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Schlafforschung
Linke Hirnhälfte bleibt auf Stand-by

Wenn Wale oder Delphine schlafen, dann schläft nicht das ganze Gehirn. Eine Hälfte bleibt wach und passt auf. Einen ähnlichen Halbschlaf haben Forscher in den USA jetzt auch bei Menschen nachgewiesen. Wer erstmals an einem unbekannten Ort schläft, dessen Gehirn bleibt in Bereitschaft.

Von Michael Lange | 22.04.2016
    An Schlaf nicht zu denken: Viele Menschen leiden unter Ruhelosigkeit.
    An Schlaf nicht zu denken: Die erste Nacht in einem fremden Bett ist oft beschwerlich (imago/McPHOTO)
    Die Wissenschaftlerin Masako Tamaki kennt den so genannten "First Night Effect" - nicht nur aus ihrer Forschung an der Brown University in Rhode Island, sondern aus eigener Erfahrung. "Wenn ich in einem Hotel übernachte, dann dauert es in der ersten Nacht sehr lange bis ich richtig einschlafe."
    Viele kennen das. Der Schlaf ist an unbekannten Orten weniger tief. Kleine Geräusche reichen aus, um den Schläfer aufzuwecken. In Schlaflaboren ist der Effekt bekannt. Die erste Nacht liefert oft unbrauchbare Ergebnisse. Die Testpersonen sind unruhig und können nicht richtig einschlafen. Damit dieser Effekt die Messergebnisse oder die Diagnose nicht beeinträchtigt, starten Schlafforscher und Ärzte mit ihren eigentlichen Messungen oft erst in der zweiten Nacht.
    Nun haben Masako Tamaki und ihr Team die Aktivität verschiedener Hirnregionen gerade in dieser ersten Nacht untersucht und mit späteren Nächten verglichen. Bei 35 freiwilligen Testpersonen haben sie im Elektro-Enzephalogramm, EEG, die Gehirnströme gemessen und in der Magnet-Resonanz-Tomografie die Aktivität der Nervenzellen bestimmt. Dabei entdeckten sie einige Auffälligkeiten.
    Wie ein Nachtwächter in ständiger Bereitschaft
    "In einer ungewohnten Umgebung schläft ein bestimmter Teil unseres Gehirns weniger tief. Diesen Effekt beobachteten wir ausschließlich in der linken Gehirnhälfte. Diese Gehirnhälfte reagiert auch empfindlicher auf störende Außenreize wie Tonsignale. Sie ist insgesamt aufmerksamer."
    Die Forscher konzentrierten sich auf die ersten 90 Schlafminuten und fanden: Die erste Tiefschlafphase der Nacht ist in der linken Gehirnhälfte weniger ausgeprägt, der Schlaf weniger erholsam. Wie ein Nachtwächter befinden sich einige Gehirnregionen auf der linken Seite in ständiger Bereitschaft. Wenn nötig, kann der Rest des Gehirns schnell aufgeweckt werden.
    Das brachte unseren Vorfahren einen überlebenswichtigen Vorteil. Sie konnten auch im Schlaf heranschleichende Raubtiere wahrnehmen, schnell aufwachen und weglaufen. Dass der Schlaf an fremden Orten nicht ganz so erholsam ist, spielte in der Evolution keine Rolle.
    Meeressäuger oder Vögel können sich Tiefschlaf nicht leisten
    Bei verschiedenen Tierarten wie Meeressäugern oder Vögeln sind ähnliche Effekte noch ausgeprägter. Insbesondere Tiere, die ständig von Feinden bedroht werden, können sich vollständigen Tiefschlaf nicht leisten.
    Ob sich dieser Schutzmechanismus austricksen lässt, wollen die Forscher an der Brown-University nun mit einer Methode namens TMS untersuchen. Das steht für Transkranielle Magnetstimulation. Durch ein Magnetfeld soll dabei die linke Gehirnhälfte vorübergehend in eine Art künstlichen Tiefschlaf versetzt werden. Dies dient allerdings nur der weiteren Erforschung dieses Effekts, nicht dem besseren Schlaf. Da helfen im Alltag einfachere Mittel, erklärt Masako Tamaki.
    "Einigen Leuten hilft es, das eigene Kissen auf Reisen mitzunehmen - oder einen Gegenstand, der es ihnen erleichtert, sich in fremder Umgebung heimisch zu fühlen. Ansonsten sollte man sich um diesen Effekt nicht zu sehr sorgen. Wenn Ihnen ein großes Ereignis bevorsteht, bei dem Sie fit sein müssen, hilft es, einfach zwei Nächte vorher anzureisen."