieser Krankheit kommt es zu einem fortschreitenden Verlust von Herzmuskelzellen, die durch Fett- und Bindegewebszellen ersetzt werden. Diese Krankheit war bis dahin nur bei Menschen bekannt.
    "Aber nicht nur die beiden toten Schimpansen zeigten die drei bekannten Risikogene für diese Krankheit, sondern auch noch zwei weitere Schimpansen."
    Dauerüberwachung für gefährdete Schimpansen
    Die betroffenen Tiere sind alle miteinander verwandt, die beiden gestorbenen Schimpansen waren Halbbrüder. Was also tun mit den beiden lebenden Risikopatienten?
    "Wir haben zusammen mit Herzspezialisten die Möglichkeiten besprochen und uns dafür entschieden, dass wir die Herztätigkeit beider Tiere permanent überwachen müssen und zwar mithilfe eines Elektrokardiogramms. Die Herzfrequenz bei Schimpansen ist aber schwierig zu messen, deshalb haben wir uns für implantierbare Rekorder entschieden."
    Im März 2013 pflanzten die Tierärzte die Rekorder den Schimpansen in Herznähe ein und zwar über den Rücken, damit die Tiere nicht an der Narbe kratzen konnten. Diese Entscheidung erwies sich mittlerweile als etwas unglücklich, weil die Aufzeichnungen durch die massiven Rückenmuskeln gestört werden. Zudem verweigerten beide Schimpansen mehrere Monate lang nach der Operation jede Form der Kooperation – aus Angst, wieder betäubt und operiert zu werden. Ein weiteres Problem sind die Rekorder. Diese zeichnen die Herztätigkeit nur drei Tage lang auf, danach werden die Daten überschrieben. Wenn Yedra Feltrer und ihre Kollegen also nicht spätestens alle drei Tage die Daten herunterladen können, ist die Überwachung unvollständig – was bislang der Fall war. Denn das Herunterladen bedarf der Mithilfe der Schimpansen, die still sitzen müssen, während die Forscher die Daten kabellos sichern.
    Feltrer: "Bislang haben wir bei den Aufzeichnungen mehrere Unregelmäßigkeiten gesehen; diese sind aber nicht so häufig, dass wir operieren mussten. Weil das Sichern der Daten bisher nur unregelmäßig geschah, haben wir aber vielleicht auch etwas übersehen."
    Das soll sich nun ändern. Seit April ist das Training mit den Schimpansen so weit gediehen, dass die Forscher drei Mal pro Woche die Daten sichern können und damit eine Rundumüberwachung gegeben ist. Obwohl es einige Kinderkrankheiten zu überwinden galt, ist Yedra Feltrer von dieser Methode weiter überzeugt.
    "I think it's a great tool for the cardiac diagnosis of great apes."
    Die so gewonnenen Daten sollen helfen, die Krankheit besser zu verstehen, Langzeitdaten zu gewinnen und vielleicht Therapiemöglichkeiten zu entwickeln. Denn der Bedarf ist groß. Allein 2013 gab es weltweit sieben registrierte Todesfälle dieser Art bei Menschenaffen in Zoologischen Gärten.