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Schlafforschung
Big Data für eine gute Nacht

Wann ist Schlaf objektiv gut? Und welche Auswirkungen hat schlechter Schlaf auf unsere Gesundheit? Mit diesen Fragen beschäftigt sich das "Human Sleep Project". Die Forscher des groß angelegten Projekts wollen basierend auf Gesundheits- und Schlafdaten von Millionen Menschen endlich messen können, was einen guten Schlaf ausmacht.

Von Anne Preger | 08.12.2014
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    "Wenn man lange genug nicht richtig schläft, wird man mit einer höheren Wahrscheinlichkeit Krankheiten bekommen, die man so schnell nicht bekommen würde, wenn man richtig schläft," so Till Roenneberg von der LMU München. (dpa / Hans-Jürgen Wiedl)
    Till Roenneberg sammelt seit Jahren Daten über den Schlaf. Der Chronobiologe von der Ludwig-Maximilians-Universität in München hat mehr als 200.000 Menschen Fragebögen über ihre Tagesaktivität und ihren Schlaf ausfüllen lassen. Doch das reicht Till Roenneberg nicht mehr:
    "Der Fragebogen hat uns unglaublich viele Einsichten in das Schlafverhalten der Menschheit gebracht. Aber jetzt müssen wir einen Schritt weitergehen und uns die objektive Messung des Schlafes und des Alltags von Menschen vornehmen."
    Der Wissenschaftler möchte weltweit die Nachtruhe von Millionen Menschen in vielen Millionen Nächten untersuchen. Nicht mehr nur mit einem subjektiv ausgefüllten Bogen, sondern mithilfe von Messungen.
    "Das wissen wir nämlich immer noch nicht, wie man guten Schlaf objektiv misst. Aber ein großes Ziel ist, dass das Human Sleep Project so etwas kann."
    Roenneberg setzt für sein groß angelegtes Schafprojekt auf einen weltweiten Trend: Fitnessarmbänder, smarte Uhren und andere Wearables erfassen am Handgelenk oder anderswo am Körper Tag und Nacht sämtliche Bewegungen. Sie rechnen daraus Aktivität, Schrittzahl oder auch verbrannte Kalorien aus. Der Chronobiologe interessiert sich für die Aktivtätsrohdaten. Dafür will er zusammen mit anderen Schlafforschern eine Internetplattform einrichten. Er ist zuversichtlich, dass dort viele Menschen die Daten ihrer Fitnessarmbänder freiwillig und regelmäßig hochladen.
    "Wir haben festgestellt: Wenn man als Forscher mit der Bevölkerung in eine Interaktion tritt und ihnen Ratschläge gibt, ihnen einfach nur Analysen gibt und sagt, so schläfst du im Vergleich zu anderen, dass ein Rieseninteresse besteht. Und daher hoffen wir, dass wir Daten ohne einen großen Aufwand weltweit kriegen von Leuten, die interessiert sind und auch genug Vertrauen an uns haben natürlich, dass wir mit den Daten keinen Bockmist treiben. Dass die uns vertrauen, dass wir ihnen ein Feedback geben, wie ihr Schlaf aussieht, wie ihre Aktivität aussieht, was für ein Chronotyp sie sind, was für ein Schlafdefizit sie ansammeln."
    Schlafprojekt will Politik und Menschen beraten
    Um zu beurteilen, wie gut jemand in einer Nacht geschlafen hat, brauchen die Forscher aber noch andere Informationen. Sie wollen zum Beispiel am nächsten Morgen die Reaktionszeit oder das Kurzzeitgedächtnis testen.
    "Das wollen wir alles kombinieren mit den laufenden Schlaf-und Aktivitätsmessungen von Menschen, die die Plattform benutzen und die dann sagen: Das Ganze ist so spannend, dass es mir auch nichts ausmacht, wenn ich ab und zu eine kleine SMS kriege und sage, so jetzt mach ich mal diesen Test auf der und der Webseite."
    Vereinzelt sollen Teilnehmer um eine DNA-Probe gebeten werden, um Schlaf auch genetisch tiefer auf den Grund zu gehen. All das ist noch Zukunftsmusik. Aber mit einer Anschubfinanzierung könnte die Internetplattform schon 2015 stehen, sagt Till Roenneberg. Langfristig würde das Human Sleep Project geschätzt rund 30 Millionen US-Dollar kosten. Eher preiswert im Vergleich zum milliardenschweren Humangenomprojekt oder dem laufenden Human Brain Project. Aber deswegen nicht weniger nützlich für die menschliche Gesundheit.
    "Wenn man lange genug nicht richtig schläft, wird man mit einer höheren Wahrscheinlichkeit Krankheiten bekommen, die man so schnell nicht bekommen würde, wenn man richtig schläft."
    Ursachen für schlechte Nächte gibt es reichlich. Die jährliche Umstellung auf die Sommerzeit zum Beispiel.
    "Schichtarbeit, überhaupt Arbeitszeiten, Schulzeiten, Architektur und Licht - diese ganzen Sachen spielen alle rein in eine Welt, in der wir uns ein Eigentor bezüglich des Schlafes schießen."
    Das groß angelegte Schlafprojekt soll deswegen nicht nur Menschen individuell beraten, die ihre Daten hergeben, sondern auch die Politik. Für eine ausgeschlafenere Gesellschaft.