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Schlager zur Selbstheilung

Hardy Schwetter alias Christian Steiffen ist so etwas wie ein Anti-Schlagerstar. Morgen erscheint sein erstes Album "Arbeiter der Liebe" und Ende Oktober läuft die Tragikomödie "Ich fühl mich Disco" im Kino. Darin spielt er sich selbst als einen angebeteten Schlagersänger.

Von Luigi Lauer | 10.10.2013
    "Ich hab die ganze Nacht von mir geträumt. Einen Traum, so wunderbar und rein."

    Schlag auf Schlag, Schlager auf Schlager, so sieht im Moment das Leben des Christian Steiffen aus. Der selbst ernannte "Gott of Schlager" hat derzeit gut zu tun - erstes Album, große Tournee, ein Kinofilm und dann auch noch große Politik. Der Film: Ein pubertierender Junge entdeckt seine Homosexualität und ist der größte Fan von Christian Steiffen, gespielt von Christian Steiffen. Die große Politik in der realen Welt: Bei der Oberbürgermeisterwahl in Osnabrück kam Christian Steiffen immerhin auf 3,3 Prozent. Klar, dass der Mann nachts nur von sich träumt. Und jetzt auch noch "Arbeiter der Liebe", das Debütalbum.

    "Arbeiter der Liebe, da geht es ja um einen Mann am Ende der Pubertät, so um die 35, der sich bewusst wird, dass er ja schon lange ein Arbeiter ist, und zwar ein Arbeiter der Liebe. Das ist ja ein hochphilosophisches Lied über den Alterungsprozess, über das Bewusst werden seiner Sterblichkeit, und in dem Zusammenhang darauf zu kommen, dass nur das Arbeiten an der Liebe weiterhilft."

    "Ich bin ein Arbeiter der Liebe, für mich gibt's immer was zu tun. Arbeiter der Liebe: Vollbeschäftigung."

    Dem Arbeiter der Liebe hilft nur das Arbeiten an der Liebe – schon klar so weit. Steifen zieht seinen Stiefel gnadenlos durch. Auch im Umgang mit Journalisten wird Unsinn phrasenhaft als Tiefsinn verkauft.

    "Ich bin ja in den 70er-Jahren sozialisiert und habe auch viel Zeit im Partykeller meiner Eltern verbringen dürfen - und auch müssen. Und da wurde man natürlich auch mit Peter Alexander oder Udo Jürgens und den ganzen Kollegen beschallt. Und irgendwann hat sich das natürlich im Unterbewusstsein festgesetzt und das dringt jetzt aus dem Unterbewusstsein, aus der Tiefe der Seele."

    Ist es seine gemarterte Kinderseele, die da um Hilfe ruft?

    "Da ist auch Selbstheilung mit drin, natürlich. Ja."

    "Wein' ruhig, wenn ich geh', ich kann das gut verstehen, es tut bestimmt sehr weh, wenn ich mich so seh'."

    Was Hardy Schwetter alias Christian Steiffen unwiderstehlich macht, sind seine Perspektivwechsel: Tausendfach abgelutschte Schlagerphrasen nehmen immer wieder unerwartete Wendungen, weil Steiffen nur sich selbst feiert. Kleine und größere Schlüpfrigkeiten dürfen nicht fehlen, schon weil der ernste, also der E-Schlager, so etwas stets vermied. Ob Schubidu-Chor, Schallalalala oder die ganzen affektierten Versuche, ein Alleinstellungsmerkmal im Meer der geträllerten Belanglosigkeit zu kreieren - Christian Steiffen spult das ganze Vokabular der Lächerlichkeit traumwandlerisch sicher herunter. Singen kann der Kerl. Und auch das Haseland-Orchester, Steiffens Live- und Studioband, lässt kein Klischee verkümmern. Alles nur geklaut - aber auf höchstem Niveau. Textsicherheit ist für den 42-Jährigen ebenfalls kein Problem.

    "Ich hab wirklich ein unglaublich gutes Gedächtnis für Scheißdreck. Ich kann mir Texte merken, wenn ich Lieder ein-zweimal gehört habe, dann ist der Text eigentlich zum großen Teil da."

    Was einen am Ende eines Abends mit Christian Steiffen am meisten irritiert, ist, dass da Leute mit ihm eine Polonaise durch den Saal tanzen, von denen man das nie erwartet hätte. Schon gar nicht von sich selber ...

    "Meine Freundin hat mit mir Schluss gemacht, es ist schon ein paar Wochen her. Und jetzt sehn ich mich so sehr - nach Sexualverkehr."